«Man kann sein Kind nicht hungern lassen»
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Wenn stillende Mütter begafft werden:«Man kann sein Kind nicht hungern lassen»

«So peinlich, dass ich manchmal schöppele»
Junge Mutter schämt sich, öffentlich zu stillen

In der Zara-Filiale wurde eine stillende Mutter des Ladens verwiesen. Auf Nachfrage bei anderen Schweizer Müttern wird klar: Manche scheuen die kritischen Blicke, wenn sie ihr Baby per Brust füttern möchten. So zum Beispiel Lorena M.* (24).
Publiziert: 06.11.2018 um 18:54 Uhr
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Aktualisiert: 17.11.2018 um 23:15 Uhr
Céline Trachsel

Drei Mütter sitzen am Boden, ihre Kinder krabbeln zwischen ihnen herum. Eines der Babys schläft bei Mami im Tragetuch: So startete am Montagmorgen in Frauenfeld das Stilltreffen von La Leche League. Allerdings war der BLICK beim Überraschungsbesuch nicht willkommen. «Wir wollen den Müttern hier einen geschützten Rahmen bieten», so die Begründung.

Foto: Siggi Bucher
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Dafür erklärt sich Lorena M.* (24) bereit, mit BLICK über ihre Erfahrungen zu sprechen. Sie kam mit Amilia (4 Monate) von Kreuzlingen TG ans Stilltreffen, um sich mit anderen Müttern auszutauschen. «Ich wollte fragen, wie sie das machen beim Stillen in Restaurants oder so. Vor allem, wie sie es abdecken.»

Denn: Sie schäme sich oft, in der Öffentlichkeit ihr Baby per Brust zu füttern. «Ich lege zwar ein Tuch darüber, aber wenn man das Baby andockt, dann sieht man einen kurzen Augenblick halt schon was.» Sie habe schon oft erlebt, dass Passanten oder Café-Gäste kritisch geschaut haben – vor allem Frauen. «Aber auch ein Mann starrte mal lange. Das war genauso unangenehm.»

Manchmal muss der Schoppen her

Wenn immer möglich sucht sie deshalb einen einsamen Ort auf. «Ich habe Amilia schon im Auto die Brust gegeben, in Toiletten oder in Stillräumen. Wenn es mir zu peinlich ist, gebe ich auch manchmal die Flasche. Aber eigentlich ist das schlimm, dass man sich verstecken muss – es wäre etwas so Natürliches.»

Sie sei nicht besonders schlagfertig und fürchte sich vor negativen Reaktionen. Lorena M.: «Eigentlich ginge es ja ums Baby und um seine Bedürfnisse. Trotzdem: Man kommt sich halt einfach blöd vor – als ob man etwas Verbotenes tun würde.» Im Einkaufszentrum habe sie auch schon andere Mütter beobachtet, die auf einem Bänkli gestillt hätten. «Ich dachte, dass ich auch so mutig sein müsste wie die.»

Mütter sind verunsichert

Annette Saloma (38), Medienverantwortliche der La Leche League Schweiz, findet es ebenfalls fragwürdig, wie vereinzelte Leute auf Still-Mamis reagieren. Der schlimmste Fall, der ihr je zugetragen wurde, war eine Frau, die eine stillende Mutter anpöbelte, sie solle aufhören, ihren Mann anzumachen. 

Traurig findet Saloma auch, dass manche das öffentliche Stillen mit Wildpinkeln und Outdoor-Sex vergleichen. «Dabei geht es beim Stillen ums Essen und Trinken, und das ist nichts Anstössiges! In anderen Kulturen ist Stillen inmitten von Gesellschaft ganz normal.»

Stillen gehört wieder mehr zum Alltagsbild

Allerdings glaubt sie, dass Frauen, die sich in der Öffentlichkeit kaum getrauen, ihr Baby zu stillen, eher in der Minderheit seien. «Dazu gibts zwar keine Statistik, aber in den letzten Jahren hat sich einiges getan.» Denn Stillen gelte heute als viel normaler als während des Pulvermilch-Booms. «Bei der Generation meiner Mutter hat kaum jemand öffentlich gestillt. Heute gehören stillende Mamis wieder mehr zum Alltagsbild.»

Wen es stört, der soll wegschauen, empfiehlt Annette Saloma. Und sie fügt an: «Wenn jemand ein Problem mit einer stillenden Mutter hat, sagt das mehr über diese Person aus als über die Mutter.»

* Name der Redaktion bekannt

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