«Jetzt bin ich alleinerziehende Mutter»
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Witwe zum Heli-Unfall:«Jetzt bin ich alleinerziehende Mutter»

Unfall-Expertin verlor Ehemann bei Heli-Crash im Wallis – sie erhebt schwere Vorwürfe
«Dieser Absturz hätte verhindert werden können»

Caroline George trauert um ihren Mann. Adam ist eines der drei Opfer, die beim Helikopterabsturz am Petit Combin im Wallis ihr Leben verloren haben. Die Witwe ist sich sicher, dass es Faktoren gibt, die das Unglück hätten verhindern können.
Publiziert: 07.06.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2024 um 15:24 Uhr
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Martin MeulReporter News

Caroline George (48) kennt sich mit Unfällen in den Bergen aus. Als Präsidentin der Fachgruppe Expertisen bei Bergunfällen (FEB) unterstützt sie Justiz und Versicherungen bei der Beurteilung von Bergunfällen. Die Juristin und Bergführerin aus Cries VS ist eine Expertin, wenn es darum geht, den Tod von Menschen in den Alpen zu beurteilen.

Am Mittwoch, dem 3. April 2024, um 9.25 Uhr, wird George selbst zur Hinterbliebenen. Ihr Mann Adam George (†45) ist einer der drei Menschen, die beim tragischen Helikopter-Absturz am Petit Combin in den Walliser Alpen ihr Leben verlieren. «Adam ging morgens um sieben Uhr aus dem Haus. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen haben», erzählt die 48-Jährige im Gespräch mit Blick rund 50 Tage nach der Tragödie. Beim Unglück mit einer Maschine der Air Glacier sterben neben dem Schweizer Bergführer mit amerikanischen Wurzeln auch der Pilot Vincent T.* (†34) und der irische Gast Conor A.* (†34). Wie durch ein Wunder überlebten drei weitere Passagiere den Crash.

«An Arbeit ist momentan kaum zu denken»

Seit dem Unglück steht das Leben von Caroline und ihrer Tochter Olivia (12) Kopf. «Adam war zwar immer gut auf seinen möglichen Tod vorbereitet, hatte eigentlich alles geregelt», sagt seine Witwe. Zu organisieren gab und gibt es trotzdem immer noch genug. «Es kommen zum Beispiel immer noch Briefe für Adam», sagt Caroline George. Jedes Mal wird sie so an ihren tragischen Verlust erinnert. «Es ist sehr, sehr schwer für mich.»

Am Mittwoch, 3. April 2024, stürzte am Petit Combin ein Helikopter der Air Glaciers ab.
Foto: keystone-sda.ch
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Trotz der grossen Trauer um ihren Mann muss sie stark sein. «Zuallererst muss ich für mein Kind da sein, damit sie um ihren Vater trauern kann.» Dafür zu sorgen, dass das Leben der Tochter so «normal» wie möglich weitergeht, hat für die Mutter oberste Priorität.

Zu der Trauer um den Verlust des Ehemannes und Vaters kommen für Caroline George Sorgen um die Zukunft. «An meine Arbeit als Bergführerin ist im Moment kaum zu denken», sagt sie. Der Hauptgrund: Die Tochter hat Angst um ihre Mutter. «Wenn jetzt auch mir noch etwas passieren würde, dann wäre mein Kind eine Vollwaise. Das wäre kaum zu verantworten», sagt George. Auch sonst ist es schwer für die Witwe, schon nur wegen des Hauses. «Adam hat es selbst gebaut. Hier zu wohnen, ist darum nicht leicht für mich.» Alles erinnert an den Familienvater. An der Wand hängt ein Foto der Familie auf dem Gipfel eines Berges, lächelnde Gesichter. «Wie es weitergehen soll, weiss ich nicht», sagt die Witwe.

«Die Verhältnisse waren herausfordernd»

Zu all diesen Unsicherheiten quält die Frage nach dem Warum die Bergführerin. Als Expertin für Bergunfälle hat sie sich selbst intensiv mit dem Unglück befasst, das ihren Mann das Leben gekostet hat. Caroline George will der Untersuchung der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) zwar nicht vorgreifen, doch sie ist sicher: «Dieser Absturz hätte verhindert werden können.» Die Witwe sieht mehrere Faktoren, die zum Unglück geführt haben könnten.

Die Unfallexpertin hat auf der Suche nach Antworten mit Piloten und Bergführern und vor allem mit den drei Überlebenden gesprochen. Sie sagt: «Die Bedingungen am Landeplatz waren an diesem Tag wohl sehr herausfordernd.»

Der Unglückshelikopter soll etwa 1000 Meter die Nordwand des Petit Combins hinuntergestürzt sein.

Die Witwe vermutet einen sogenannten Whiteout als Unfallursache: Lag auf dem Petit Combin viel Neuschnee, wäre dieser durch den anfliegenden Helikopter aufgewirbelt worden. «Zusammen mit den Wolken hätte dies zu einem Whiteout führen können, bei dem der Pilot den Boden nicht mehr sehen kann. In so einem Fall ist einfach alles weiss, man erkennt gar nichts», erklärt George. Schlussendlich habe der Helikopter deshalb vermutlich den Boden berührt und sei danach etwa 1000 Meter die Nordwand hinuntergestürzt.

Bedingungen waren bekannt

Besonders fatal an der Sache sei, dass der Pilot der Unglücksmaschine eigentlich hätte wissen können, was ihn am Landeplatz erwartet. Das hat Caroline George recherchiert. Sie sagt: «Kurz vor ihm waren offenbar schon zwei Maschinen dort gelandet, hatten gesehen, wie herausfordernd die Bedingungen dort sind.» Doch ein warnender Funkspruch für die nachfolgenden Helis blieb aus. «Dafür gibt es in der Helikopter-Fliegerei leider kein Protokoll, keine Verpflichtung», sagt die Unfallexpertin. «So wurde der Pilot der Maschine meines Mannes von den Bedingungen womöglich überrascht. Ein Umstand, der bei einem Whiteout tödlich sein kann.»

Unterdessen schien sich Bergführer Adam George aber der Gefahr bewusst zu sein. «Während des Flugs schrieb er an einen Kollegen im Tal, dass er nicht sicher ist, ob eine Landung möglich ist. Sein letztes Lebenszeichen», sagt seine Witwe. Über das, was sich in den letzten Sekunden im Unglückshelikopter abgespielt hat, kann dennoch nur spekuliert werden.

Bernard Vogel, CEO von Air Glaciers, verweist diesbezüglich auf die Untersuchung der Sust. Er sagt: «Wir haben momentan keine Informationen zum Unfallhergang.» Entsprechend sei auch völlig offen, wovor zuvor gelandete Maschinen die nachfolgenden Maschinen hätten warnen können oder sollen. «Tatsache ist, dass es eine spezielle Gebirgsflugfrequenz gibt, auf der alle Piloten, welche Gebirgslandeplätze anfliegen, miteinander in Kontakt sind», so Vogel.

* Namen geändert 

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