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Wie steht es um den Verbrauch?So sparen diese fünf Haushalte Strom und CO2

Wie klimafreundlich leben wir?
Fünf Haushalte zeigen ihren ökologischen Fussabdruck

Vielflieger und Fleischtiger: Viele Schweizer leben nicht gerade umweltfreundlich. Fünf Haushalte gewähren uns Einblick in ihre CO2-Bilanz – und erzählen, was sie für das Klima tun.
Publiziert: 10.01.2021 um 11:55 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2021 um 15:47 Uhr
Dana Liechti

Netto null 2050 – das ist das Ziel, das sich der Bundesrat im Kampf gegen die Klimakrise gesetzt hat – in 29 Jahren soll die Schweiz unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstossen.

Weiter gehen die Grünen: Sie fordern die sogenannte Klimaneutralität bereits für 2030. Kommende Woche will die Partei einen Klimaplan vorstellen, der aufzeigt, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

Am Freitag veröffentlichten auch die Aktivistinnen des Klimastreiks ein ähnliches Dokument. Als Massnahmen schlagen sie beispielsweise autofreie Städte oder eine mehrheitlich pflanzliche Küche in öffentlichen Kantinen ab 2025 vor.

Sie sind Vielfliegerinnen und Fleischtiger.
Foto: Shutterstock
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Viele Irrtümer beim Klimaschutz

Als wichtiges Etappenziel gilt auch das neue CO2-Gesetz. Um die Klimaziele zu erreichen, muss jeder mithelfen, meint Corina Gyssler, Sprecherin der Umweltorganisation WWF. «Es braucht ein Zusammenspiel von Politik, Unternehmen und uns allen.» Bereits heute versuchen viele Menschen, im Alltag ökologischere Entscheide zu treffen und verzichten zum Beispiel auf Plastiksäckli.

Gerade punkto Klimaschutz gibt es viele Irrtümer. Es sei zwar wichtig, Plastikmüll zu reduzieren, so Gyssler. «Aber die grossen Probleme sind damit nicht gelöst. Die Verpackung trägt nur ein bis fünf Prozent zur Umweltbelastung beim Kauf von Esswaren bei.» Was einen Unterschied macht: Tierische Produkte so oft wie möglich mit pflanzlichen ersetzen, Foodwaste verhindern, auf Bio und Saisonalität achten.

Den grössten Einfluss aufs Klima haben Mobilität, Heizen und Ernährung. Gerade darin aber schneiden Schweizer schlecht ab: Wir sind Vielflieger und verspeisen jährlich 50 Kilo Fleisch pro Person. Entsprechend gross ist unser «ökologischer Fussabdruck»: Knapp 14 Tonnen CO2 gehen jährlich auf unser Konto – pro Kopf. Nur in wenigen anderen Ländern leben die Menschen auf noch grösserem Fuss. Weltweit liegt der Schnitt bei rund sieben Tonnen. «Damit sich Klima und Natur erholen können, müssen wir die Treibhausgase aber sehr bald unter null reduzieren», sagt Gyssler.

Weniger Aktivitäten während Corona

Wie soll das gehen? Schliesslich verursacht schon eine Flugreise von Zürich nach Kos und zurück rund 0,7 Tonnen CO2. Klimafreundliches Handeln ist heute noch häufig teuer und aufwendig.

Fünf Haushalte haben sich bereit erklärt, ihren Ressourcenverbrauch mit dem WWF zu ermitteln – und Verbesserungsvorschläge einzuholen. Allerdings schneiden sie alle besser ab als der Schweizer Durchschnitt. «Sie repräsentieren also nicht ganz die Realität», sagt Gyssler. «Es könnte sein, dass die eingeschränkten Aktivitäten in der Corona-Zeit oder eine leichte Unterschätzung der gewöhnlichen Konsumaktivitäten mitgespielt und das Bild beschönigt haben.

