Verunsicherung beim Frauenarzt
Wenn der Gynäkologe Impfgegner ist

Junge Frauen sehen die Corona-Schutzimpfung vielfach besonders skeptisch. Nicht immer, aber häufig ist es die Schuld von Medizinern.
Publiziert: 11.09.2021 um 19:49 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2021 um 21:22 Uhr
Camille Kündig

Als sich Leonie* (30) bei ihrer jährlichen Routinekontrolle nach der Covid-Impfung erkundigt, antwortet ihr Frauenarzt mit einer klaren Ansage: «Eines Tages wünschen Sie sich vielleicht Kinder, also warten Sie besser ab.» Die mRNA-Impfstoffe seien «wenig erforscht», über langfristige Nebenwirkungen wisse man nichts.

Gerüchte, die Spritze gegen Covid mache unfruchtbar, halten sich hartnäckig. Verbreitet werden sie nicht nur in kruden Telegram-Chats und über die sozialen Medien – sondern offenbar auch in Arztpraxen. Selima* (31) ist ebenfalls nicht geimpft, weil ihr Gynäkologe davon abrät. «Ich gehe seit Jahren zu ihm und vertraue seiner Meinung.»

Waadtländer Gynäkologe unterschrieb Moratorium

Bei der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) ist diese Problematik bekannt. «Wir erhalten fast täglich Anfragen von verunsicherten Patientinnen», sagt Generalsekretär Thomas Eggimann (54). «Ein hoher Bildungsgrad schützt nicht vor Verschwörungstheorien und skurrilen Theorien.»

Impfen oder doch nicht. Diese Frage stellt sich momentan so manche schwangere Frau.
Foto: imago images/NurPhoto
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Nicht wenige Beschäftigte des Schweizer Gesundheitswesens gingen sogar noch weiter: 958 von ihnen haben seit Beginn des Jahres die Forderung nach einem Moratorium für mRNA-Impfstoffe unterzeichnet. Den Impfstopp-Aufruf unterschrieben auch zahlreiche Ärzte, darunter ein Gynäkologe aus dem Kanton Waadt.

«Wir zählen über 43'000 Mitglieder, und davon haben offenbar 136 Ärzte unterschrieben», bestätigt Charlotte Schweizer, Sprecherin des Ärzteverbandes FMH. Ihre Einschätzung: «Es gibt zwar impfskeptische Ärzte, aber das sind absolute Einzelfälle, die allerdings viel Aufmerksamkeit generieren.» Die überwältigende Mehrheit der Mediziner kläre ihre Patienten darüber auf, dass die Risiken einer Covid-Erkrankung massiv schwerwiegender seien als die einer Impfung.

100-prozentige Sicherheit nicht möglich

«Ich hätte mich impfen lassen, wenn mein Gynäkologe mir garantiert hätte, dass ich keine schweren Nebenwirkungen haben werde», berichtet Anja* (34). FMH-Sprecherin Schweizer: «Der Wunsch, vom Arzt eine absolute Garantie zu bekommen, ist nachvollziehbar, doch leider gibt es bei keinem Medikament eine 100-prozentige Sicherheit.»

Auch einer schwangeren Frau könne trotz Untersuchungen nie versprochen werden, dass ihr Kind ohne Behinderung auf die Welt komme. Schweizer weiter: «Die Aufgabe des Arztes ist es, seine Patienten sorgfältig und medizinisch korrekt aufzuklären und ihnen die Wahrscheinlichkeit der Risiken aufzuzeigen.»

Viele Patienten jedoch wünschen sich von ihrem Arzt mehr als Aufklärung. Denn klar ist: An Covid-19 erkrankte Schwangere riskieren deutlich häufiger einen schweren Verlauf.

Umstrittene Zurückhaltung des BAG

Während Nationen wie Grossbritannien ihren Schwangeren eindringlich zur Impfung raten, empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sie nur für Frauen mit speziellen Risiken – eine Zurückhaltung, die unter Fachleuten umstritten ist.

Nach der Ausdehnung der Zertifikatspflicht am Mittwoch erwartet SGGG-Generalsekretär Eggimann deshalb nun auch eine deutliche Impfansage für Schwangere. Laut BAG wird eine entsprechende Anpassung aktuell diskutiert.

* Namen geändert

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