So verbringt Häftling Daniel F. die Weihnachtszeit
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«Ich bin praktisch alleine»:So verbringt Häftling Daniel F. die Weihnachtszeit

Daniel F. (45) verbringt wie über 6000 andere Insassen die Festtage im Gefängnis
«An Weihnachten habe ich ein richtiges Tief!»

Ein einsamer Abend in der Zelle statt eines gemütlichen Beisammenseins mit den Liebsten. Für Häftling Daniel F. ist das an Weihnachten traurige Realität. Blick erzählt er, was er an Heiligabend macht.
Publiziert: 15.12.2021 um 01:28 Uhr
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Aktualisiert: 15.12.2021 um 10:36 Uhr
Marco Latzer

Weihnachten hinter Schloss und Riegel. Schweizweit müssen etwas mehr als 6000 Menschen die Festtage im Gefängnis verbringen. «Weihnachten ist für mich die härteste Zeit im Jahr. Da habe ich jeweils ein richtiges Tief und bin fast schon depressiv», sagt Insasse Daniel F.* (45). «Meine Tochter hat am 24. Dezember Geburtstag. Ich bin daher gleich doppelt bestraft», fügt der zweifache Familienvater an.

Von den zwölf Jahren Haft, zu denen er wegen eines Raubs mit zwei Verletzten verurteilt wurde, hat F. etwas mehr als die Hälfte verbüsst. Nach Aufenthalten in Lenzburg AG und Pöschwies ZH ist der Zürcher inzwischen in der Strafanstalt Saxerriet im St. Galler Rheintal untergebracht. Hier soll der Wiederholungstäter – es handelt sich um seine dritte Haftstrafe – ab dem nächsten Jahr mit begleiteten Freigängen behutsam an ein Leben in Freiheit herangeführt werden.

«Auch unsere Familien leiden unter der Situation!»

Zunächst muss Daniel F. aber die Festtage allein in seiner Zelle verbringen. «An Heiligabend werden wir um 21 Uhr eingeschlossen. Wahrscheinlich werde ich mir eine DVD anschauen und möglichst früh zu Bett gehen.» Vom regulären TV-Programm will er hingegen die Finger lassen: «Da kommen nur Weihnachtssendungen. Überall Familien, die beisammen sind und gemeinsam Geschenke auspacken. Das halte ich nicht aus.»

Weihnachtsstimmung in der Gefängnisgärtnerei: Daniel F. (45) verbringt Weihnachten hinter Schloss und Riegel.
Foto: Siggi Bucher
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Nur zu gerne würde er Zeit mit seinen Kindern verbringen, für die er, wie er sagt, jeweils über Umwege dennoch ein Geschenk auftreibe. «Ich bin kein Heiliger, natürlich habe ich meine Strafe verdient. Was trotzdem häufig vergessen geht: Auch die Familien von uns Gefängnisinsassen leiden unter der Situation.»

Weihnachtsfeier für Gefängnisinsassen

Ganz ohne Weihnachten muss er auch im Saxerriet nicht auskommen. Die Strafanstalt wird festlich geschmückt – auf dem Gefängnisplatz und im Speisesaal werden Christbäume aufgestellt. «Zu weihnachtlich wird es aber nicht. Es handelt sich noch immer um eine Zwangsgemeinschaft. Viele haben ausserdem einen anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund», erklärt Barbara Looser (50), die Direktorin der Strafanstalt.

Trotzdem werde im Rahmen einer gemeinsamen Feier ein spezielles Weihnachtsmenü serviert. Besonders hoch im Kurs stehen Pommes frites. Am Anlass, bei dem Looser zusammen mit zwei Seelsorgern eine Ansprache hält, gibt es auch ein kleines Geschenk für die Insassen. «Es handelt sich um etwas Nützliches für den Alltag, wie etwa ein Deo oder ein Duschmittel», sagt Looser.

Daniel F. hofft auf Besuch seiner Freundin

Von einem Verwöhnprogramm will die Saxerriet-Chefin nichts wissen: «Die Strafe für die Insassen ist noch immer der Freiheitsentzug. