SP-Galladé zu Waffenexport-Rückzieher
«Das ist das schönste Abschiedsgeschenk!»

Der Protest gegen die geplante Lockerung der Waffenexporte war gross. Mit der Drohung, sonst eine Initiative zu lancieren, forderten die Gegner den Bundesrat auf, seinen Entscheid rückgängig zu machen. Jetzt hatten sie Erfolg.
Publiziert: 31.10.2018 um 05:45 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2018 um 17:13 Uhr
Cinzia Venafro, Martina Tomaschett

Der Druck wurde zu gross: Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) will die geplante Lockerung für Waffenexporte nach heftiger Kritik überdenken. Er kündigte bereits gegenüber zwei Westschweizer Zeitungen an, dem Bundesrat an der heutigen Sitzung vorzuschlagen, das Geschäft aufzuschieben. «Ich werde meinen Kollegen vorschlagen, mit Handeln zu warten», sagt er zu «24 Heures» und der «Tribune de Genève».

Am Nachmittag folgte dann die Vollzugsmeldung: Der Bundesrat verzichtet auf eine Lockerung der Kriegsmaterialverordnung. Der Bundesrat krebst also ein Stück weit zurück. «Ausschlaggebend für den Verzicht auf die Verordnungsanpassung ist für den Bundesrat, dass die politische Unterstützung für die Reform insbesondere in den zuständigen Sicherheitspolitischen Kommissionen nicht mehr gegeben ist», heisst es in der Medienmitteilung des Bundesrates. Zur Erklärung: Schneider-Ammann hatte selbst bei Sicherheitspolitikern den Rückhalt verloren.

SP-Galladé: «Hoffe auf wahre Einsicht und keinen kurzfristigen Opportunismus»

Den Rückhalt für Schweizer Waffen in Bürgerkriegsländer nie erhalten hatte Schneider-Ammann von SP-Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé (45). «Ich hoffe sehr, dass hinter diesem Rückzieher wahre Einsicht steckt und nicht kurzfristiger Opportunismus», so der Winterthurerin. Falls wirklich ein Gesinnungswechsel hinter dem Entscheid von Schneider-Ammann stecke und dieser somit ehrlich gemeint ist, dann sei dies ihr «schönstes Abschiedsgeschenk nach 15 Jahren Sicherheitspolitik in Bern.»

SP-Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé: «Ich hoffe sehr, dass hinter diesem Rückzieher wahre Einsicht steckt und nicht kurzfristiger Opportunismus.»
Foto: KEYSTONE
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Stecke dahinter aber nur Opportunismus, passe sich der Bundesrat «einfach der politischen Grosswetterlage an». Wenn der Druck der Waffenlobby wieder stärker werde, als die öffentliche Meinung, kehre er einfach alles wieder um. «Die Schweiz darf nie mehr Waffen in Unrechtsstaaten liefern. Das ist unseres Landes und unserer Werte nicht würdig», so Galladé.

BDP-Landolt: «Dem Bundesrat die alleinige Macht wegnehmen»

Gleicher Meinung ist auch BDP-Präsident Martin Landolt (50). Trotzdem ist er nicht zufrieden: «Es schockiert mich, wie lange es ging und wie viel Druck es brauchte, bis der Bundesrat sich zu diesem Schritt durchringen konnte», so der Glarner. Hier werde ein Symptom bekämpft, das eigentliche Problem sei damit nicht aus der Welt geschafft. «Es wird nicht das letzte Mal sein, dass der Bundesrat allein über Kriegsmaterial zu entscheiden hat. Darum muss man ihm die alleinige Macht darüber wegnehmen.» Landolt verlangt dies mit einer Motion, die in der Wintersession im Ständerat behandelt wird.

CVP-Glanzmann: «Somit ist diese leidige Sache vom Tisch»

Die Vize-Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission, CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann, atmet ob dem Bundesratsrückzieher auf. «Ich bin sehr froh, dass der Bundesrat sich auf die Werte besonnen hat, die die Schweiz ausmachen. Dieser Entscheid ist sehr wichtig für unser Land. Somit ist diese leidige Sache endlich vom Tisch.»

Grünen-Präsident Balthasar Glättli (46) verweist ebenfalls auf die Motion von Martin Landolt. «Die Waffenexport-Richtlinien gehören ins Gesetz. Wer weiss, was sonst der Bundesrat in einem oder zwei Jahren macht», sagt der Zürcher.

SVP-Salzmann: «Man droht damit, unsere Armee unglaubwürdig zu machen»

Erbost über den Rückzieher des Bundesrates ist SVP-Nationalrat Werner Salzmann (55), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (Sik-N). «Es ist nicht korrekt vom Bundesrat, zu behaupten, ihm fehle der Rückhalt aus der Sicherheitspolitischen Kommission», sagt der Berner. «Wir wurden dazu nach der ordentlichen Konsultation nicht mehr angehört! Der Bundesrat knickt auf öffentlichen Druck ein, ohne eine richtige Begründung zu liefern.»

Zudem habe sich die Ausgangslange nicht verändert. «Unsere Wehrtechnik hatte schmerzliche Verluste zu verkraften, weil einerseits die Schweizer Armee geschrumpft und andererseits das Exportvolumen gesunken ist.»  Damit werde die selbstständige Instandhaltung und der Unterhalt in Krisenzeiten gefährdet. «Man droht damit unsere Armee unglaubwürdig zu machen.»

Fall Khashoggi brachte Bundesrat zum Nachdenken

Im Interview mit «24 Heures» hatte Schneider-Ammann argumentiert: «Wir sind keine Roboter. Wir haben viel diskutiert und die Vor- und Nachteile abgewogen und sind zum Schluss gekommen, dass es weder sehr realistisch noch sehr intelligent ist, den Liberalisierungsprozess zu einem solchen Zeitpunkt fortzusetzen.»

Externer Druck habe eine Rolle gespielt – und auch der Fall Khashoggi. Es sei notwendig, die aktuellen Marktbedingungen und die Vor- und Nachteile einer Lockerung der Kriegsmaterialverordnung zu analysieren. Genauere Angaben machte Schneider-Ammann nicht.

Viel Kritik für Bundesrats-Pläne

Der Bundesrat hatte Mitte Mai angekündigt, die Regeln zu Kriegsmaterialexporten lockern zu wollen. Er beauftragte das Wirtschaftsdepartement mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Verordnungsänderung.

Neu sollten demnach Schweizer Rüstungsfirmen Waffen auch in Bürgerkriegsländer exportieren können, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das Kriegsmaterial im internen Konflikt eingesetzt wird. Die geplante Änderung hielt der Bundesrat bislang für notwendig. Die Kriegsmaterialexporte der Schweiz hätten sich in den letzten Jahren rückläufig entwickelt. Die Industriebasis werde damit zunehmend geschwächt.

Gegner drohen mit Initiative

Für seine Pläne erntete der Bundesrat jedoch viel Kritik. Der Nationalrat nahm in der vergangenen Session eine Motion der BDP-Fraktion an, wonach in Zukunft das Parlament über die Kriterien zur Bewilligung von Waffenexporten entscheiden soll. Stimmt auch der Ständerat in der Wintersession zu, ist dafür in Zukunft nicht mehr der Bundesrat zuständig.

Zuvor hatte eine überparteiliche Allianz gegen Waffenexporte angekündigt, eine sogenannte «Korrektur-Initiative» zu lancieren. Der Text liegt derzeit bei der Bundeskanzlei zur Vorprüfung. (SDA/lha/vfc)

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