Nachbarländer schon von Welle getroffen – Impfquote muss steigen
Jetzt diskutiert auch die Schweiz über 2G!

Kommt auch in der Schweiz die 2-G-Regel? Virologen und Epidemiologen befürchten es, wenn die Schweiz genauso wie die Nachbarländer von einer weiteren heftigen Corona-Welle getroffen wird. Erste Anzeichen gibt es schon.
Publiziert: 09.11.2021 um 01:11 Uhr
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Aktualisiert: 09.11.2021 um 10:56 Uhr
Fabian Vogt, Johannes Hillig

Geimpft, genesen oder ... draussen bleiben. Diese Regel gilt seit Montag in Österreich. Unser Nachbarland hat 2G eingeführt und versperrt damit Ungeimpften den Weg in Lokale, Fitnessstudios oder zum Coiffeur. Die Folge: Plötzlich wollen sich die Menschen impfen. 213’000 waren es vergangene Woche – so viele wie nie seit der ersten Augustwoche, als die europäische Impfkampagne ihre Blütezeit erlebte. Damals waren knapp 60 Prozent vollständig geimpft. Heute sind es rund 65 Prozent.

Während sich die Impfquote im Herbst bei unserem östlichen Nachbarn kaum bewegte, stieg die Fallkurve rasant an. Über 50’000 neue Fälle wurden letzte Woche gemeldet, so viele wie noch nie. Zum Vergleich: In der Schweiz waren es 14’888 neue Fälle, bei fast gleich vielen Einwohnern. Um den Anstieg zu bremsen, sah die österreichische Regierung kein anderes Mittel, als 2G einzuführen – und die Warnung nachzuschieben, dass bei weiter steigenden Fallzahlen Ungeimpfte zu einem vollständigen Lockdown verdonnert werden.

Droht dieses Szenario auch in der Schweiz? Schliesslich musste nebst Österreich auch Deutschland am Montag einen traurigen Rekord vermelden: die höchste 7-Tage-Inzidenz seit Beginn der Pandemie. Und auch in Osteuropa sind die Fallzahlen explodiert, unter anderem herrscht in Tschechien, der Slowakei, Slowenien, dem Baltikum oder Kroatien Alarmstufe Rot.

Vor allem im Nordosten Europas nehmen die Fallzahlen explosionsartig zu. In Österreich, aber auch in Teilen Deutschlands (im Bild) wird darum die 2-G-Regel eingeführt. Heisst: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene.
Foto: Getty Images
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Lange Warteschlangen:Österreicher lassen sich nach 2G-Entscheid impfen

«Die vierte Welle ist da»

Der Tessiner Virologe Andreas Cerny (65) ist überzeugt, dass der Schweiz das gleiche Schicksal wie den genannten Staaten bevorsteht. «Der Anteil der Ungeimpften nimmt nicht ab. Die im Frühling eingeführten Massnahmen wurden gelockert. Da werden die Zahlen auch bei uns weiter ansteigen.» Noch deutlicher wird der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen (60). «Die vierte Welle ist da», sagt er zu Blick.

Verhaltensveränderungen infolge des schlechteren Wetters und eine ungenügende Impfrate seien die Ursachen. «Wir sind vermehrt drinnen, und vor allem sind auch viele junge Menschen noch nicht geimpft, was nun zu einem erneuten Aufbau der Welle führt.» Nun sei es wichtig, alle Möglichkeiten auszunützen, um die Welle zu bremsen. Steffen zählt Booster-Impfungen bei vulnerablen Personen und wenn nötig eine ausgeweitete Maskenpflicht und Personenbegrenzungen bei Veranstaltungen auf. 2G sieht er nur als letzten Ausweg, bevor sich die Schweiz in einen Teil-Lockdown begibt.

2G soll helfen, Personen von der Impfung zu überzeugen

Andreas Cerny hält 2G ebenfalls für kein ideales, aber ein möglicherweise zielführendes Instrument. Zielführender jedenfalls als einen weiteren Lockdown. «Wir haben ja eine Epidemie der Ungeimpften. 2G kann helfen, diese Personen von der Spritze zu überzeugen. Schliesslich will jeder gerne an Konzerte oder ins Restaurant.»

Hinzu komme wohl bald eine Epidemie der vollständig Geimpften, die keinen Impfschutz mehr aufweisen, so Cerny. Diese beiden Gruppen seien für die Virusverbreitung verantwortlich, dort müsse das Virus gestoppt werden. Er schlägt darum eine Maskenpflicht in Schulen vor und rät dem Bund zu prüfen, ob die Corona-Impfung nicht doch schon ab 12 Jahren oder noch besser ab 5 Jahren freigegeben werden kann.

Ein Auge auf Österreich

Mit Verschärfungen rechnet Jan Fehr (48), sollte die Impfwoche wenig erfolgreich sein. Der Infektiologe der Universität Zürich sagt, entsprechende politische Forderungen dürften kommen, sobald Spitäler wieder an ihre Grenzen gelangen und Operationen zurückgestellt werden. So weit ist es in der Schweiz zwar noch nicht, derzeit sind weniger als 15 Prozent der Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt. Fehr geht allerdings wie Cerny und Steffen davon aus, dass die ungenügende Durchimpfung und der bevorstehende Winter die Lage rasch verschlimmern könnte. Und noch in einem sind sich die Experten einig: Die Auswirkungen der 2G-Einführung in Österreich müssen unbedingt genau beobachtet werden.


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