Fitnesscenter verklagen Bundesrat!
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Wegen Zwangsschliessungen:Fitnesscenter verklagen Bundesrat!

Schadenersatz wegen Zwangsschliessungen
Fitnesscenter verklagen Bundesrat!

Die Zwangsschliessungen treiben Schweizer Sportstudios an den Rande des Ruins. Jetzt hat der Fitnesscenter-Verband eine Staatshaftungsklage gegen den Bund eingereicht. Sein Ziel: Schadensersatz für die Umsatzverluste.
Publiziert: 04.04.2021 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2021 um 22:15 Uhr
Fabian Eberhard

Die Fitnessbranche ächzt unter dem Lockdown. Eigentlich sind die ersten Monate des Jahres die umsatzstärkste Zeit für die Sportstudios. Doch Corona hat den Fitnessbetreibern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Statt neuer Aboeinnahmen häufen sich die Schulden.

Die Härtefallgelder reichen bei vielen nicht aus, um den Umsatzeinbruch aufzufangen. Immer mehr Studios stehen am Rande des Ruins. Nun hat der Schweizer Fitnesscenter-Verband (SFGV) genug. Er will auf dem juristischen Weg eine finanzielle Wiedergutmachung erstreiten.

Der Verband hat am 26. März beim Eidgenössischen Finanzdepartement eine Staatshaftungsklage eingereicht, mit der er den Bund zu Schadenersatz verpflichten will. Dem SonntagsBlick liegt die Eingabe vor. Es ist eine Musterklage im Namen eines Berner Fitnessstudios. Dessen Betreiber fordern vom Bund 260'000 Franken. Die Klage soll den Weg für weitere Schadensersatzforderungen der Fitnessbranche ebnen.

Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Fitnessstudios seit Monaten geschlossen. Viele von ihnen schlittern zunehmend in existenzielle Nöte.
Foto: Getty Images
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Crowdfunding für die Staatshaftungsklage

Der SFGV, der die juristischen Schritte koordiniert und finanziert, hat mit einem Crowdfunding 75'000 Franken gesammelt. Geführt wird die Klage von Urs Saxer, Anwalt und Professor für Staats- und Verwaltungsrecht. Er sagt: «Die Auswirkungen der bundesrätlichen Massnahmen auf die Fitnessstudios sind unverhältnismässig.» Eine Staatshaftungsklage sei der einzige Weg, auf dem Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnten.

Das 49-seitige Rechtsbegehren geht mit der Landesregierung hart ins Gericht: «Der Bundesrat hat seinen Ermessensspielraum eindeutig unsachlich und rechtsverletzend ausgeübt, indem er im Bereich der Fitnesscenter keinerlei Abklärungen vornahm bzw. vornehmen liess und die Lage trotz teilweise entgegenstehender wissenschaftlicher Erkenntnisse übereilt, nicht differenzierend und falsch beurteilte.»

Das Finanzdepartement muss die Klage nun beurteilen und eine Stellungnahme vorbereiten, die an den Bundesrat geht. Lehnt dieser die Klage ab, kann der Verband ans Bundesgericht gelangen. Klar ist schon jetzt: Ist der Verband mit der Klage erfolgreich, dürfte schon bald eine Lawine von Schadenersatzforderungen auf den Bund zurollen.

Experten melden Zweifel an

Die Hürden für eine finanzielle Kompensation sind allerdings hoch. Eine Staatshaftung setzt voraus, dass sich die Behörden widerrechtlich verhalten haben. Rechtsexperten bezweifeln, dass diese Bedingung erfüllt ist.

SFGV-Präsident Claude Ammann glaubt trotzdem an den Erfolg: «Wenn man davon ausgeht, dass das schweizer Rechtssystem ein gerechtes System ist, dann bin ich fest davon überzeugt das unsere Klage Erfolg haben wird.» Die Schliessungen seien willkürlich, denn es gebe keine Hinweise darauf, dass sich in Fitnesscentern mehr Leute anstecken als im öffentlichen Verkehr, in Läden oder in Gondeln. Tatsächlich ist die Frage, ob Fitnessstudios Corona-Hotspots seien unter Expertinnen und Experten umstritten.

Ammann, der im Kanton Solothurn selbst ein Fitnesscenter mit Physiotherapie und Arztpraxis betreibt, fühlt sich von Bund und Kantonen im Stich gelassen: «Man muss kein Wirtschaftsprofessor sein, um zu erkennen, dass die Lage immer existenzbedrohender wird.» Und die Härtefallentschädigungen? Die stehen laut Ammann in keinem Verhältnis zum monatelangen Umsatzausfall.

Bund und Kantone knausern

Dass die Härtefallgelder nicht ausreichen, bestätigt auch Tina Kalkschmid. Sie betreibt ein Fitnessstudio in Uetikon am See ZH und sagt: «Ich konnte mit den Entschädigungen nicht einmal die Miete zahlen.»

Kalkschmid hat ihr Fitnesscenter erst Mitte Januar 2020 eröffnet. Wenige Wochen später wurde in der Schweiz die erste Person positiv auf das Coronavirus getestet. Und bald darauf erfolgte der Lockdown.

Heute, nach mehr als einem Jahr Pandemie, weiss Kalkschmid nicht, ob sie jemals wieder öffnen kann: «Wir sind in ganz massiven Existenznöten, all unsere Ersparnisse sind aufgebraucht.» Die Sportmanagerin versucht sich über Wasser zu halten, indem sie Fitnesskurse im Freien anbietet. «Zum Glück habe ich viele loyale Kunden. Lange geht das aber nicht mehr gut.»

Wie lange Fitnessanbieter wie Tina Kalkschmid noch durchhalten müssen, ist unklar. Der Bundesrat entscheidet frühestens Mitte April über nächste Lockerungsschritte. Steigen die Fallzahlen weiter an, könnten Sportstudios auch im Mai geschlossen bleiben.

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