«Es war wie in einem Zombie-Film»
Haute Route wurde schon 2018 zur Todesfalle

Traurige Gewissheit im Skitourengänger-Drama auf der Haute Route im Wallis: Fünf der sechs Vermissten vom Wochenende wurden bisher tot geborgen. Es ist nicht die erste Tragödie auf der legendären Skitour durch die Alpen. Ein Rückblick auf das Unglück von 2018.
Publiziert: 11.03.2024 um 10:48 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2024 um 13:44 Uhr
Der Überlebende Luciano Cattori sprach im «SRF Dok» über das Unglück.
Foto: Screenshot SRF
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Sandra MeierJournalistin News

Es muss ein Albtraum gewesen sein, in dem sich 14 Alpinisten 2018 am Pigne d'Arolla wiedergefunden haben. Sieben von ihnen sollten nicht lebend von ihrem Abenteuer zurückkehren. Es war eines der grössten Unglücke dieser Art in den Schweizer Alpen. Die Parallelen zur Tragödie von diesem Wochenende mit bisher fünf toten Skitourengängern im Wallis: In beiden Fällen spielten schlechte Wetterbedingungen eine entscheidende Rolle.

Rückblick: Eine Gruppe von zehn Personen bricht Ende April 2018 zu einer sechstägigen Expedition auf. Zunächst verläuft alles nach Plan. Der Bergführer Mario C.* (†59) geniesst einen guten Ruf unter den Teilnehmenden. 1500 Franken haben sie für die Tour gezahlt. Doch an Tag 3 kündigt sich ein Sturm im Süden an. Um 16 Uhr erreicht die Gruppe die Cabane des Dix auf 2928 Metern über Meer. Sie schlagen ihr Nachtlager auf. «Ich dachte mir, schauen wir mal, wie schlecht das Wetter wird, und entscheiden dann wegen morgen», sagt einer der Überlebenden, Tomaso Piccioli, später in einem «SRF Dok» über das Unglück. «Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, wir haben ja einen erfahrenen Führer dabei.»

GPS und Satellitenhandy funktioniert nicht

Am nächsten Tag ist die Sicht zunächst gar nicht so schlecht. Bergführer C. beschliesst, die Etappe in Angriff zu nehmen. Doch der Sturm erreicht die Gruppe früher als vom Bergführer erwartet. Die Sicht verschlechtert sich rapide. Mehrere Male muss die Gruppe umkehren, um den richtigen Weg zu finden. Weder GPS noch Satellitenhandy funktionieren. Unterwegs treffen sie auf vier verirrte Franzosen, die ohne Bergführer unterwegs sind.

Es herrschen Minustemperaturen im zweistelligen Bereich. Der Wind peitscht ihnen mit Geschwindigkeiten von bis zu 150 Kilometern pro Stunde um die Ohren. Nach über 12-stündigem Herumirren beschliesst der Bergführer, auf einer Kuppe zu biwakieren. Was sie damals nicht wissen: Die rettende Hütte wäre nur 550 Metern von ihnen entfernt gewesen. Um sich vor Wind und Wetter zu schützen, versucht sich die Gruppe im Schnee einzugraben. Doch der Boden ist pickelhart. «Ich sagte zum Bergführer, hier würden wir sterben», erinnert sich Luciano Cattori, ein weiterer Überlebender, im «SRF Dok». Doch die Gruppe ist zu erschöpft, um weiterzugehen.

«Es war wie im Zombie-Film»

Der Bergführer macht sich im Alleingang auf die Suche nach der rettenden Berghütte Cabane des Vignettes. Er wird am nächsten Tag tot aufgefunden. Die restlichen Tourengänger verbringen auf einer Höhe von 3270 Metern über Meer die Nacht im Freien. «Schon nach zehn Minuten zitterte ich am ganzen Körper», sagt Cattori. «Mein Körper ist nicht für diese Kälte gemacht. Es war wie in einem Zombie-Film.»

Am nächsten Morgen beginnt eine der grössten Rettungsaktionen in den Schweizer Alpen. Sieben Helikopter sind im Einsatz, fliegen die Tourengänger in Spitäler. Doch für viele kommt die Hilfe zu spät. Sechs Personen starben im Spital. Auch der Tessiner Cattori landete im äusserst kritischen Zustand im Spital: «26 Grad Körpertemperatur, fünf Herzschläge, eingedicktes Blut. Man musste das ganze Blut austauschen, es war fast hoffnungslos.»

* Name bekannt

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