Hirnschlag-Behandlungen sinken seit dem ersten Lockdown
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Weniger Notrufe wegen Corona?
Hirnschlag-Behandlungen sinken seit dem ersten Lockdown

Im Lockdown vor einem Jahr wurden weniger Schlaganfälle gemeldet. Das ist gefährlich. Den Notruf zu wählen, kann Leben retten. Wie das von Urs Flückiger.
Publiziert: 09.05.2021 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2021 um 18:16 Uhr
Eliane Eisenring

Rund 16'000 Fälle von Hirnschlag werden jährlich in der Schweiz registriert. Bei einem Viertel der Patienten ist nichts mehr zu machen – landesweit sind Schlaganfälle die dritthäufigste Todesursache. Auch im Corona-Jahr wurden etliche Patienten in den Spitälern deswegen behandelt.

Während des ersten Lockdowns – so fand eine im April veröffentlichte Studie heraus – sank die Anzahl Behandlungen aber um sieben Prozent. Zwanzig auf die Erkrankung spezialisierte Zentren in Europa, sogenannte Stroke Centers, nahmen an der Studie teil, fünf davon aus der Schweiz.

Bedeutet das, dass weniger Personen einen Hirnschlag erlitten? Marcel Arnold (57), Chefarzt des Stroke Centers im Inselspital Bern hält das für unwahrscheinlich. Vielmehr «vermuten wir, dass sich während des Lockdowns einige Patienten nicht beim Notruf gemeldet haben. Entweder aus Angst, sich mit Corona anzustecken oder weil sie das Gesundheitssystem nicht belasten wollten». Manche hätten sich wohl auch zu spät gemeldet.

Die Ambulanz unterwegs zum Einsatzort: Jährlich werden in der Schweiz rund 16’000 Hirnschläge registriert. 25 Prozent der Betroffenen sterben. Damit sind Schlaganfälle landesweit die dritthäufigste Todesursache.
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY
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Beim Schlaganfall bildet sich im Hirn ein Gerinnsel, das entfernt werden muss – mithilfe eines Katheters oder einer Infusion, die den Blutpfropfen auflöst. Je schneller das geschieht, desto grösser ist die Chance auf vollständige Heilung.

Plötzlich wollte der Arm nicht mehr

In einer Winternacht 2019 lagen der Basler Urs Flückiger (64) und seine Partnerin Dora Bont im Bett und schliefen. Als Flückiger plötzlich zu husten begann, erwachte sie und fragte, ob alles in Ordnung sei. Flückiger bejahte, doch sein Mundwinkel hing nach unten. Bont bat ihn, den linken Arm zu bewegen, aber das ging nicht – sie wählte 144. Ihr war klar: Er hatte gerade einen Hirnschlag erlitten. Sie wusste, was zu tun ist, da sie zwei Wochen zuvor eine Veranstaltung besucht hatte, auf der erklärt wurde, wie ein Schlaganfall zu erkennen und wer zu kontaktieren ist.

Die Mehrheit der Schweizer wäre überfragt: 38 Prozent können keine Hirnschlagsymptome nennen. Und ein Drittel kennt die Notrufnummer 144 nicht.

Das ist ungenügend, findet die Schweizerische Herzstiftung. Mit einer Kampagne macht sie jetzt auf den Hirnschlag aufmerksam. Die Menschen sollen die Anzeichen erkennen und wissen, wie wichtig es ist, den Anfall möglichst schnell zu behandeln – auch mitten in einer Pandemie.

Gute Behandlung trotz Corona

Was die erwähnte Studie ebenfalls zeigt: Die Qualität der Behandlungen in den Stroke Centern war während des Lockdowns genauso gut wie vor Corona. Es gab weder mehr Komplikationen noch Verzögerungen der Behandlung.

Die Spitäler, so Professor Arnold, arbeiten gut zusammen, auch unter erschwerten Bedingungen. Die Befürchtung, dass man wegen der Pandemie mit einem Hirnschlag nicht gleich gut behandelt werde, sei unbegründet. Betroffene sollten also nicht zögern, sich bei einem Verdacht auf Hirnschlag sofort zu melden.

Urs Flückiger geht es mittlerweile wieder gut. Bleibende Schäden hat er keine – was der raschen Reaktion seiner Partnerin zu verdanken ist. Und einer gehörigen Portion Glück.

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