«Es ist kein schönes Gefühl, die Feier wäre wichtig gewesen»
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Streit um Kommunion mit Kesb:«Es ist kein schönes Gefühl»

Bub lebt bei Pflegefamilie – Eltern müssen abgespeckte Kommunion feiern
«Es tut weh, dass wir unseren Sohn nicht begleiten konnten»

Isabelle H. und Stefan T. hätten gerne mit ihrem Sohn richtig die Erstkommunion gefeiert. Doch das geht nicht, denn der Junge lebt bei Pflegeeltern. Die Eltern sind enttäuscht – die Behörden betonen derweil die Frage des Kindeswohls.
Publiziert: 08.05.2023 um 01:16 Uhr
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Aktualisiert: 08.05.2023 um 11:09 Uhr
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Martin MeulReporter News

Für die meisten Menschen im katholisch geprägten Wallis ist sie ein Meilenstein in der Kindheit: die Erstkommunion. Das Sakrament wird üblicherweise mit einem aufwändigen Gottesdienst gefeiert, danach geht es mit der ganzen Familie ins Restaurant. Ein Tag, an den man sich noch Jahrzehnte später erinnern soll.

Auch Isabelle T.* (28) und Stefan H.* (30) aus dem Oberwallis werden die Erstkommunion ihres Sohnes Silvan* (9) ihr Leben lang nicht vergessen. Doch bei den beiden ist es eine zwiespältige Erinnerung. Denn T. und H. dürfen nur eine abgespeckte Kommunion feiern. Erzwungenermassen, auf Anordnung des Amtes für Kindesschutz (AKS).

Seit neun Jahren bei Pflegeeltern

Auch ein paar Tage nach dem Fest sitzt die Enttäuschung bei den Eltern immer noch tief. «Es tut weh, dass wir unseren Sohn an diesem Tag nicht richtig begleiten konnten», sagt Silvans Mutter zu Blick. Auch der Vater ist deprimiert, er hadert mit der Vorgeschichte. «Die Behörde hätte mehr tun sollen, um diese Situation zu verhindern», findet er.

Eine scheinbar normale Familie: Stefan T., Isabelle H. und ihre Tochter (5) schauen gemeinsam TV. Doch die Abwesenheit des Sohnes ist spürbar und beschäftigt die Eltern.
Foto: Andrea Soltermann
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Die Behörde ist in diesem Fall das Walliser AKS. Dieses ist in die Sache involviert, weil Silvan seit fast neun Jahren bei einer Pflegefamilie** in der Region lebt. Kurz nach der Geburt des Jungen geht bei der zuständigen Behörde eine Gefährdungsmeldung ein. Man kommt zum Schluss, dass die Eltern des Jungen nicht in der Lage sind, für das Kind zu sorgen. Silvan wird fremdplatziert.

Eine Entscheidung, mit der Silvans Eltern anfangs auch nicht hadern. «Die Pflegemutter war für mich die ersten Jahre wie eine Ersatzmutter», sagt Isabelle T. Doch dann kommt es zum Bruch, als Silvans Eltern beschliessen, dass der Junge zu ihnen zurückkommen soll. Seitdem gibt es regelmässig Ärger. Anhörungen finden statt, Verfügungen werden aufgesetzt, die Gerichte müssen sich mit dem Fall befassen. Das Hauptargument der beiden für eine Rückplatzierung des Sohnes: Die fünfjährige gemeinsame Tochter lebt bei den beiden, dagegen haben die Behörden nichts. «Das zeigt doch, dass wir erziehungsfähig sind», so Stefan H.

Der Junge wollte nicht

Im Sommer 2022 wurde bislang zum letzten Mal eine neue Vereinbarung bezüglich Sohn Silvan aufgesetzt, das Schriftstück liegt Blick vor. Darin ist festgehalten, dass der Junge regelmässig die Wochenenden bei seinen leiblichen Eltern verbringt.

Deshalb gingen die beiden bis vor einem Monat davon aus, dass sie am 30. April mit ihrem Sohn die Kommunion feiern können. Doch dann kam alles anders. Isabelle T. erzählt: «Plötzlich wollte Silvan wissen, wo wir nach der Messe zum Essen hingehen werden.» Der Junge hat eine klare Vorstellung davon, wo gefeiert werden soll, die Eltern aber haben andere Pläne. Denn: Sie können sich die vom Sohn ausgesuchten Restaurants nicht leisten.

In der Folge äusserte der Junge offenbar Bedenken bezüglich der Planung der Erstkommunion. In einer E-Mail seiner Beiständin vom AKS war wenige Tage später zu lesen: «Obwohl wir vereinbart haben, dass Silvan den Tag mit seinen Eltern verbringen wird, zeigt er mittlerweile deutlich, auf was er sich einlassen kann und auf was nicht.»

Pflegeeltern als zentrale Bezugspersonen

Eine Feier mit den Eltern in Domodossola (I) am Tag der Erstkommunion scheint für den Jungen etwas zu sein, was er nicht will. «Er wird sich weigern, mit den Eltern die Erstkommunion zu feiern», schreibt die Beiständin weiter. Ein Behördendokument vom vergangenen Sommer gibt dabei Aufschluss darüber, in welchem Konflikt sich der Junge befindet. Die Pflegeeltern seien die «primären Bezugspersonen», heisst es dort. Sie würden Zuverlässigkeit, Stabilität und Kontinuität bieten. «Die Beziehung ist aufgrund der Platzierung im frühkindlichen Alter eine gewachsene Beziehung und dieser Umstand ist als sozialpsychische Verwurzelung bei der Pflegefamilie zu bewerten.»

Die Beamtin des AKS schlägt vor diesem Hintergrund vor, dass Silvan mit seinen Eltern einen Tag vorher feiert und die Erstkommunion selbst im Kreis seiner Pflegefamilie begeht. «Ansonsten wird eine grosse Eskapade auf alle zukommen, was wir unbedingt vermeiden müssen, zum Wohle von Silvan und damit er sich in Bezug auf die Erstkommunion an einen schönen Tag erinnert.» So kommt es schlussendlich auch. «Wir hatten einen schönen Tag mit unserem Sohn in Italien», sagt Vater Stefan H.

Dennoch sind die beiden unzufrieden, vor allem mit Silvans Beiständin. «Es geht aus unserer Sicht nicht, dass jeder Laune von Silvan stattgegeben wird», sagt Mutter Isabelle T. So hat der Junge sich in letzter Zeit mehrfach geweigert, das Wochenende bei den Eltern zu verbringen. «Man argumentiert mit dem Kindeswohl, aber dazu gehört auch, zu lernen, was Konsequenz bedeutet», sagt der Vater und verweist auf die Vereinbarung bezüglich des Umgangs mit den Besuchen an den Wochenenden. Die Pflegefamilie liess eine Interviewanfrage von Blick unbeantwortet, das AKS wollte sich nicht zu einem konkreten Fall äussern.

* Namen geändert
** Namen bekannt

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