Stephan L. (20) tötete seinen Vater – Freunde kämpfen für ihn
«Es war kein Mord, es war Verzweiflung»

Der Staatsanwalt nannte die Tat eine «eigentliche Hinrichtung». Freunde von Stephan L., der seinen Vater mit einem Kopfschuss tötete, sehen darin jedoch eine Verzweiflungstat.
Publiziert: 29.03.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:55 Uhr
Viktor Dammann

Mit einem Kopfschuss löschte Stephan L.* (20) im März 2015 das Leben seines Vaters (†67) aus. Für den Staatsanwalt war es eine «eigentliche Hinrichtung». Er beantragt 14 Jahre Zuchthaus wegen Mordes. Stephans Freunde sehen darin jedoch eine Verzweiflungstat. Sie haben für den Täter auf eigene Kosten Rechtsanwalt Valentin Landmann engagiert.

«Pure Verzweiflung»

«Stephan litt jahrelang unter seinem Vater», sagen Esther und Heinz Meier**. Immer wieder sei er von ihm erniedrigt und als Weichei bezeichnet worden. «Dass es jedoch so schlimm war, haben wir leider nicht realisiert, sonst hätten wir ihn bei uns aufgenommen.» Natürlich sei es unentschuldbar, sagt die Familie aus dem Zürcher Oberland, aber sie ist sicher: «Stefan hat die Tat aus purer Verzweiflung begangen.» Als Schüler ging er bei Meiers ein und aus: «Er besuchte mit unserem Sohn die Kunst- und Sportschule, war aufgeschlossen und hilfsbereit, ein richtiger Sonnenschein.»

Zwei Tage nach Stephan L.s 13. Geburtstag starb die Mutter, eine gebürtige Russin, an den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs. «Danach zog sich Stephan komplett zurück», sagt Esther Meier. Sie nahm mit dem Vater, einem ehemaligen NZZ-Journalisten, Kontakt auf. Ziel: psychologische Hilfe für den Sohn. «Aber er schrie mich regelrecht aus dem Haus.»

Stephan L. (20) tötete seinen Vater – Freunde kämpfen für ihn.
Foto: BLICK
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Schulpsychologisches Gutachten

Das problematische Verhältnis zum Vater sei augenfällig gewesen. «Sobald er anrief oder ein SMS schickte, war Stephan im Stress», sagt Meiers Tochter Sybille. Meiers wissen auch von einem schulpsychologischen Gutachten, das empfahl, Stephan aus der Familie zu nehmen. Passiert ist nichts.

Das letzte Mal besuchte Stephan Meiers an Weihnachten 2014: «Er sagte, nach der Lehrabschlussprüfung könne er endlich eigenes Geld verdienen und eine Wohnung nehmen», meint Heinz Meier nachdenklich. «Von seinen grossen Problemen mit dem Vater erwähnte er nichts.»

Zwanzig Mal schon besuchten sie Stephan L. im Gefängnis. Esther Meier: «Er soll wissen, dass das Leben trotzdem weitergeht. Natürlich wollen wir ihm auch nach der Entlassung beistehen.»

Rechtsanwalt Valentin Landmann will das Gericht überzeugen, dass Stephan L. kein heimtückischer Mörder ist. «Der Bursche geriet durch die ständigen Herabsetzungen in eine fatale Spirale. Die letzte Kränkung brachte das Fass zum Überlaufen.» Dass Stephan den Vater von hinten erschoss, könne man bei ihm nicht als Heimtücke werten. «Wäre es denn besser gewesen, wenn er ihn von vorn getötet hätte?», fragt Landmann. Er will auf vorsätzliche Tötung und für eine Strafe unter zehn Jahren plädieren. Der Gerichtspsychiater billigt Stephan L. eine leichte Verminderung der Schuldfähigkeit zu.

«Die Verunglimpfungen des Vaters, besonders gegen die verstorbene Mutter, haben Stephan massiv zugesetzt», sagt Familie Meier. Das Bezirksgericht Pfäffikon ZH hat noch kein Datum für den Prozess festgesetzt. Lesen sie morgen: Die Einvernahme.

*Name bekannt
** Namen geändert

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