Hier kommt Alvaro H. im Gericht in Basel an
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Prozessstart gegen Drogenbaron:Hier kommt Alvaro H. im Gericht in Basel an

Von wegen Ananashändler
Kolumbianischer Drogenbaron Alvaro H. (47) muss über 10 Jahre in den Knast

Er wohnte in einem ärmlich wirkenden Mehrfamilienhaus in Basel. Dabei dirigierte Alvaro H. laut Staatsanwaltschaft einen gewaltigen globalen Kokainhandel. Vor Gericht stellte sich Mann als einfacher Früchtehändler dar. Am Freitag wurde das Urteil verkündet.
Publiziert: 16.01.2023 um 00:59 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2023 um 10:56 Uhr

Mit Handschellen und Fussfesseln wird Alvaro H.* (47) gestern vor das Basler Strafgericht geführt, seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Glaubt man der Anklage, ist er einer der dicksten Fische, die die Schweizer Polizei in jüngster Zeit erwischt hat: Der kolumbianisch-spanische Doppelbürger soll neun Tonnen Kokain im Wert von Hunderten Millionen Franken verschoben haben. Und er habe von Basel aus eine steile Karriere beim Clan del Golfo, dem mächtigsten Verbrechersyndikats Kolumbiens, hingelegt.

Der Angeklagte selber will kein Narco-Boss sein, sondern nur Ananashändler und Handwerker. «Ich verkaufe kein Kokain», liess er seine Dolmetscherin diverse Male aus dem Spanischen übersetzen. Und: «Ich kam 2012 in die Schweiz, um zu arbeiten.» Seither habe er bei «drei oder vier» Baufirmen gearbeitet, habe vor einigen Jahren auch Sozialhilfe bezogen. Er habe mit Schmuck gehandelt und vor der Verhaftung mit seiner Familie ein Projekt mit Ananas gestartet.

Dabei ist er alles andere als ein einfacher Ananashändler, wie die Beweise zeigen. So fand die Polizei fast 300 Gramm Kokain bei ihm, dazu Utensilien zum Portionieren. Die Erklärung des Angeklagten: «Ich habe das Kokain für einen Freund gelagert.» Für den Freundschaftsdienst sei er wiederum mit Kokain bezahlt worden, denn er sei Konsument, so H., der seit fast zwei Jahren in Haft sitzt.

Alvaro H. muss über 10 Jahre in den Knast. So sieht die Gerichtszeichnerin den Angeklagten.
Foto: C. Ziegler
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Ermittler konnten Lieblings-App der Dealer knacken

Ein Kollege und nicht er selber sei auch der wahre Besitzer des Hauptbeweismittels – ein iPhone. Auf dem Telefon befand sich laut Anklage die Kommunikation des Basler Kartells, gespeichert in der verschlüsselten Messenger-App Sky ECC. Lange schafften es die Behörden weltweit nicht, diese Verschlüsselung zu knacken. Das machte Sky ECC zur Lieblings-App von Dealern und anderen Verbrechern. Über das Programm organisierte laut Staatsanwaltschaft auch das Basler Kartell seine Tätigkeiten.

Bis zum Jahr 2021. Da schafften es belgische, französische und niederländische Polizisten schliesslich, den Code zu knacken. Resultat: Dutzende von Razzien gegen Dealer und tonnenweise beschlagnahmtes Kokain. Und eben die Verhaftung des vermeintlichen Ananashändlers in Basel.

«Er hat sich einfach unauffällig verhalten»

Laut Verteidigung ist es nicht bewiesen, dass das Krypto-Handy ihrem Klienten gehört, auch, wenn es in dessen Wohnung gefunden wurde. «Bei jeder Nachricht, die für eine Verurteilung sorgen könnte, muss man beweisen, dass mein Mandant der Absender ist.» Das sei der Anklage nicht gelungen. Fazit der Verteidigung: 22 Monate Haft bedingt wegen des Eigenkonsums.

Zwar liess auch die Staatsanwältin offen, wie viele Personen das Krypto-Handy benutzt haben könnten. Trotzdem hat sie keine Zweifel an der Verwertbarkeit der Beweise. «Die Entschlüsselung dieser App hat eine neue Ära eingeläutet», sagt sie. Und auch dass Alvaro H. ein äusserst bescheidenes Leben führte, sei kein Widerspruch zu seiner vermeintlich hohen Position im Kartell: «Er hat sich einfach unauffällig verhalten.» Die Hammer-Forderung: über 17 Jahre Gefängnis für den Angeklagten!

Das Urteil fällt am Freitagvormittag.

*Name geändert

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