Streit eskalierte in Walzenhausen AR
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Mann schiesst und flüchtet:Streit eskalierte in Walzenhausen AR

Flüchtiger Justin S. (29) machte Schlagzeilen als Thurgauer Hühnermessie – sein Vater ist der 6-Franken-Killer
Schütze von Walzenhausen ist ein alter Bekannter

Nachdem er seine Freundin bedroht hat und im Streit sogar ein Schuss fiel, ist Justin S. auf der Flucht. Es ist die neuste Episode in einem völlig verpatzten Leben. Der IV-Rentner geriet auf die falsche Spur, als sein Vater einen Mitschüler erschoss.
Publiziert: 13.11.2021 um 01:06 Uhr
Marco Latzer, Samuel Walder und Nicolas Lurati

Ein Schuss hallt in der Nacht auf Donnerstag durch Walzenhausen AR. Darauf durchkämmen schwer bewaffnete Polizisten während Stunden die idyllische Ortschaft oberhalb des Bodensees. Im Streit hatte Justin S.* (29) auf seine Freundin Maya R.* (27) geschossen, verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Danach ergreift S. die Flucht, die Kantonspolizei Ausserrhoden fahndet seitdem fieberhaft nach ihm – bisher ohne Erfolg. «Bislang ist es uns nicht gelungen, einen Kontakt zum Gesuchten herzustellen. Wir können nicht ausschliessen, dass er noch immer bewaffnet ist», sagt Mediensprecher Marcel Wehrlin zu Blick.

Vater erschoss Schulkollegen wegen 6 Franken

Nachbarn beschreiben Justin S. als Sonderling. «Er wollte mir sogar mal sein Sturmgewehr zeigen», sagt ein Anwohner und deutet auf den mit Unrat und Kinderspielzeug zugestellten Wohnort des flüchtigen Schweizers. Ein anderer Nachbar berichtet von wüsten Drohungen und häufigem Töfflilärm im Quartier.

Justin S. (29, l.) ist der Flüchtige von Walzenhausen. Er ist mehrfach vorbestraft.
Foto: Toini Lindroos
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Wie Blick-Recherchen zeigen, ist die Schussabgabe in Walzenhausen ein weiteres Kapitel in einem Leben voller Gewalt und Tragik. 2008 gerät der damals 15-jährige Justin S. in Erlen TG mit anderen Schülern in einen Streit um läppische 6 Franken.

Unfassbar: Sein Vater (58) richtet einen der beteiligten Jugendlichen (†18) hinter dem Schulhaus mit einem Schuss in die Schläfe regelrecht hin. Justin S. wird zum Augenzeugen der Wahnsinnstat – und gerät danach selbst auf die schiefe Bahn. Das Strafregister des jungen IV-Rentners ist seitenlang.

150 Hühner im Wald ausgesetzt

Für nationale Schlagzeilen sorgt er 2015 auch als Hühner-Messie von Weinfelden TG. Weil ihm die Chaos-Zucht im Keller seines schmucken Miethauses über den Kopf gewachsen war, verpackte er 150 Hühner in Kartonschachteln und überliess sie in einem Wald sich selbst. Viele der Tiere verendeten qualvoll.

62 Hühner hatte S. zuvor schon eigenhändig und ohne Betäubung getötet. «Ich wollte deshalb kein Fleisch mehr essen. Es hat mich geekelt», sagte der Thurgauer zwei Jahre später vor dem Bezirksgericht von Weinfelden.

Schon gegen seine Ex-Freundin wendete er Gewalt an

Damals muss er sich dort wegen 22 (!) Delikten verantworten: Parallel zur Hühnerzucht betrieb Justin S. damals auch eine Indoor-Hanfanlage und züchtete ohne Bewilligung Kampfhunde. Neun Mal erwischte ihn die Polizei ohne Ausweis am Steuer, zudem zerstörte er ein Radargerät rabiat mit einem Baseballschläger.

«Mein Vater hat mich falsch erzogen, deshalb habe ich so viele Probleme!», erklärt er den Richtern. Die zeigten in dem abgekürzten Verfahren damals Nachsicht – auch weil Justin S. junger Familienvater war.

22 Monate auf Bewährung bei einer Probezeit von fünf Jahren kassierte er damals. Da diese noch nicht abgelaufen ist, muss er nun damit rechnen, die Strafe von damals absitzen zu müssen.

* Namen geändert

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