Familiendrama in Montreux VD
Sie sprangen alle nacheinander vom Balkon

In Montreux VD stürzte eine Familie vom Balkon in den Tod. Nur der 15-jährige Sohn überlebte den Todessturz. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor: Die These vom kollektiven Selbstmord ist die wahrscheinlichste.
Publiziert: 29.03.2022 um 11:16 Uhr
|
Aktualisiert: 29.03.2022 um 16:19 Uhr

Vergangenen Donnerstag kam es in Montreux VD zu einer enormen Tragödie: Eine Familie stürzte aus dem siebten Stock in die Tiefe. Vier Personen starben bei dem Unglück. Nur der Sohn (15) überlebte den Sturz. Er liegt derzeit im Koma.

Jetzt teilt die Kantonspolizei Waadt erste Ergebnisse der Ermittlungen mit. Das Eingreifen Dritter könne ausgeschlossen werden. Die These vom kollektiven Selbstmord werde favorisiert, heisst es in der Mitteilung. Demnach seien alle Opfer nacheinander vom Balkon gesprungen. Zu diesem Schluss kommen die Staatsanwaltschaft und die Ermittler der Kantonspolizei nach fünf Ermittlungstagen.

«Polizisten verliessen Wohnung – dann kam der Anruf über die Notfallnummer»
1:06
Kantonspolizei Waadt:«Polizisten verliessen Wohnung – dann passierte es»

Familie lebte abseits der Gesellschaft

Die Familie lebte zurückgezogen von der Gesellschaft und musste befürchten, dass die Behörden in ihre Lebensweise eingreifen würden.

Vergangenen Donnerstag stürzte eine Familie in Montreux VD in den Tod. Nur ein Familienmitglied überlebte.
Foto: AFP
1/7

Seit Beginn der Pandemie interessierte sich die Familie sehr für Verschwörungs- und Survival-Thesen. Sie hatte einen beeindruckenden Vorrat an Nahrungsmitteln aller Art aufgebaut, sehr gut organisiert, die meisten der verschiedenen Räume der Wohnung einnehmend, um es ihr zu ermöglichen, mit einer grösseren Krise fertig zu werden.

Die Familie lebte praktisch autark und von der Gesellschaft zurückgezogen. Nur die Zwillingsschwester der Mutter arbeitete ausser Haus. Weder die Mutter noch das 8-jährige Mädchen waren offiziell bei der Einwohnerkontrolle registriert. Deshalb ging das Mädchen auch nicht zur Schule. Offiziell waren die beiden im April 2016 nach Marokko ausgereist.

«Die Nachbarn zeichnen ein klares Bild der Opferfamilie»
0:42
Zurückhaltend und komisch:«Die Nachbarn zeichnen ein klares Bild der Opferfamilie»

Keine Spuren eines Kampfes

Was den ältesten Sohn anbelangt, so war gerade sein Homeschooling der Ausgangspunkt der polizeilichen Untersuchung. Die Waadtländer Polizei wollte den Vater dazu befragen und kam auch deswegen in die Wohnung.

All diese Elemente deuten bei den Mitgliedern dieser Familie auf die Angst vor der Einmischung der Autorität in ihr Leben hin. Die durchgeführten Untersuchungen ermöglichten es, das Eingreifen Dritter auszuschliessen. Die fünf Personen stürzten kurz vor 7 Uhr innerhalb von fünf Minuten nacheinander aus einer Höhe von über zwanzig Metern ab dem Balkon. Die Polizei entdeckte eine Trittleiter auf dem Balkon und es konnten keine Spur eines Kampfes festgestellt werden.

Alle Opfer konnten offiziell als Mitglieder derselben Familie französischer Staatsangehöriger identifiziert werden: Der 40-jährige Vater, seine 41-jährige Frau, ihre Zwillingsschwester sowie die 8-jährige Tochter des Paares. Diese vier Personen kamen bei dem Todessturz ums Leben. (dzc)

Fehler gefunden? Jetzt melden