Geldgeschenke beleben Walliser Dorf
Aargauer zügeln nach Albinen, junge Einheimische bleiben

Die Walliser Gemeinde Albinen hat erste Erfolge im Kampf gegen die Abwanderung erzielt. Dank der Wohnbauförderung bauen insbesondere junge Einheimische in der Gemeinde. Auch eine Aargauer Familie lässt sich im Bergdorf nieder.
Publiziert: 06.08.2018 um 10:14 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:45 Uhr

Im vergangenen November hat die Walliser Gemeinde Albinen für Schlagzeilen gesorgt: Die Einwohner beschlossen an der Gemeindeversammlung, Neuzuzügern 25'000 Franken pro erwachsener Person und 10'000 Franken pro Kind zu schenken. So soll verhindert werden, dass das Dorf plötzlich ohne Bewohner dasteht. Nun zahlt sich der Geldsegen aus. Den Gemeindepräsidenten Beat Jost freuts. «Unsere Wohnbauförderung ist gut angelaufen und auf Kurs», sagt er der Agentur Keystone-SDA auf Anfrage.

Acht Monate nach der Abstimmung hat der Gemeinderat zwei erste Beitragsgesuche gutgeheissen. Drei weitere stehen nach Angaben von Jost kurz vor der Einreichung.

Anfang Oktober zieht eine Familie mit zwei Kleinkindern aus dem Kanton Aargau in das Oberwalliser Dorf auf 1300 Metern Höhe. Sie hat in Albinen ein Haus gekauft und erhält dafür von der Gemeinde 70'000 Franken. Nicht als Geschenk, wohlverstanden: Die Anschubfinanzierung ist an strenge Bedingungen geknüpft. So muss Albinen Erstwohnsitz sein. Weiter muss ein Gesuchsteller mindestens 200'000 Franken investieren. Zieht er vor Ablauf von zehn Jahren nach Baubeginn wieder weg, muss er den Betrag der Gemeinde zurückzahlen. Ferner dürfen Empfänger nicht älter als 45 Jahre alt sein. Und Ausländer müssen im Besitz der schweizerischen Niederlassungsbewilligung C sein.

Bergidylle: Albinen VS lockt nicht nur mit seiner schönen Landschaft, sondern auch mit einer finanziellen Belohnung.
Foto: Keystone
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Auch Einheimische sollen bauen und bleiben

Die Wohnbauförderung ist nur bedingt als Lockangebot für Neuzuzüger gedacht. Sie soll auch Einheimische ermuntern, in Albinen zu bleiben und dort zu bauen. Vor allem in diesem Punkt kann die Gemeinde, wie sich zeigt, Erfolge verbuchen. «Das zweite bewilligte Gesuch betrifft eine Einzelperson aus Albinen, die einen grösseren Umbau eines alten Hauses tätigt», sagt Jost. «Dazu kommen drei weitere konkrete Projekte junger Albiner, die voraussichtlich im zweiten Halbjahr ihre Beitragsgesuche einreichen werden.»

Diese Nachricht ist ein Segen für das Bergdorf an einem Sonnenhang hoch über Rhonetal, dessen Einwohnerzahl in den vergangenen 80 Jahren um rund ein Drittel von 367 auf 243 gesunken ist. Allein seit 2010 betrug der Bevölkerungsverlust rund 18 Prozent.

Hinzu kommt, dass inzwischen die Hälfte der Einwohner bald über 60 Jahre alt ist und es an Kinder fehlt. Heute leben in Albinen noch zwei Primarschulkinder und fünf Oberstufenkinder, die mit dem Bus ins je 20 Minuten entfernte Leukerbad beziehungsweise Leuk zur Schule fahren.

«Fünf Familien in fünf Jahren wären ein Erfolg»

«Wenn es uns gelingt, fünf junge Familien in fünf Jahren anzusiedeln, wäre das ein Erfolg», sagt Jost. «Zehn junge Familien in fünf Jahren wäre ein Riesenerfolg. Den schlechtesten Fall haben wir schon hinter uns gelassen: Nämlich null Gesuche, null Interesse», sagt der Gemeindepräsident.

Ziel sei, dass sich Albinen als eigenständige, funktionierende Gemeinde behaupten könne. Dazu gehörten die Aufrechterhaltung des Dorf- und Vereinslebens, des gemeindeeigenen Dorfladens und der direkten Busverbindungen nach Leuk und Leukerbad.

«Wenn am Ende all dieser Bemühungen die Wiedereröffnung der Schule stünde, wäre das eine fantastische Sache, von der wir heute noch kaum zu träumen wagen», sagt Jost. Im Moment könne man tatsächlich so etwas wie Aufbruchstimmung in Albinen feststellen.

Dennoch gibt es im Dorf auch kritische Stimmen, räumt er ein. «Die einen finden, das Geld werde aus dem Fenster geworfen, da wohnbaupolitische Experimente sowieso nichts bringen würden. Die anderen befürchten, das Bergdorf würde von Gesuchen überrannt und übernehme sich finanziell», erklärt Jost.

Viele Anfragen aus dem Ausland

Überrannt wird die Gemeinde tatsächlich - von Anfragen aus dem Ausland, seit vor einem Jahr Newsportale auf der ganzen Welt titelten: «Schweizer Alpendorf Dorf verschenkt Neuzuzügern Geld». In diesen Berichten wurde jedoch geflissentlich verschwiegen, dass für den Geldsegen auch strenge Kriterien gelten.

Rund 12'000 Anfragen gab es nach Angaben der Gemeinde bis heute. «Noch heute kommen wöchentlich Leute - zum Beispiel aus Marokko, Syrien oder von anderswo - nach Albinen und fragen, wo gibt es Geld und wo können wir wohnen», erzählt Jost.

Der Gemeindepräsident bedauert dies sehr. «Diese Menschen suchen verzweifelt und hoffnungslos eine Perspektive, die wir ihnen aber nicht geben können», sagt er. (SDA)

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