Manche Kantone liefern keine Zahlen zu Massentests
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SonnatgsBlick macht Umfrage:Manche Kantone liefern keine Zahlen zu Massentests

Umfrage in Kantonen zeigt
Riesige Unterschiede bei den Massentests

Die grosse Offensive läuft. Doch sie läuft nicht überall gleich: In neun Kantonen testet niemand regelmässig. Zürich und Bern fangen am Montag an.
Publiziert: 28.03.2021 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2021 um 08:10 Uhr
Der Bundesrat hat die grosse Offensive ausgerufen: 40 Prozent der mobilen Bevölkerung sollen sich regelmässig testen.
Foto: keystone-sda.ch
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Danny Schlumpf

Vier Millionen, sechs Millionen, acht Millionen Dosen! Der Bundesrat überschlägt sich geradezu mit Impfankündigungen. Fakt ist: 95 Prozent der Schweizer sind noch nicht geimpft. Niemand weiss, wann die versprochenen Dosen wirklich eintreffen – dabei rollt bereits die dritte Welle an.

Umso wichtiger ist das Testen. Im Januar verkündete der Bundesrat einen radikalen Strategiewechsel. Anfang März legte er eine Milliarde für Massentests auf den Tisch. Und gestern gab Bundesrat Alain Berset (48) bekannt: Ab 7. April sind Selbsttests in Apotheken verfügbar.

Entscheidend aber bleibt das wiederholte Testen in Heimen, Schulen und Betrieben. Die Kantone wissen seit Januar, dass sie für die Organisation verantwortlich sind. 23 von ihnen haben dem Bund mittlerweile ein Konzept geschickt. Freiburg, Jura und Nidwalden fehlen noch.

Riesige Unterschiede!

Doch wie sieht es in den Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Firmen Ende März tatsächlich aus? Wie viele testen heute regelmässig? SonntagsBlick hat bei den Kantonen nachgefragt. Ergebnis: Die Unterschiede sind riesig!

Einsamer Spitzenreiter ist Graubünden. Dort testen bereits 1500 Firmen mit insgesamt 50'000 Beschäftigten. Hinzu kommen 144 Schulen mit 22'000 Schülern. Das sind 40 Prozent der mobilen Bevölkerung – der Turbo-Kanton hat das BAG-Ziel bereits erreicht.

Mit dem entsprechenden Effekt: Schweizweit steigen die Fallzahlen – in Graubünden stagnieren sie.

«Testen wirkt», sagt Martin Bühler (44), Leiter des Bündner Corona-Krisenstabs. Thomas Weber (59), Gesundheitsdirektor von Baselland, bekräftigt dies. Anfang Februar verabschiedete die Baselbieter Regierung ein Grobkonzept – zwei Monate später lassen sich 20 Prozent der mobilen Bevölkerung testen. «Entscheidend ist der politische Wille», sagt Weber. «Dann sind organisatorische und logistische Hürden relativ schnell gemeistert.»

Am anderen Ende der Skala stehen Appenzell Ausserrhoden, Genf, Jura, Neuenburg, Nidwalden, St. Gallen, Schaffhausen, Wallis und Waadt: Dort lässt überhaupt niemand testen – keine Gesundheitseinrichtung, keine Schule, kein einziger Betrieb. Ähnlich dürfte es in der italienischen Schweiz aussehen. Allerdings will das Tessin als einziger Kanton keine Angaben zur aktuellen Situation machen.

In kleinen Schritten

Die Nidwaldner Gesundheitsdirektorin Michèle Blöchliger (53) hingegen steht hin und stellt klar: «Für uns mussten zuerst die Rahmenbedingungen des Bundes erkennbar sein. Aber nächste Woche starten wir einen Pilotbetrieb in einer Schule, einer Firma und einem kantonalen Amt.» Ein kleiner Schritt.

Warum nicht gleich in die Vollen gehen? «Am Schreibtisch in Bern ist eine solche Offensive schnell beschlossen», sagt Blöchliger. «Aber wir in den Kantonen müssen es umsetzen – und das tun wir Schritt für Schritt.»

Auch in der Romandie wollte man lange nichts von Massentests wissen. Doch Rebecca Ruiz (39), Gesundheitsdirektorin des bevölkerungsstarken Kantons Waadt, wehrt sich jetzt gegen den Vorwurf der Trödelei. «Ich bin vom Nutzen der repetitiven Massentests im grossen Massstab überzeugt!», sagt sie zu SonntagsBlick. Der Kanton stehe kurz davor, mit grossflächigen Betriebstests zu starten: «Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Dispositiv, das den Unternehmen die Teilnahme so einfach wie möglich macht.»

Verantwortlich für diesen Stimmungsumschwung ist wohl eine Entscheidung auf der anderen Seite des Röstigrabens: Ab morgen Montag können sich sämtliche Schulen und Firmen im Grosskanton Zürich zum Testen anmelden. Offenbar hat sich Bildungsdirektorin Silvia Steiner (63) doch noch überzeugen lassen, dass Testen auch in Schulen möglich ist. Die Organisation übernimmt die Hirslanden-Gruppe.

Alle Schulen in Bern werden getestet

Das tut sie auch für Tests in den Schulen des Kantons Bern, die nächste Woche anlaufen. «Im März fand die Hälfte aller Ausbrüche in unserem Kanton an Schulen statt», sagt Raphael Ben Nescher (34), Chef des Berner Covid-Sonderstabs. «Deshalb setzen wir dort an.»

Von der ersten Primarklasse bis zum Gymnasium – Bern will sämtliche Schulen testen. Doch was ist mit den 70'000 Firmen im Kanton? «Wir fokussieren zunächst auf 30 Grossbetriebe», sagt Ben Nescher. Denn mit 150'000 Mitarbeitern decken diese Firmen den grössen Anteil an Beschäftigten ab. Zusammen mit den 160'000 Schülern erreicht der Kanton bereits 50 Prozent der mobilen Bevölkerung.

Dass Zürich und Bern jetzt durchstarten, hat Signalwirkung – auch in vielen Kantonen, die bis jetzt nur mässig Lust aufs Testen zeigten. Zum Beispiel in Luzern, wo gerade einmal drei Heime und 30 Betriebe dabei sind. Nun soll es losgehen, versichert Gesundheitsdirektor Guido Graf (62): «Wir führen aktuell ein Pilotprojekt in Firmen durch und starten nächste Woche mit den ersten Schulen. Dann weiten wir das repetitive Testen aus.»

Schon länger Gas gibt der Kanton Zug, wo sich bereits mehr als sechs Prozent der mobilen Bevölkerung testen lassen. In 34 Oberstufenschulen spucken 99 Prozent der Schüler jede Woche ins Röhrchen.

Testen, testen, testen

Nun sollen auch sämtliche Primarschulen ab der vierten Klasse mitmachen. Für Rudolf Hauri (61), Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, ist es verständlich, dass nicht alle Kantone gleich schnell reagieren. Er sagt aber auch: «Für uns ist klar, dass sich das Testen lohnt.»

Bloss: Irgendwann kommen die Impfungen ja doch! «Das ist nicht der Punkt», meint der baselstädtische Regierungsrat und GDK-Präsident Lukas Engelberger (45). «Auch wenn das Impfen grossflächig möglich ist, werden es längst nicht alle tun. Und es kann sein, dass die Impfung nicht bei allen gleich gut anschlägt.»

Deshalb, so Engelberger, «muss das Testen nachhaltig aufgebaut werden, weit über den Sommer hinaus.»

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