Alessandro Cominelli (67) aus Corticiasca TI sucht händeringend einen Nachfolger
Er macht Jungbauern den Hof

Während in der Deutschschweiz die Nachfrage nach einem Hof viermal höher ist als das Angebot, suchen im Tessin Altbauern händeringend nach Nachfolgern für ihre Betriebe. Einer von ihnen ist Alessandro Cominelli (67) aus Corticiasca TI.
Publiziert: 07.10.2020 um 22:55 Uhr
Myrte Müller

Der Blick raubt einem den Atem. Das Panorama zieht sich von Cimadera TI im Valcolla im Osten über die Bergzacken (die sogenannten «Zähne der Alten») hin zum Luganersee und im Westen schliesslich bis zum Monte Lema. «Bei klarem Wetter kann man sogar den Lago Maggiore sehen und in der Ferne die Apenninen», sagt Alessandro Cominelli (67) nicht ohne Stolz. Eine schmale Strasse schlängelt sich durch die grüne Landschaft oberhalb von Corticiasca. Am Ende der Sackgasse thront das Paradies des Tessiner Bauern.

Das weite Hanggrundstück in Sonnenlage ist kein Bauland, sonst wäre Cominelli wohl längst ein reicher Mann. Die 50'000 Quadratmeter sind Weideland, weitere 10'000 Quadratmeter Wald. Sie gehören dem Schafzüchter ebenso wie ein stattlicher Hof und vier Rustici, auch diese in Traumlage. Am Fuss des grünen Geländes steht das längliche Hauptgebäude mit den Ställen sowie den Scheunen fürs Heu. Im ersten Stock lebt der Bauer. «Die Wohnung ist 185 Quadratmeter gross. Den Dachboden könnte man noch ausbauen.»

Ein schwerer Entschluss

«Wir haben hier 350 Muttertiere, nutzen die eigenen Weiden, aber auch zusätzlich gepachtetes Land. Der Betrieb läuft gut, obwohl die Arbeit in der Corona-Krise nicht leicht war», sagt Alessandro Cominelli. Auch wenn es ihm schwerfällt, Cominelli hat einen Entschluss gefasst: «Ich bin bald 68 Jahre alt, will in Rente gehen. Ich will meinen Hof verkaufen.»

Bauer Alessandro Cominelli zeigt stolz, was er im Laufe von 37 Jahren aufgebaut hat.
Foto: www.steineggerpix.com
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Ein Glück für die vielen Jungbauern, die jenseits des Gotthards einen Hof suchen. Das zumindest sollte man meinen. Jährlich schliessen rund 1000 junge Schweizer ihre Landwirtschaftslehre ab. Viele wollen sich selbständig machen, haben aber Mühe, einen Hof zu finden (BLICK berichtete). So sei in der Deutschschweiz die Nachfrage nach einem Bauernhof fast viermal höher als das Angebot, schätzt die Kleinbauern-Vereinigung.

Im Tessin sind Jungbauern Mangelware

Doch im Tessin ist es anders. Im Südkanton steht kein Neubauer Schlange. Auch Alessandro Cominelli sucht bereits seit einem Jahr nach einem ernsthaften Interessenten – vergebens.

«Vielen jungen Leute fehlen die Mittel, und es gibt zu wenig finanzielle Unterstützung», so der Schafbauer. Zudem sei die Landwirtschaft in den Bergen viel anstrengender als im Flachland. Und natürlich habe der Hof seinen Preis. Rund eine Million Franken will der Landwirt haben. «Damit mache ich nicht mal grossen Gewinn», so Cominelli.

Viel Geld in Betrieb gesteckt

Alles begann vor 37 Jahren. «Meine Frau und ich erwarben das Land. Erst bauten wir die Ställe, dann die Wohnung. Wir steckten viel Fleiss und Kraft, aber auch viel Geld in den Betrieb», erinnert sich der gebürtige Italiener. Ihre zwei Kinder werden den Hof nicht übernehmen. «Auch wenn ich Helfer habe, die meiste Arbeit mache ich doch selbst», sagt Bauer Cominelli. Das falle ihm zunehmend schwer. Und so will er den Hof verkaufen. «Mein Herz hängt an unserem Lebenswerk», sagt der Schafzüchter. «Daher wünsche ich mir, dass ein tatkräftiger Jungbauer das hier alles in die Hand nimmt.»


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