Probleme auf beiden Seiten
Schweizer Gastfamilien wollen Flüchtlinge wieder loswerden

Zahlreiche Familien in der Schweiz haben sich dazu entschlossen, Geflüchtete aus der Ukraine bei sich aufzunehmen. Doch schon 1800 Wohnungsangebote wurden mittlerweile wieder aufgelöst. Verantwortlich dafür sind Probleme und Missverständnisse auf beiden Seiten.
Publiziert: 01.04.2022 um 15:36 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2022 um 11:58 Uhr

Die Solidarität für Menschen aus der Ukraine ist enorm. Während sich derzeit 22'000 ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz befinden, haben sich allein beim Verein Campax schon rund 30'000 Gastgeber dazu bereit erklärt, Geflüchtete bei sich aufzunehmen. Während jeden Tag 1000 neue Flüchtlinge in die Schweiz kommen, haben laut Campax bereits 1800 Gastgeber ihr Wohnungsangebot wieder zurückgezogen.

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Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Viele haben sich das Zusammenleben wohl einfacher vorgestellt. «Die Solidarität ist nach wie vor ungebrochen, aber wenn die Realität einsetzt, wird es vielen unwohl», sagt Christian Messikommer von Campax zu «20 Minuten».

Viele Schweizer, die ukrainische Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben, wollen diese wieder loswerden. (Symbolbild)
Foto: AFP
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Sehr oft gebe es Kommunikationsprobleme oder Missverständnisse. «Auch mit einem Übersetzer-Tablet ist man irgendwann am Anschlag», erklärt Messikommer. «Wenn du jemandem in einer Fremdsprache erklären musst, wie du dein WC nach Gebrauch antreffen möchtest, ist das nicht immer einfach.»

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Fremde Personen auf engem Raum

Aber auch das Thema Ernährung bereitet sowohl den Gastgebern als auch den Geflüchteten oftmals Schwierigkeiten. Vielfach haben die Menschen aus der Ukraine nämlich nicht die gleichen Essgewohnheiten wie Schweizerinnen und Schweizer. Dieser unterschiedliche Lebensstil kann laut der ukrainischen Historikerin Olha Martynyuk (36) finanzielle Folgen haben: «Häufig reicht die finanzielle Unterstützung des Bundes nicht aus, um sich teures Essen zu leisten und alle weiteren monatlichen Kosten der Geflüchteten zu decken.»

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Schliesslich ist auch die Privatsphäre eine Hürde für beide Parteien. Während die Flüchtlinge zuvor ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung für sich hatten, wohnen sie nun auf engem Raum mit fremden Personen zusammen – das Gleiche gilt auch für ihre Gastgeber. Deshalb sollte man laut Martynyuk darauf achten, dass die zugewiesenen Flüchtlinge zu den Gastgebenden passen: «Eine ältere Frau, die ihre Ruhe braucht, bringt man besser bei älteren Menschen mit denselben Interessen unter als in einem Haus voller Kinder. Dort schickt man lieber auch Familien mit Kindern hin.»

Wenn die Gastgeber oder die Flüchtlinge nicht mehr zusammenleben möchten, werden die Geflüchteten in einer kantonalen Vorrichtung untergebracht. Doch die Mehrheit der 22'000 ukrainischen Flüchtlingen befindet sich ohnehin schon in solch einer kantonalen Unterkunft. Nur rund 5000 Personen aus der Ukraine kommen in der Schweiz derzeit in privaten Häusern oder Wohnungen unter. (obf)


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