Die Bewusste: Alicia Hämmerli, Kerzers FR

Alicia Hämmerli mit ihrer Hündin Sola.
Foto: Norine Liechti

«Bei mir kommt viel Gemüse auf den Tisch»

Studentin Alicia Hämmerli (25) ist Mieterin einer Zweizimmerwohnung in einem Neubau in Kerzers FR. Sie achtet darauf, dass sie nicht wärmer als 19 Grad heizt. «Ich brauchte Zeit, um zu lernen, dass wir sorgsam mit den Ressourcen umgehen müssen, aber mittlerweile versuche ich, bei meinen Entscheidungen auch an Klimaschutz zu denken.»

Als besonders klimafreundlich sieht sie sich in den Bereichen Essen und Kleidung: Sie isst vegan. «Bei mir kommt viel Gemüse auf den Tisch von einem Bauern, der mir jede Woche eine Gemüsebox vorbeibringt. Kleider kaufe ich praktisch nur noch secondhand.»

Weniger gut sieht die Bilanz bei der Mobilität aus. «Ich brauche ab und zu das Auto – auf dem Land und mit einem blinden Hund ist es mit dem ÖV nicht so leicht.» Bis vor kurzem ist Hämmerli auch regelmässig geflogen – «aber jetzt versuche ich, mir unnötige Flugreisen abzugewöhnen.»

Ihre aus ihrer Sicht grösste Klimasünde? «Kaffee und meine Haustiere!»

Fazit:

Die Studentin beansprucht beim Wohnen wenig Platz und Energie. Zudem isst sie grün: Der Verzicht auf tierische Lebensmittel hat einen positiven Einfluss auf den ökologischen Fussabdruck im Bereich der Ernährung – dieser wird bei einer vegetarischen Ernährung um fast ein Viertel kleiner, bei der veganen um 40 Prozent.

Verbesserungspotenzial hat Hämmerli insbesondere bei der Mobilität: «Hier könnte sie sowohl beim Autofahren als auch beim Fliegen Emissionen sparen», sagt WWF-Sprecherin Corina Gyssler.


Die Technik-Affinen: Familie Olloz aus Gipf-Oberfrick AG

Patrick und Esther Olloz mit ihren Kindern Abigail und Lennox.
Foto: STEFAN BOHRER

«Mit dem Elektrowagen sind wir hoffentlich etwas voraus»

Der Versicherungs-Kundenbetreuer Patrick (38), die diplomierte Pflegefachfrau Esther (37) Olloz und ihre beiden Kinder Abigail (7) und Lennox (4) bewohnen ein Mindestenergie-Einfamilienhaus.

Ihr Zuhause ist mit einer Wärmepumpe ausgestattet, Geräte, die nicht gebraucht werden, werden vom Strom genommen. Unterwegs ist die Familie oft zu Fuss und mit dem Auto, nie im ÖV. Vater Patrick Olloz benutzt das Auto zudem täglich, um zur Arbeit zu fahren. «Da es ein Elektrofahrzeug ist, sind wir aber hoffentlich ein wenig voraus», sagt er.

Klimaschutz habe zwar bereits einen Einfluss auf das Konsumverhalten der Familie – «wir kaufen nur so viel Essen ein, wie wir brauchen, kompostieren und recyceln korrekt», sagt Patrick Olloz. «Aber wir könnten sicherlich noch besser werden.» Häufig im Einkaufskorb landen Kleider für die zwei Kinder. Was sieht die Familie als ihre Klimasünde an? «Wir bewässern unseren Garten!»

Fazit:

Nicht unbedingt der Wasserverbrauch, sondern der Kleiderkonsum schlägt bei der Familie aufs CO2-Budget. «Die Produktion von Kleidern und Schuhen ist sehr energieintensiv», sagt Corina Gyssler. Und: Das strikte Recycling ist zwar vorbildlich, dessen Nutzen wird aber oft zu hoch eingeschätzt. «Bedeutender wären bereits vor dem Kauf neuer Dinge Fragen wie: Benötige ich dieses Produkt überhaupt?» Im Bereich Wohnen und Energie verzeichnet die Familie bereits eine gute Bilanz.


