Von den Behörden bewilligt
Hinter dieser Kita stecken Scientology-Anhänger

Sektenmitglieder betreiben eine Kinderkrippe in Zürich – mit Bewilligung der Stadt. Experten sind alarmiert, eine Aussteigerin warnt.
Publiziert: 06.08.2023 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2023 um 17:23 Uhr
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Der Name tönt niedlich: Kita Schlümpfli heisst die Kinderkrippe, die in einem unscheinbaren Bürogebäude in Zürich-Altstetten untergebracht ist. Bis zu zwölf Kinder werden hier betreut, ab einem Alter von drei Monaten. Laut der Website «ein Ort voller Lachen, Abenteuer und Fantasie».

Was auf der Internetseite nicht steht: Hinter der Kita stehen Anhänger der Scientology-Sekte. Die Kinder sollen nicht nur spielen, singen und malen, sondern auch im Geist der Ideologie von Scientology erzogen werden.

Betrieben wird die Kita vom Elternverein Schlümpfli, der aus teils führenden Scientologen besteht. Im vergangenen Oktober liess sich der Verein ins Handelsregister eintragen. Dort heisst es: «Die Betreuung basiert auf den Grundprinzipien der Scientology-Religion und den Erziehungsprinzipien von L. Ron Hubbard.» Hubbard ist der hochumstrittene Gründer der Sekte.

Laut der Website der Kita ist die Kinderkrippe «ein Ort voller Lachen, Abenteuer und Fantasie».
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Laut Handelsregister ist die Kita in erster Linie für Kinder reserviert, deren Eltern Aktivmitglieder von Scientology sind. Bleiben jedoch Plätze frei, werden diese auch an andere Familien vergeben.

«Was hat Scientology in der öffentlichen Kinderbetreuung zu suchen?», fragten die Freien Anti-Scientology-Aktivisten kürzlich in einem Blogbeitrag, in dem sie auch über die Hintergründe der Kita Schlümpfli schrieben.

«Intransparent und problematisch»

Klar ist: Die Sekten-Krippe hat eine Bewilligung der Stadt. Debora Komso, Sprecherin des Zürcher Sozialdepartements, bestätigt: «Die Kita hat eine Betriebsbewilligung, erhält aber keine städtischen Subventionsgelder.» Grundsätzlich gebe es keine gesetzlichen Vorgaben, die die religiöse oder politische Orientierung solcher Angebote betreffen. Die Krippenaufsicht prüfe die Kitas hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und besuche diese auch vor Ort.

Sektenexperte Georg Schmid, Leiter der evangelischen Informationsstelle Relinfo, sieht die Kita kritisch. Es sei wichtig, dass Kinderkrippen ihre religiösen Bindungen offenlegen. Auf der Website der Kita Schlümpfli findet man jedoch nichts zum Scientology-Hintergrund. «Das ist intransparent und problematisch», sagt Schmid. Hinzu komme: Durch solche Kitas würden Kinder «in einer weltanschaulichen Blase» aufwachsen. Das sei schlecht «für den Zusammenhalt einer pluralistischen Gesellschaft».

Scientology sieht sich international seit Jahren mit heftigen Vorwürfen konfrontiert. Die Sekte sei totalitär, antidemokratisch, und wer einmal Mitglied ist, finde nur noch schwer hinaus. Die Scientology-Bewegung streitet das ab.

Besonders in der Kritik steht die Pädagogik des mittlerweile verstorbenen Sektengründers Hubbard, auf die sich im Handelsregister auch die Zürcher Schlümpfli-Kita beruft. «Es ist möglich, ein Kind jeder Altersstufe, nachdem es sprechen gelernt hat, zu auditieren», schrieb Hubbard 1951. Auditing – so nennen die Scientologen eine Art Selbstanalyse unter Anleitung. In oft stundenlangen Psycho-Gesprächen werden Kindern persönliche Fragen gestellt. Beim Auditing erlitten Kinder gelegentlich heftige Schmerzen, so Hubbard. «Sie befreien sich in solchen Fällen von alten Geschehnissen und Bestrafungen.»

«Wir berücksichtigen die staatlichen Vorgaben»

Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet Scientology seit 1997. Schon vor Jahren kam dieser zum Schluss, dass die Sekte Kinder als spirituelle Wesen betrachte und wie Erwachsene mittels einer speziell entwickelten Fragetechnik indoktriniere. Auch das hat Scientology stets bestritten. Hubbard bezeichnete in seinem Werk «Dianetik» zudem Homosexuelle als krank, pervers und als eine Gefahr für die Gesellschaft.

Die Betreiber der Kita Schlümpfli in Zürich betonen gegenüber SonntagsBlick, dass der Elternverein schon seit mehr als 30 Jahren besteht. Zwar orientiere man sich an den Glaubensgrundsätzen von Scientology, in erster Linie berücksichtige man aber die staatlichen Auflagen. «Unsere Betreuerinnen und Betreuer sind staatlich ausgebildet und wenden die in ihrer Ausbildung gelernten Grundsätze an.» In der Kita würden die Kinder «zur Selbständigkeit und zu eigenständigem Denken» erzogen. Die Kinderkrippe Schlümpfli sei «auf Diversität ausgerichtet», was auch für unterschiedliche religiöse Ausrichtungen gelte.

Recherche-Hinweise

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Und warum weist der Elternverein den Scientology-Hintergrund nicht auf der Website aus? Der Internetauftritt ist laut den Betreibern erst seit kurzem aufgeschaltet und noch in Arbeit. «Der Hinweis wird selbstverständlich noch eingearbeitet.» Jürg Stettler, Sprecher von Scientology Schweiz, weist zudem darauf hin, dass der Elternverein ein von der Kirche unabhängiger Verein sei.

Aussteigerin fordert Schliessung der Kita

Eine, die Scientology von Innen kennt, ist Sabrina David (34). Die Baslerin war 14 Jahre lang Mitglied der Sekte – bevor sie 2017 den Ausstieg schaffte. «Die Scientology-Kita gehört verboten», sagt sie. Da gehe es einzig und allein darum, «neue Scientologen heranzuziehen». Die Aussteigerin warnt vor den Betreuungsmethoden im Geiste Hubbards: «Wenn sich ein Kind zum Beispiel wehgetan hat, darf man nicht zu ihm hin und es trösten – und man darf nicht reden, sondern muss still sein.» Problematisch sei auch, dass Scientology oft keine Medikamente verabreiche. «Wenn ein Kind krank ist, gibt man ihm meist einfach Vitamine, statt zum Arzt zu gehen.» David: «Ich dachte irgendwann, das sei alles normal. Man hat es ja so gelernt.» Erst, wenn man sich von der Sekte lossage, merke man, dass vieles im Leben ganz anders laufe.

Laut dem Elternverein der Kita treffen diese Vorwürfe auf die Kinderkrippe Schlümpfli «in keiner Weise» zu. Es sei gar eine Richtlinie, dass sich die Kinder bei Krankheiten medizinisch behandeln lassen.

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