Schweizer Forscher alarmiert
Illegaler Handel mit giftigen Chemikalien verbreitet

Der illegale Handel mit hochgiftigen Chemikalien ist verbreitet. Das zeigt eine Untersuchung von Forschenden aus der Schweiz und aus China. Sie haben den internationalen Handel mit Chemikalien untersucht, die dem Übereinkommen von Rotterdam unterliegen.
Publiziert: 11.07.2023 um 10:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2023 um 08:03 Uhr

Fast die Hälfte des gesamten gehandelten Volumens überquere Landesgrenzen illegal, schrieb die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) am Dienstag. Die Studie ist im Fachblatt «Nature Sustainability» veröffentlicht worden.

«Dieser weit verbreitete illegale Handel ist höchst besorgniserregend», liess sich Empa-Forscher Zhanyun Wang zitieren - er hat die Studie initiiert. Illegaler Handel untergrabe die weltweiten Bemühungen für den Schutz vor gefährlichen Chemikalien.

Unter das Rotterdamer Übereinkommen fallen derzeit 54 Chemikalien und Chemikalien-Gruppen, die Mensch und Umwelt schädigen können. Zum Beispiel sind es Quecksilberverbindungen, Pestizide und fünf von sechs Asbest-Arten. Die Forschenden analysierten für 46 dieser Chemikalien öffentliche Daten aus der Comtrade-Datenbank der Uno.

Handel nur wenn Zustimmung


Die gelisteten Substanzen dürfen international nur gehandelt werden, wenn das Einfuhrland dem Import ausdrücklich zugestimmt hat. Von 2004 bis 2019 wurden nach Empa-Angaben 64,5 Millionen Tonnen dieser Stoffe gehandelt. 27,5 Millionen Tonnen gingen allerdings in Länder, die den Import ausdrücklich abgelehnt hatten.

Der Grossteil der insgesamt gehandelten Menge - 55,3 Millionen Tonnen - entfiel auf Ethylendichlord. Dieses krebserregende und organschädigende Lösungsmittel ist für die Herstellung von Polyvinylchlorid (PVC) nötig. 6,3 Millionen Tonnen entfielen auf das toxische Reagenz, Desinfektionsmittel und Pestizid Ethylendioxid.

Die übrigen Chemikalien - meist Pestizide - machten einen verhältnismässig kleinen Teil aus. Die gehandelten Mengen seien aber immer noch beachtlich, sagte Wang. Seit dem Inkrafttreten des Rotterdamer Übereinkommens im Jahr 2004 habe zudem die Handelsmenge mit hochgiftigen Chemikalien kaum abgenommen.

Die Bestimmung, wonach eine Einfuhr nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt ist, wird weltweit nicht eingehalten, namentlich in West-, Zentral- und Südeuropa sowie in Süd- und Südostasien. In diesen Regionen gibt es auch die meisten illegalen Importe, ebenso wie im Mittleren Osten, in Nordafrika und in Lateinamerika.

Die Forscher fanden laut Mitteilung «überraschenderweise» heraus, dass auch Stoffe gehandelt werden, die eigentlich nur eingeschränkt oder gar nicht mehr verwendet werden dürften. Genannt werden etwa die Pestizide Aldrin, Chlordan, Heptachlor und Dieldrin.

Schmuggel und Schwarzmarkthandel ausgeklammert

Laut Wang und seinen Co-Autoren ist die Studie eine eher konservative Einschätzung des Geschehens - Schmuggel und Schwarzmarkthandel blieben ausgeklammert.

Zudem führten die USA rund vier Millionen Tonnen Chemikalien an Länder aus, die dies ablehnten. Illegal sei das nicht unbedingt, schrieb die Empa. Denn die USA hätten das Rotterdamer Übereinkommen nicht ratifiziert. Deshalb seien für sie die Regeln anders. Bisher haben 165 Länder das Abkommen ratifiziert.

Die Forschenden verwendeten öffentliche Daten, was die Frage aufwirft, weshalb gegen den illegalen Handel nicht mehr unternommen wird. «In vielen Ländern ist das Umweltministerium für die Umsetzung des Rotterdamer Übereinkommens verantwortlich», sagte Wang dazu. Überwacht werde der Handel aber von der Zollbehörde. Gerade Entwicklungsländer hätten zudem nicht genügend Ressourcen für Kontrollen.

Auch Pestizide gehören zu den hochgiftigen Chemikalien, die nach Angaben von Forschenden ohne Bewilligung international gehandelt worden sind. (Archivbild)
Foto: CHRISTIAN BEUTLER
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Die Forscher empfehlen, die Massnahmen im Handel mit gefährlichen Chemikalien zu verstärken. Und es sollten weitere problematische Substanzen dem Rotterdamer Übereinkommen unterstellt werden, finden sie. Sie raten dies zum Beispiel für Chrysotilasbest an, die häufigste und bisher vom Abkommen nicht erfasste Art von Asbest.

(SDA)

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