Die Bescheidenen: Reto und Alison Rostetter, Rhäzüns GR

Alison und Reto Rostetter sind aus ihrem Einfamilienhaus aus- und in eine Mietwohnung eingezogen.
Foto: STEFAN BOHRER

«Bei uns gibt es praktisch null Foodwaste»

Vor einiger Zeit sind Reto (68) und Alison (67) Rostetter aus ihrem Einfamilienhaus aus- und in eine Mietwohnung eingezogen. Besonders klimafreundlich sehen sich der Pensionär und die Hausfrau und Übersetzerin beim Wohnen und Essen.

In der neuen Wohnung in einem Minergiehaus gibt es eine Erdsondenheizung und Fotovoltaik, das Paar bezieht Ökostrom. «Und bei uns gibt es praktisch null Foodwaste.» Seit kurzem kommt zudem nur noch wenig Fleisch auf den Tisch. «Vegan ist etwas komplizierter», sagt Alison Rostetter. «Wir haben immer Milch, Käse, Rahm, Butter, Eier im Kühlschrank. Ich habe noch nicht gelernt, ohne auszukommen.» Das Auto wird für den wöchentlichen Einkauf genutzt – «Rhäzüns ist nicht gerade ein Shoppingparadies» – und für die Ferien.

Die grösste Klimasünde des Paars? «Vielleicht das Heizen», sagt Alison Rostetter. «Ich habe schon gern ein warmes Zuhause – unseren Wohnbereich heizen wir auf 21 bis 22 Grad.»

Fazit:

Besonders beim Wohnen und der Mobilität sind die Rostetters vorbildlich unterwegs. Beim Heizen könnten sie tatsächlich noch klimafreundlicher werden. Über ein Drittel der gesamten in der Schweiz verbrauchten Energie wird fürs Heizen genutzt. «Wenn ein Haushalt die Raumtemperatur nur um ein Grad verringert, kann er bereits rund sechs Prozent Heizenergie einsparen», sagt Corina Gyssler. Ihre Empfehlung: Nicht wärmer als 20 Grad.

Würde das Paar zudem nicht mehr täglich Käse und Milchprodukte essen, könnte es zudem im Bereich Ernährung noch grüner werden. Auch ein Mietauto oder Car-sharing könnten noch umweltfreundlichere Optionen sein.


Die Bio-Fans: Familie Gerber aus Baden AG

Daniel Gerber mit Grazia und den Kindern Olivia und Rémy zu Hause in Baden.
Foto: STEFAN BOHRER

«Wir kaufen oft auf dem Wochenmarkt ein»

Grazia (48) und Daniel (44) Gerber leben mit ihren Kindern Olivia (9) und Rémy (7) in einer renovierten 3,5-Zimmer-Altbauwohnung in Baden AG. Klimaschutz habe einen Einfluss auf ihr Konsumverhalten, sagen die Verantwortliche für Veranstaltungen und der Werbeberater. Beim Kauf von Lebensmitteln achten die Gerbers auf Bioqualität. «Alles, was es bio gibt bevorzugen wir. Wir achten zudem auf Regionalität und kaufen darum oft auf dem Wochenmarkt ein.»

Die Familie isst häufig vegetarisch, die Mutter auch vegan. Fleisch gibt es etwa zwei Mal die Woche. Um Strom zu sparen, wird besonders Grazia auch mal kreativ: Erst kürzlich hat sie den ganzen Inhalt des Kühlschranks auf den Balkon verfrachtet – danach kühlte eine Zeit lang die Winterluft die Esswaren.

Die grösste Klimasünde der Gerbers? «Wir haben ein Auto und benutzen es manchmal aus Bequemlichkeit auch für kurze Strecken.»

Fazit:

Die Idee mit dem zum Kühlschrank umfunktionierten Balkon macht Sinn: In einem typischen Haushalt verursachen Kühlschrank und Gefriergerät etwa ein Fünftel des Stromverbrauchs. Dort konnten die Gerbers während des Experiments Energie sparen.

