Schiessereien in Rehetobel AR, Malters LU und Altstätten SG
Warum ist der Hanf-Handel so brutal?

Die Hanf-Razzia in Rehetobel AR ist nicht die erste, die blutig endete. Experten warnen: Die immer professionelleren Hanfbauern greifen gern zur Waffe, wenn jemand an ihr Gras will.
Publiziert: 06.01.2017 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:50 Uhr
Petar Marjanovic und Lea Hartmann

Noch immer kämpft der Appenzeller Polizist (29) um sein Leben. Am Dienstag wurden sein Kollege (37) und er von Roger S.* (†33) bei einer Hanf-Razzia, die eskalierte, niedergeschossen. Die beiden Beamten durchsuchten ein Gebäude, weil sie dort eine Indooranlage vermuteten. Besitzer Roger S. zeigte sich zunächst kooperativ. Dann drehte er durch, griff zur Waffe und drückte ab.

Es ist nicht das erste Mal, dass es rund um Hanfplantagen zu Gewalt kommt. So wurde 2010 ein Mann (†32) in Schwarzenburg BE getötet, weil er auf dem Bauernhof von Alfred E.* Hanf stehlen wollte. 2015 kam es auch im Rheintal bei Altstätten SG zu einem schweren Überfall. Auch hier fielen Schüsse. Als die Polizei eintrifft, findet sie zwei schwer verletzte Männer (36 und 44) – und in der Industriehalle eine riesige Indooranlage.

Überfall in Altstätten: Bei einem Überfall auf diese Plantage im Rheintal wurden zwei Männer durch Schüsse schwer verletzt.
Foto: KEYSTONE/KANTONSPOLIZEI SG

Der bekannteste Fall ereignete sich in Malters LU. Ursula R.* (†65) verbarrikadierte sich über 19 Stunden lang im Haus, weil die Polizei eine Razzia durchführen wollte. Der Sohn hatte bei seiner Mutter zwei grosse Indoorhanfplantagen installiert. Nach einem missglückten Zugriff der Einsatzkräfte tötete sich die Mutter selbst.

Dienstag, 3. Januar 2017: Schiesserei bei Hanf-Razzia in Rehetobel AR.
Foto: Newspictures
1/6

Professionelle Hanfbauern und Diebe 

Warum ist der Hanfhandel so brutal? Markus Melzl (64), ehemaliger Basler Kriminalkommissar, sagt: «Die Realität ist weit entfernt von alter Woodstock-Romantik.» Statt Hippies, Flower-Power und Frieden kennt er brutalste Gewalt: «Während meiner Zeit bei der Polizei habe ich immer wieder Schiessereien, Brandstiftungen und sogar eine Kindesentführung erlebt, wenn es um grössere Hanfplantagen ging.» Er stellt fest: «Im Hanfhandel wird zum Teil mit harten Bandagen gekämpft.»

Ein Grund ist auch die «gestiegene Professionalität», weiss Eugen Rentsch. Er ist Leiter der Dienststelle Betäubungsmitteldelikte bei der St. Galler Polizei und kennt das Drogengeschäft aus dem Ermittlungsalltag. Er betont, dass das Bild des Kleinbauern, der für den Eigenkonsum auf dem Balkon oder im Garten anbaut, überholt ist: «Der Hanfanbau ist immer mehr bandenmässig organisiert.»

Immer grössere Indooranlagen

Fakt ist: In der Schweiz hat die Zahl der Indooranlagen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Zudem sind sie vom Umfang her grösser. Wurden früher in Kleinanlagen zehn bis 100 Pflanzen gezüchtet, sind es heute häufig Anlagen mit 400 bis 1000 Pflanzen. Die grossindustrielle Produktion weckt böse Begierden. «Wir stellen fest, dass Indooranlagen auch für Diebe interessant geworden sind», so Rentsch. Dies habe zu einer Gegenreaktion der Plantagenbesitzer geführt: «Sie haben in den vergangenen Jahren damit begonnen, ihre Anlagen zu bewachen und zu beschützen. Das hat die Entwicklung der Gewalt unterstützt.» Waffen kämen immer öfter ins Spiel.

Dennoch sind laut Drogenermittler Rentsch blutige Eskalationen wie zuletzt in Rehetobel eine traurige Ausnahme: «Die meisten Aushebungen verlaufen friedlich.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?