Sogar Menschen ohne Symptome
Darum kann jeder ein Corona-Superspreader sein

Superspreader sind die Treiber der Corona-Pandemie. Und gerade in geschlossenen Räumen sind sie am gefährlichsten.
Publiziert: 29.06.2020 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 30.06.2020 um 07:20 Uhr
Tobias Stepinski

Am 21. Juni war es soweit: Ein einziger Partygast im Zürcher Club Flamingo steckt fünf weitere Gäste an und sorgt dafür, dass rund 300 Personen sich aktuell in Quarantäne befinden – die Schweiz hat ihr erstes Superspreading-Event.

Auch in anderen Länder kam es bereits zu massiven Ausbrüchen wegen einem Superspreader: Ein 29-jähriger Südkoreaner besuchte anfangs Mai mehrere Clubs in Seoul und steckte über 50 Personen an — seither sind die Clubs im ganzen Land wieder geschlossen.

Doch nicht nur Clubs sind davon betroffen, sondern auch Feiern in der Kirche. Nach einem Gottesdienst in einer Kirchgemeinde der Baptisten in Frankfurt (D) haben sich mehr als 40 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Diese Beispiele zeigen, wie schnell die Zahl der Neuinfzierten in die Höhe schnellen kann.

Vor allem Partys in geschlossenen Räumen sorgen für Superspreading-Events.
Foto: Getty Images
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K-Wert ist deutlich wichtiger als R0-Wert bei Corona-Pandemie

Eine Masseninfektion ausgelöst durch eine einzige hochinfektiöse Person, hört sich zuerst dramatisch an. Doch so paradox das auch klingt, für die Seuchenbekämpfung ist das eine gute Nachricht. Denn das Virus kann einfacher unter Kontrolle gebracht werden, da klar ist, wo sich die Menschen angesteckt haben.

Dadurch rückt die viel zitierte Basisreproduktionszahl R0, welche angibt, wie viele Menschen von einer infektiösen Person durchschnittlich angesteckt werden, in den Hintergrund. Denn nicht alle Infizierten verteilen das Virus gleichermassen.

Viel aussagekräftiger bei der Corona-Pandemie scheint der sogenannte Dispersionsfaktor k. Dieser beschreibt, wie häufig eine Krankheit auftritt und inwiefern sie zur Clusterbildung neigt. Grundsätzlich gilt: Je kleiner k ist, desto mehr Infektionen lassen sich auf eine oder wenige Personen zurückführen.

Laut dem renommierten britischen Wissenschaftler Adam Kucharski liegt der k-Wert von Corona bei nur 0,16. Sprich: Rund 10 Prozent der mit Corona-Infizierten würden über 80 Prozent der Neuinfektionen verursachen. Zum Vergleich: Bei der saisonalen Grippe liegt der k-Wert bei rund 1.

Durch eigenes Sozialverhalten kann man zum Superspreader werden

Doch wer ist nun ein Superspreader? Darüber rätselt die Wissenschaft noch. Es könnte sein, dass diese Personen im Rachenraum sehr viele Viren aufweisen. Oder sie sind durch ihre Sprechweise besonders effiziente Verteiler. Aber Stand jetzt, scheint jeder Infizierte ein potenzieller Superspreader zu sein. Interessant dabei: Auch Leute, die keine oder nur wenige Symptome haben, können das Virus übertragen.

Deshalb spielen andere Faktoren eine wichtigere Rolle: So zum Beispiel das eigene Sozialverhalten. Menschen, die an Veranstaltungen gehen und sich unter Massen aufhalten, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Coronavirus anzustecken und es anschliessend an andere weiterzugeben.

Virusübertragung 19-mal höher in geschlossenen Räumen

Zudem kommt es vor allem auch auf den Veranstaltungsort drauf an. Eine japanische Studie hat errechnet, dass eine Virenübertragung in geschlossenen Räumen fast 19-mal höher ist als im Freien. Wenn in einem Gottesdienst gesungen wird, man in einer Bar oder Club sehr laut sprechen muss, dann begünstigt dies mögliches Superspreading durch die Tröpfchen, die dabei ausgestossen werden und im geschlossenen Raum zirkulieren.

Zwar waren die allermeisten Superspreading-Events im Inneren, aber dass es auch draussen zu einem Superspreading-Event kommen kann, ist nicht ausgeschlossen.

Um eine zweite Corona-Welle zu verhindern, sind also solche Superspreading-Events zu erkennen, schnell die Infizierten zu isolieren und Quarantäne anzuordnen. Dies hat im Falle Club-Flamingo ziemlich schlecht funktioniert, wie Regierungsrätin Natalie Rickli an der Pressekonferenz am Sonntag mitteilte.

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