Psychologe Andi Zemp (59) begrüsst die Ladenöffnungen
Der Einkaufsbummel ist auch eine Therapie

Im Lockdown vereinsamten die Menschen. Sie müssen Dinge tun, die sie nicht wollen. Doch belohnen dürfen sie sich nicht. Warum die Wiederkehr zur Normalität so wichtig ist, erklärt der Berner Fachpsychologe Andi Zemp (59) gegenüber BLICK.
Publiziert: 28.02.2021 um 21:24 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2021 um 09:15 Uhr
Myrte Müller

Menschen müssen im Alltag viele Dinge tun, die sie eigentlich nicht mögen. «Dafür belohnen wir uns gerne», sagt Andi Zemp (59). «Doch ohne Kultur, ohne Handel, ohne Gastronomie ist diese Belohnung nur beschränkt möglich», sagt der Berner Fachpsychologe für Psychotherapie und Experte für Burn-out und Stressfolgestörungen.

Im Lockdown drohen die Menschen zu vereinsamen. «Sie denken viel über sich nach, beginnen an sich zu zweifeln», so Zemp. «Vor der Pandemie konnten die Menschen ihren Problemen besser ausweichen. Jetzt werden diese Probleme an die Oberfläche gespült, und immer mehr Menschen fragen nach professioneller Hilfe.» Das betreffe oft Probleme in der Partnerschaft, aber auch neue Herausforderungen in der Familie und im Homeoffice.

Einkaufen ist ein sinnliches Erlebnis

Was den meisten in diesen Wochen mehr denn je fehlt, sind laut dem Psychotherapeuten persönliche Kontakte. «Mit dem Lockdown hat sich die Zahl meiner Patienten in der Praxis verdoppelt.» Es fehlten den Menschen die sozialen Kontakte, vor allem der direkte Körperkontakt, so die Erfahrung des Psychologen.

Andi Zemp (59) ist Fachpsychologe für Psychotherapie in Bern mit Schwerpunkt Burn-out und Stressfolgestörungen.
Foto: zVg
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Die Öffnung der Läden ist für Andi Zemp deshalb nicht nur ein wirtschaftlicher Anker: «Sie hat auch eine wohltuende Wirkung.» Zwei Aspekte seien dabei wichtig. «Einerseits ist das Einkaufen im Laden ein sinnliches Erlebnis. Man freut sich darauf, kann die Produkte berühren, sie an- oder ausprobieren», sagt Andi Zemp. Und: «Stammkunden geniessen zudem den Schwatz mit den Ladenbesitzerinnen oder den Verkäufern.» Das alles nehme viel von dem Druck, den die Corona-Pandemie im Laufe der Monate aufgebaut habe.

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Nur keine Jo-Jo-Öffnungen

Andererseits sei da noch die emotionale Seite, das gute Gefühl, dass man mit der Ladenöffnung in Richtung Normalität gehe. «Die gesamte Corona-Krise ist sehr belastend. Je länger sie andauert, desto schwerer ist sie zu ertragen», so der Berner.

Doch er warnt vor vorschnellen Lockerungen. Denn noch schlimmer als der Lockdown, sei der Jo-Jo-Effekt. Zemp sagt: «Das Hin und Her – das Schliessen, Öffnen, dann wieder Schliessen – zermürbt die Menschen psychisch.»


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