Kommt ins Tessin – und kassiert eine Busse!
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Touristen nicht willkommen:Bussen-Zoff in Tessiner Bergdorf

In Mergoscia TI sind Deutschschweizer Touristen nicht willkommen
Kommt ins Tessin – und kassiert eine Busse!

Die Freude darüber, nach wochenlangem Lockdown wieder in der Sonnenstube zu sein, hält in Mergoscia TI nicht lange an. Die Gemeinde hat radikal die schon raren Parkplätze zusammengestrichen und lässt auch gleich Bussen verteilen.
Publiziert: 27.05.2020 um 22:31 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2020 um 07:19 Uhr
Myrte Müller

Wenn ihr das Tessin liebt, dann bleibt zu Hause. So lautete der Appell der Kantonsregierung noch im April. Zu gross war an Ostern die Corona-Gefahr (BLICK berichtete). Die Gäste blieben fern. Die Neuinfizierungen sanken. Nun will die Sonnenstube ihre Touristen zurück. Vor Auffahrt hiess es dann: Kommt ins Tessin, wenn ihr uns liebt.

Und die Deutschschweizer kamen. Vor allem die Rustico-Besitzer wollten in ihren Berghäusern nach dem Rechten sehen. Doch nicht jeder war willkommen, vor allem nicht, wenn er mit dem Auto anreiste. Statt Liebe gab es vielerorts Parkbussen. Corona hin, Corona her.

Vier Kirchen und kaum Parkplätze

So auch in Mergoscia TI. Der 200-Seelen-Ort auf 800 Metern Höhe mit Blick auf Stausee und Lago Maggiore zählt zu den Juwelen des Verzascatals. Vier alte Kirchen. Am Hang liegen Hunderte von Rustici. 80 Prozent sind Zweitwohnsitze. Nur an Parkplätzen und günstigen Busverbindungen mangelt es.

Auch an der Piazza vor der Pfarrkirche von Mergoscia wurden die Parkplätze von einst sieben auf zwei reduziert.
Foto: zVg/Myrte Müller
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Statt neue Parkplätze zu schaffen, streicht die Gemeinde im letzten Jahr fast jeden dritten im Dorfkern. Ein Grund: die vom Bund verschriebene neue Parkplatz-Grösse von mindestens 2,20 mal fünf Meter, geeignet für SUVs. Zudem seien viele der alten Stellflächen nicht vorschriftsmässig eingetragen, so Gemeindepräsidentin Giaele Ghisla (74).

An Auffahrt beginnt das Park-Drama

Um die verbliebenen Parkplätze ringen nun Anwohner, Ferienhausbesitzer und Tagestouristen. Schon bei der Ankunft beginnt das Drama. «Wir haben keinen freien Parkplatz gefunden», klagt ein Rustico-Besitzer aus dem Thurgau. Schliesslich parkiert der Primarlehrer wild, «ohne jemanden zu behindern», betont der Vater von drei Kindern (4, 6 und 7). Dennoch gibt es eine Busse von 40 Franken. Das habe es früher in Mergoscia nicht gegeben, so der Gast.

Auch die Familie von Christine Blum (57) aus Küsnacht ZH wird gebüsst. «Mein Vater ist 80, hat seit 40 Jahren das Rustico in Mergoscia. Er kann keine weiten Wege mehr gehen.» Sie erwägt nun, einen Anwalt einzuschalten. Skandalös findet Tagestouristin Jalla Cattaneo (43) aus Lugaggia TI die Parkplatznot, «gerade in Corona-Zeiten, wo die Schweizer nicht ins Ausland dürfen.» Mergoscia sei doch ein touristisches Ausflugsziel.

Neue Parkplatznot ist ein Affront

Gemeindepräsidentin Ghisla sieht das anders: «Die Touristen stellen ihre Autos zuweilen über Wochen ab, manche kommen mit mehr als einem Fahrzeug. Sie verschwenden unser Wasser und zahlen für ihre Berghäuser geringe Steuern.» Wenn die Leute keinen Parkplatz am Rustico fänden, dann müssten sie eben ihr Auto weiter entfernt abstellen oder gleich mit dem ÖV anreisen.» Sie jedenfalls wolle in Mergoscia für Ordnung sorgen.

«Wir brauchen Autos. Die Busverbindungen reichen nicht, schon gar nicht für Berufstätige», sagt Anwohner Heini Burgunder (80), «die Streichung von Parkplätzen ist ein Affront, und es ist kleinlich, die Gäste mit Bussen zu schikanieren.» Vor allem nach dem Lockdown.

Kein Geld für neue Parkplätze

Für Gemeinderat Lorenzo Cadra (49) ist die Situation unhaltbar, «wir brauchen dringend eine Lösung. Die Parkplätze hätte man nicht reduzieren dürfen». Auch Giordano Franscella (57) von der «Arbeitsgruppe öffentliche Parkplätze» sieht das so: «Wir hatten vorgeschlagen, alles beim Alten zu lassen und erst einmal zu schauen, wo neue Stellplätze gebaut werden können.» Neue Parkplätze? Das könne sich die Gemeinde gar nicht leisten, sagt die Gemeindepräsidentin und appelliert an die Privaten, ihre Grundstücke für Parkflächen zur Verfügung zu stellen.

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