Skandal bei Brauerei Schützengarten
Vorgesetzter onanierte vor Sekretärin – er durfte bleiben, sie wurde versetzt

Eine Sekretärin prangert an, dass ihr Chef am Arbeitsplatz regelmässig Pornos konsumiert. Und muss ihre Stelle in einem Schützengarten-Betrieb kurz darauf räumen. Dies obwohl der Kadermitarbeiter die Verfehlungen zugibt.
Publiziert: 12.10.2022 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2022 um 18:36 Uhr
Michael Sahli

Jahrelang hat Gisela F.* (59) das sexuelle Fehlverhalten ihres Chefs still ertragen. Sie schwieg – aus Angst um ihren Job, den sie fast acht Jahre hatte. Eine berechtigte Angst, wie sich später zeigen sollte. Nachdem die kaufmännische Mitarbeiterin, angestellt bei einem Schützengarten-Betrieb, das Verhalten des Kaders angesprochen hatte, musste nicht der fehlbare Chef seinen Arbeitsplatz räumen, sondern die Mitarbeiterin!

Das Verhalten des Vorgesetzten ist in Dokumenten, die Blick vorliegen, festgehalten. Erstellt wurden sie teilweise von der Personalabteilung, teilweise von der betroffenen Mitarbeiterin selber. Im Dossier ist auch ersichtlich: Der beschuldigte Vorgesetzte gibt schriftlich alles zu, sogar mit Unterschrift: «Die in den Anhängen 1 und 2 erhobenen Vorwürfe treffen zu. Ich entschuldige mich in aller Form», steht da. Die Mitarbeiterin habe die Vorwürfe sogar «eingegrenzt», um ihn zu entlasten, schreibt er.

Pornos im Chef-Büro

Die erwähnten Anhänge sind deutlich. Kurz nach Stellenantritt vor gut acht Jahren sieht die Mitarbeiterin ihren Chef zum ersten Mal beim Konsum von Pornos in seinem Büro. «Als ich ihm etwas mitteilen wollte, wurde ich genötigt, zwischen zwei nackte Frauenbeine zu schauen, die in einem Porno zu sehen waren. Es kam mir so vor, als ob er sich nicht einmal schämte», sagt sie.

In einem Schützengarten-Betrieb musste eine Sekretärin gehen, nachdem sie sich über den regelmässigen Pornokonsum bei der Arbeit ihres Chefs beklagt hatte. Die Brauerei argumentierte: Die Kündigung sei wegen schlechter Leistungen erfolgt.
Foto: Brauerei Schützengarten
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In den folgenden Jahren habe sie ihn in seinem Büro «x Mal mit der Hand zwischen seinen Beinen» angetroffen. Nie habe sie gewusst, was sie im Büro des Chefs erwartet, das sich direkt neben ihrem befand. Und: «Ich musste das Gestöhne bis in mein Büro mitanhören.» Auch die Vorgängerin von Gisela F. habe ähnliche Erfahrungen machen müssen, heisst es im Dossier weiter.

Gegenüber Blick sagt Gisela F.: «Ich denke, er hat es absichtlich so gemacht, dass ich es mitbekomme.» Sie habe zwar versucht, verfängliche Situationen zu vermeiden, das sei aber im Alltag oft unmöglich gewesen. F. sagt weiter: «Ich liebte meinen Job. Und gehe auf die 60 zu, da muss man sich eine Kündigung gut überlegen.» Das alles habe sie über lange Zeit enorm belastet.

Schützengarten-Chefs belassen es bei Verwarnung

2021 kommt es schliesslich zur Eskalation. Laut Gisela F. habe sie das Fehlverhalten direkt bei ihrem Chef angesprochen. «Danach begann er, mich ständig zu kritisieren. Es war für mich klar, dass es dabei nicht um meine Leistungen ging.» Bald schon folgt die Kündigung. Die Begründung des Chefs: mangelhafte Leistungen. Dann nimmt sich Gisela F. einen Anwalt. Und so landet der Fall in der obersten Chefetage der Brauerei Schützengarten AG.

Die Reaktion der Chefetage: Zwar seien die Verstösse «offenkundig gravierend», heisst es in einem Schreiben der Geschäftsleitung an den Anwalt von Gisela F. Trotzdem wolle man es bei einer Verwarnung für ihren Vorgesetzten belassen. «Ihre Klientin hat erst nach Jahren eine Beschwerde vorgetragen und arbeitet auch heute noch jeden Tag mit ihm zusammen.» Unterzeichnet ist das Dokument unter anderem von Schützengarten-Verkaufsdirektor Kurt Moor und dem Geschäftsleitungsvorsitzenden Reto Preisig.