Beim Essen ist die Familie schon gut unterwegs. Aber: Häufiges Auswärtsessen erhöht ihr CO2-Budget um 1,5 Tonnen. Mit weniger Autofahrten oder einem Elektroauto könnte die Familie ihren Fussabdruck noch weiter senken, sagt Corina Gyssler.


Die Sportlichen: Dominik Abbühl und Mahir Sancar, Bern

Dominik Abbühl (l.) und Mahir Sancar.
Foto: STEFAN BOHRER

«Wir heizen die Wohnung grundsätzlich nicht»

Jurist Mahir Sancar (26) und Medizinstudent Dominik Abbühl (26) teilen sich eine 3-Zimmer-Altbauwohnung in der Stadt Bern. Als besonders klimafreundlich sehen sich die WG-Mitbewohner im Bereich Heizen: «Wir nutzen die Abwärme der Nachbarn und heizen die Wohnung grundsätzlich nicht.» Beide sind im Alltag vor allem mit dem Velo unterwegs. Sancar isst grösstenteils vegan, Abbühl vegetarisch.

Beim Kauf von Kleidern achten sie immer häufiger auf Hersteller mit Fokus auf Ökologie. Seit zwei interkontinentalen Flügen 2016 und 2019 versucht Sancar, nicht mehr zu fliegen. Ein Auto braucht er nur in Ausnahmefällen. Abbühl ist am Wochenende und in den Ferien aber wegen seiner Hobbies Surfen und Gleitschirmfliegen darauf angewiesen. «Bei meinen Hobbies und den damit verbundenen Reisen schränke ich mich weniger ein», sagt er.

Die grössten Klimasünden der beiden? «Ich mache etwa zweimal die Woche Wäsche», sagt Sancar. Und Abbühl? «Flugreisen. In Zukunft möchte ich aber auch andere Reisemittel ausprobieren, wie Segelschiffe oder Elektroautos.»

Fazit:

Nicht zu heizen, wenn man es aushält – das ist gut fürs Klima. Als Mieter könnten Sancar und Abbühl laut Corina Gyssler zusätzlich die Vermietenden dazu motivieren, auf eine umweltfreundliche Heizung umzustellen – davon würden alle im Haus profitieren. Die vergangenen Flugreisen schlagen den beiden mit vier Tonnen CO2 ordentlich aufs Budget. Auch hier liegt Sparpotenzial.

Übrigens: Beim Waschen lässt sich viel Energie einsparen, wenn man eine tiefe Temperatur – also 20 oder 30 Grad – wählt.


CO2-Referendum kommt

Es ist die wichtigste Abstimmung des Jahres: Voraussichtlich im Juni befindet die Schweiz über das neue CO2-Gesetz. Am Dienstag reicht das von der Erdölindustrie geführte Komitee die Unterschriften für ein Referendum bei der Bundeskanzlei ein.

Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums wurden Unterschriften für ein Referendum gesammelt – von Teilen der Klimastreikbewegung, trotz Kritik aus den eigenen Reihen: Die Vorlage geht den Aktivisten zu wenig weit. Man habe zwar nicht genügend Unterschriften zusammenbekommen, erklärt Aktivist Mattia de Lucia (19). «Wir reichen sie am Montag trotzdem ein, weil wir mitreden wollen.»

Keystone

Es ist die wichtigste Abstimmung des Jahres: Voraussichtlich im Juni befindet die Schweiz über das neue CO2-Gesetz. Am Dienstag reicht das von der Erdölindustrie geführte Komitee die Unterschriften für ein Referendum bei der Bundeskanzlei ein.

Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums wurden Unterschriften für ein Referendum gesammelt – von Teilen der Klimastreikbewegung, trotz Kritik aus den eigenen Reihen: Die Vorlage geht den Aktivisten zu wenig weit. Man habe zwar nicht genügend Unterschriften zusammenbekommen, erklärt Aktivist Mattia de Lucia (19). «Wir reichen sie am Montag trotzdem ein, weil wir mitreden wollen.»

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