«Weltwoche»-Chef und SVP-Nationalrat Köppel zu «Putinismus»-Vorwürfen und «Putin-Verteufelungskult» der Medien
«Russland verdient dank sanktionsbedingt hochgetriebenen Energiepreisen mehr denn je»

Der prominente Autor Henryk M. Broder beendete seine langjährige Mitarbeit für die «Weltwoche». Hier kämen «Putinisten» zu Wort. Jetzt verteidigt Verleger und SVP-Nationalrat Roger Köppel seine Position. Medien würden Putin einseitig verteufeln.
Publiziert: 10.07.2022 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2022 um 09:37 Uhr

Als «Putin-Versteher» wurde die «Weltwoche» beschrieben. Der Herausgeber des Wochenmagazins und SVP-Nationalrat Roger Köppel (57) betreibe «Putin-Propaganda», titelte der «Tages-Anzeiger». Die NZZ zog nach: «Wladimir Putin, der Missverstandene, und Roger Köppel, der angeblich missverstandene Putin-Versteher.»

Wie die «Weltwoche» im Ukraine-Krieg taumelte, zog ein prominenter Autor die Reisslinie. «Ich bin dann mal weg» – mit diesen Worten beendete der deutsche Publizist Henryk M. Broder (75) Ende Juni seine langjährige Mitarbeit für Köppels «Weltwoche». Wegen «Putinisten» beim Schweizer Wochenmagazin.

Auch der Kriegsreporter Kurt Pelda (57) ist auf Distanz zu Köppel gegangen. Im Juni löste er im Einvernehmen seinen Vertrag mit der «Weltwoche» auf. Jetzt ergreift der polarisierende SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Chef die Gegenoffensive und verteidigt seine Position zum Ukraine-Krieg. Medien wirft er Einseitigkeit vor, er spricht von einem «Putin-Verteufelungskult».

«Weltwoche»-Herausgeber Roger Köppel wird «Putinismus» vorgeworfen. Der SVP-Nationalrat verharmlose die russischen Kriegsverbrechen.
Foto: Keystone
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Russland verdiene dank Sanktionen mehr denn je

Köppel will die Dinge richtig stellen. Im Gespräch mit der «SonntagsZeitung» dementiert er Sympathien für Putin sofort: «Weder ich noch sonst ein SVP-Exponent hat Putin je gelobt oder empfindet Sympathie für ihn. Ich habe diesen Krieg von Anfang an verurteilt und will, dass er aufhört.»

Doch für die westliche Kriegs- und Sanktionspolitik hat Köppel wenig übrig: «Die Sanktionen gegen Russland funktionieren nicht. Putin marschiert unbeirrt voran, verdient dank sanktionsbedingt hochgetriebenen Energiepreisen mehr denn je und hat in Russland 84 Prozent Zustimmung. Vor dem Krieg waren es 40 bis 50 Prozent. Wenn man will, dass dieser Krieg bald aufhört, muss man mit Putin verhandeln. Selbst wenn man ihn für den übelsten Menschen auf Erden hält.»

Ohne Verhandlungen riskiere auch die «Schweizer Wirtschaft in eine Katastrophe und die Dritte Welt in die grösste Hungersnot seit 60 Jahren» zu stürzen. Köppel bezweifelt, dass Sanktionen und westliche Militärhilfe den russischen Vormarsch in der Ukraine aufhalten. Er «kenne Putins wahre Kriegsziele nicht. Der Westen muss sich einfach fragen, ob die Sanktionen ihre Ziele erreichen. Nach meiner Beobachtung tun sie das nicht.»

«Putin-Verteufelungskult» mache blind und überheblich

Henry Kissinger (99) wird zitiert. Wenn man einen Gegner militärisch nicht bezwingen könne oder wolle, bleibe nichts anderes übrig, als zu verhandeln. «Die Alternative wäre», so Köppel, «eine Politik weiterzuführen, die den Krieg verlängert und die Welt in eine Wirtschafts- und Hungerkrise stürzt.»

Einen «Skandal» nennt Köppel, wie die Schweiz russischen Unternehmern das Vermögen wegnehme. Der Bundesrat habe die «Neutralität kopflos preisgegeben. Die Medien haben das ihre dazu beigetragen, mit einem Putin-Verteufelungskult, der uns überheblich und blind macht für unsere eigenen Werte und Interessen.»

Die Schweiz habe damit auch die Chance verspielt, «die neutrale Zone» zu sein, «damit die Kriegsparteien den Frieden aushandeln». Diese Chance habe der Bundesrat vorerst vertan, weil er die EU-Sanktionen eins zu eins übernommen und die Schweiz so zur Partei im Wirtschaftskrieg gegen Russland gemacht habe.

«Unsere Sicherheit ist akut bedroht»

Die Konsequenzen nennt Köppel «gravierend. Die Russen, eine Weltmacht mit 6000 Atomsprengköpfen, haben uns auf die Liste feindlicher Staaten gesetzt. Unsere Sicherheit ist akut bedroht.» Die schweizerische Neutralität bedeute, «dass sich unser Land in einem Konflikt weder auf die eine noch auf die andere Seite schlägt – wirtschaftlich nicht, und militärisch schon gar nicht.»

Köppel «plädiere entschieden für den bewährten integralen Neutralitätsbegriff, wie ihn die Schweiz im Zweiten Weltkrieg angewendet» habe. Dass die Schweiz den Deutschen Waffen geliefert und auch als Transitzone gedient habe, wischt Köppel weg. «Es ging ums Überleben.» An einem Punkt habe der Bundesrat den Unternehmen befehlen müssen, mit den Deutschen Geschäfte zu machen.

Ist Putin für Köppel ein Verbrecher?

Auf die «Klartext»-Frage, ob Putin auch für Köppel ein Verbrecher sei, weicht dieser aus. Ob die «Vorwürfe gerichtsfest belegt» seien, gehöre erst erwiesen. Aber «ja, jeder Angriffskrieg ist verbrecherisch, eine Untat, nicht zu rechtfertigen, auch wenn die Geschichte Russlands und der Ukraine sehr komplex ist.»

«Jeder Kriegstag ist eine Katastrophe für alle, für die Zivilbevölkerung, für alle Soldaten», so Köppel. «Das muss aufhören. Aber diese Schrecklichkeiten dürfen uns nicht daran hindern, mit kühlem Kopf die Konsequenzen unseres Handelns und unsere nationalen Interessen im Auge zu behalten.» (kes)

«Die Neutralität wird zum Fenster rausgeworfen»
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Köppel zu Waffenlieferungen:«Die Neutralität wird zum Fenster raus geworfen»
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