Die Kündigung von Gisela F. sei «leistungs- und verhaltensbasiert» erfolgt, dabei bleiben die Schützengarten-Chefs im Schreiben. Auf Anfrage von Blick schreibt Schützengarten-Verkaufsdirektor Moor jetzt: «Die Mitarbeiterin erhob erst zwei Wochen nach der Kündigung beim Personaldienst den hier fraglichen Missverhaltensvorwurf und verlangte zugleich den Rückzug der Kündigung.»

Die Entlassung der Mitarbeiterin wurde trotz allem zurückgezogen. Um beide, Sekretärin und Chef, wieder an ihre Arbeitsplätze zu schicken. Fazit: «Wir sind der optimistischen Auffassung, dass mit der jüngsten Eskalation beide Beteiligten an ihre Pflichten erinnert und aufgerüttelt worden sind.» Gisela F. hoffte, dass der Albtraum damit endlich ein Ende hat.

Sekretärin muss ihren Platz räumen

Der Optimismus wird enttäuscht. Zwar hören die Porno-Zwischenfälle auf. Aber das Verhältnis zwischen dem Vorgesetzten und der kaufmännischen Mitarbeiterin ist zerrüttet. Nach wenigen Monaten wird klar: Diese Zusammenarbeit kann nicht mehr funktionieren.

Gisela F. muss ihren Arbeitsplatz verlassen. Die 59-Jährige wird innerhalb von Schützengarten umplatziert. Die Büromitarbeiterin landet als Verkäuferin in einem Getränkemarkt. Ein Job, den sie nicht gelernt hat. Gisela F.: «Ich fühlte mich gemobbt, auch von der Schützengarten-Personalabteilung, die pingelig immer wieder Fehler suchte.»

Fest steht: Innert kurzer Zeit werden über die langjährige Angestellte diverse Akten angelegt, wo angebliche Verfehlungen dokumentiert sind: fehlende Masken, falsch getippte Gutscheine etc. An einem Ort wird kritisiert, sie konzentriere sich zu wenig auf den neuen Job.

Porno-Vorfälle werden zu Geschäftsgeheimnis

Lange hält Gisela F. dem Druck nicht stand und wird krankgeschrieben. Schliesslich wird das Arbeitsverhältnis per Sommer 2022 aufgelöst, in gegenseitigem Einvernehmen, wie es heisst. Die Ostschweizerin sagt dazu: «Ich war krank und konnte irgendwann nicht mehr. Ich habe einfach unterschrieben.»

Der Deal: Sie bekommt eine Genugtuung von 8000 Franken von Schützengarten plus einen Monatslohn. Die Vorgänge im Chefbüro werden zum «Geschäftsgeheimnis» erklärt, wie es in der Vereinbarung heisst. Sollte sie je darüber sprechen, muss sie 5000 Franken an Schützengarten zahlen.

Dieses Risiko nimmt Gisela F. in Kauf. Und wendet sich an Blick. Denn sie findet keinen Frieden mit der Situation. «Ich musste das jahrelang ertragen und bin die Einzige, die Konsequenzen tragen muss. Auch finanziell.» Zwar fand sie trotz fortgeschrittenen Alters eine andere Sekretärinnen-Stelle, aber nur Teilzeit. Und sie vermisst noch immer ihren alten Job. «Ich würde am liebsten zurück – einfach ohne den Chef und seine Pornos.»

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«Keine Entlassung verlangt»

Verkaufsdirektor Moor schreibt auf Anfrage: Man habe auf die «Missverhaltensbeschwerde der Mitarbeiterin umgehend reagiert und eine interne Untersuchung geführt». Und: «Weder die Mitarbeiterin noch deren Anwalt haben die Entlassung des Kadermitarbeiters verlangt.» Die entlassene Sekretärin sei mit jedem vereinbarten Schritt einverstanden gewesen. Sie habe am Ende des Anstellungsverhältnisses selber eine neue Stelle angenommen, noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Eine Darstellung, die die Sekretärin bestreitet.

Zu den Vergehen des Kaders könne man sich wegen der «Fürsorgepflicht» nicht äussern, sagt Moor. Und weiter: «Unser Stillschweigen zu seiner Person dürfen Sie nicht als Anerkennung eines wie auch immer gearteten Sachverhalts werten.»

* Name geändert

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