«Es gibt in jedem Verein schwarze Schafe»
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Trychler über Corona-Demos:«Es gibt in jedem Verein schwarze Schafe»

Traditionalisten distanzieren sich von Corona-Skeptikern
«Freiheitstrychler missbrauchen unser Brauchtum»

Mit Glocken gegen Bundesbern: Seit Wochen machen Freiheits- und Helvetia-Trychler bei Corona-Demos lautstark von sich reden. Für die traditionellen Trychler eher unverständlich: Sie wollen die Trennung des Brauchtums von der Politik und leiden unter den Skeptikern.
Publiziert: 18.11.2021 um 00:59 Uhr
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Aktualisiert: 18.11.2021 um 11:22 Uhr
Luisa Ita und Karin Frautschi

Sobald irgendwo Glockenklänge ertönen, ist für Herrn und Frau Schweizer in diesen Zeiten der Fall meistens klar: Die Freiheits- oder Helvetia-Trychler demonstrieren wohl einmal mehr gegen Corona-Massnahmen oder weibeln im Abstimmungskampf um das neue Covid-Gesetz lautstark für ein Nein an der Urne. Doch genau diese Verbindung zum Brauchtum wünschen sich die «echten» Trychler eigentlich nicht.

«Die Freiheits- und Helvetia-Trychler missbrauchen unser Brauchtum und schaden unserem Image», sagt Josef Winiger (59), OK-Präsident des Eidgenössischen Scheller- und Trychlertreffens 2020. Wegen der Demo-Trychler hätten manche Gruppen sogar bereits Absagen bekommen für Veranstaltungen, an denen sie ansonsten jedes Jahr aufgetreten seien. «Und ich spreche nicht von einer einzelnen Absage. Mehrere Vereine sind betroffen und sehr enttäuscht.»

Trychler an Veranstaltungen unerwünscht

Die Begründung der Veranstalter laut Winiger: Man habe Angst, dass die Besucher einen Auftritt von Trychlern politisch motiviert sehen und in den falschen Hals bekommen könnten. Sie wollen sich dadurch von dem aktuellen Geschehen distanzieren.

Der 59-Jährige sagt zu Blick: «Hoffentlich hat das bald ein Ende. Das Beste wäre wirklich, wenn sie einfach die Trychlen daheim lassen würden.» Was die Brauchtums-Trychler offenbar noch zusätzlich verärgert: «So wie ich gehört habe, sind das teilweise gar keine ‹richtigen› Trychler. Die haben sich jetzt einfach irgendwo Trychlen beschafft und marschieren dort mit.»

Ruedi Herger trychelt schon von Kindesbeinen an.
Foto: Luisa Ita
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Ruedi Herger (56) ist Präsident des Trychlerclubs Herger aus Seelisberg UR, und auch er meint: «Man sollte das Trycheln und die Politik trennen. Wenn jemand demonstrieren gehen will, darf er das natürlich, aber unser Brauchtum soll darunter nicht leiden müssen.»

Trychler aus Leidenschaft

Schon von Kindesbeinen an ist der Bauarbeiter und LKW-Chauffeur vernarrt in die urchige Tradition. «Gemeinsam mit meinen Schwestern und den Nachbarn habe ich mit dem Trycheln begonnen», erinnert er sich. «Am Chlaus-Trycheln haben wir schon früh mitgemacht.»

Die Glocken dafür habe er sich als Schulbub etwa bei Verwandten ausgeliehen. Später habe er sich dann dem Trychler-Verein in seinem Heimatdorf Seelisberg angeschlossen, bis im Jahr 2013 im Ausgang mit seinem Sohn die Idee entstanden sei, den Trychlerclub Herger zu gründen. Unterdessen zählt dieser 14 aktive Mitglieder.

240 Gruppen, aber kein Verband

Der Brauch des Trychelns ist besonders verbreitet im Wallis, in der Zentral-, Inner- und Ostschweiz sowie im Berner Oberland.

Wie viele Trychler es in der Schweiz gibt, ist laut dem OK-Präsidenten des Eidgenössischen Scheller- und Trychlertreffens 2020 schwierig zu sagen. Josef Winiger erklärt, es gebe keinen Dachverband, und manche Gruppen hätten sich auch nicht offiziell eintragen lassen. «Aber für das Treffen letztes Jahr haben wir insgesamt 240 Gruppen eingeladen. 160 davon haben sich angemeldet, das wären über 3000 Trychler gewesen. Das Fest konnte aber wegen Corona leider nicht stattfinden.» Das nächste grosse Fest soll es 2023 in Menzingen ZG geben.

Trychler ist ausserdem nicht gleich Trychler: Man unterscheide zwischen Jochtrychlern und den Trychlern mit lediglich einer Glocke. Erstere haben laut Winiger zwei Trycheln, die mit einem Holzpfahl – dem sogenannten Joch – über die Schulter getragen werden.

Während die meisten Trycheln aus Blech bestehen, gibt es gemäss dem OK-Präsidenten aber auch etwas kleinere Glocken, die aus Metall gegossen werden.

Der Brauch des Trychelns ist besonders verbreitet im Wallis, in der Zentral-, Inner- und Ostschweiz sowie im Berner Oberland.

Wie viele Trychler es in der Schweiz gibt, ist laut dem OK-Präsidenten des Eidgenössischen Scheller- und Trychlertreffens 2020 schwierig zu sagen. Josef Winiger erklärt, es gebe keinen Dachverband, und manche Gruppen hätten sich auch nicht offiziell eintragen lassen. «Aber für das Treffen letztes Jahr haben wir insgesamt 240 Gruppen eingeladen. 160 davon haben sich angemeldet, das wären über 3000 Trychler gewesen. Das Fest konnte aber wegen Corona leider nicht stattfinden.» Das nächste grosse Fest soll es 2023 in Menzingen ZG geben.

Trychler ist ausserdem nicht gleich Trychler: Man unterscheide zwischen Jochtrychlern und den Trychlern mit lediglich einer Glocke. Erstere haben laut Winiger zwei Trycheln, die mit einem Holzpfahl – dem sogenannten Joch – über die Schulter getragen werden.

Während die meisten Trycheln aus Blech bestehen, gibt es gemäss dem OK-Präsidenten aber auch etwas kleinere Glocken, die aus Metall gegossen werden.

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«Bleibt weiterhin friedlich!»

Und die Menschen sind es, die dieses Hobby für Herger so speziell machen: «Die Gemütlichkeit und Geselligkeit, die wir haben, gefällt mir wirklich sehr.» Doch auch der Klang der Glocken sei für ihn einzigartig: «Es bewegt mich, wenn ich das geschmückte Vieh bei einem Abzug sehe und mit den Trycheln mitlaufe.» Er sei selbst auch vier Jahre jeweils «z Alp» gewesen: «Da kommen Erinnerungen hoch.»

Herger hofft, dass die Vereine durch die Skeptiker-Gruppierungen keinen langfristigen Schaden nehmen. Er persönlich gebe den Freiheits- und Helvetia-Trychlern in manchen Belangen zwar recht, wolle jedoch auf gar keinen Fall, dass der Club darunter leide. Er bittet die Gruppierungen daher: «Bleibt weiterhin friedlich!»


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