Standortsuche für ein Atom-Endlager
«Nördlich Lägern» soll im Spiel bleiben

Der Ausschuss der Kantone (AdK) will, dass Nördlich Lägern im Zürcher Unterland und Zurzibiet als möglicher Standort weiterverfolgt wird. Die Nagra wollte diese Region zuvor aus dem Rennen nehmen.
Publiziert: 08.02.2016 um 16:26 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:58 Uhr

Die Nationale Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hatte das Gebiet «Nördlich Lägern» im Januar 2015 aus dem Rennen genommen. Sie entschied, dass sich entweder Jura Ost oder Zürich Nordost (Weinland) am besten für die Lagerung von Atomabfällen eignen. Nur noch diese beiden Gebiete sollten in der dritten Etappe des Auswahlverfahrens vertieft untersucht werden.

Aus dem Rennen nahm die Nagra damals die Standorte Jura Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägern (ZH/AG), Südranden (SH) und Wellenberg (NW/OW).

Die Nagra favorisierte die Gebiete Jura Ost und Zürich Nordost und wollte nur diese beiden in die nächste Etappe schicken. Das sieht nun der Ausschuss der Kantone anders und will Nördlich Lägern bei der nächsten Runde mit dabei haben.
Foto: Nagra

Die Experten des Kantonsausschusses haben für das Ausscheiden von Nördlich Lägern allerdings wenig Verständnis. Die Gründe für das Ausscheiden von Nördlich Lägern «vermögen einer kritischen Überprüfung nicht standzuhalten», teilte der AdK am Montag mit.

Die Region wehrt sich gegen ein Tiefenlager. Ganz nach dem Prinzip «nicht vor unserer Haustür».
Foto: Keystone

Die beiden Favoriten sind weniger sicher als angenommen

Die Modellvorstellungen seien unzutreffend, die Datenlage unsicher. Ein tiefer gelegenes Lager sei möglich. Zudem könne auch bedeutend mehr Platz zur Verfügung stehen, als die Nagra erwarte.

Gleichzeitig hätten Zürich Nordost und Jura Ost grössere Schwächen als von der Nagra angenommen. Sie seien der Erosion durch Gletscher und Durchbruchsrinnen stärker ausgesetzt als Nördlich Lägern. «Es müssen zwingend alle drei weiter untersucht werden», schreiben die Fachleute. Nur so sei gewährleistet, dass der sicherste Standort übrig bleibe.

In solchen Stollen sollen die ausgedienten Brennstäbe aus der Atomstrom-Produktion tief unter der Erde versenkt werden.
Foto: Nagra

Definitiv aus dem Rennen seien jedoch der Jura Südfuss, Südranden und der Wellenberg – darin sind sich alle einig.

Lieber bei jemand anderem vor der Haustür

Keine Freude daran hat die Regionalkonferenz Nördlich Lägern, die ein Atomendlager in ihrem Gebiet natürlich skeptisch sieht. «Bis jetzt jedoch stellt sich die Regionalkonferenz Nördlich Lägern auf den Standpunkt, dass sie wegen der Tiefenlage weniger geeignet ist als andere Standorte. Dies hält sie ebenfalls in ihrem vorläufigen Schlussbericht fest», schreiben sie in einer Medienmitteilung.

Präsident Hanspeter Lienhard hält fest, dass für die Regionalkonferenz klar sei, «dass die Sicherheit im Auswahlverfahren im Vordergrund stehen muss.»

«Wir hoffen, dass wir nun nicht in einen Streit der Experten hineingezogen werden», sagt er weiter. Es dürfe auf keinen Fall der Verdacht aufkommen, dass bei der Beurteilung der Standortregionen politische Überlegungen eine Rolle spielten.

An der Oberfläche wird dereinst eine Verladestation entstehen, doch das eigentliche Lager befindet sich tief unten im Gestein in zahlreichen Stollen (1).
Foto: Nagra

Bundesrat entscheidet über weitere Schritte

Der Fachbericht der Kantons-Experten wird nun dem Bundesamt für Energie zugestellt. Ob Nördlich Lägern wieder in die engere Auswahl aufgenommen wird, ist noch unklar. Der Bundesrat will bis Ende 2018 über die Standortvorschläge entscheiden, doch für Nördlich Lägern zeichnet sich immer mehr ab, dass die Region in der Etappe 3 weiter untersucht werden soll.

Die Oberflächenanlage wird dereinst wohl eher unspektakulär aussehen.
Foto: Nagra

Eine weitere Etappe auf der Suche nach dem Endlager wird am Montag im Zürcherischen Weinland (Standort Nordost) in Angriff genommen: Im Auftrag der Nagra werden dort ergänzende seismische Messungen durchgeführt. Auf einer Fläche von 20 Quadratkilometern werden die Gesteinsschichten in der Tiefe untersucht.

Nagra muss mehr Daten liefern

Vibrationsfahrzeuge schicken Schwingungen in den Untergrund, wo sie von den verschiedenen Gesteinsschichten reflektiert werden. Innerhalb weniger Sekunden erreichen die Schwingungen als «Echos» wieder die Erdoberfläche und werden aufgezeichnet. So entsteht ein dreidimensionales Bild des Untergrundes.

Mit solchen Fahrzeugen werden die seismischen Messungen durchgeführt.
Foto: Nagra

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) hatte im September 2015 bemängelt, dass die Nagra «ungenügende und nicht nachvollziehbare Daten» zur maximalen Tiefenlage der Standortgebiete geliefert hatte. Die Nagra muss die Daten nun nachliefern. (SDA/ct)

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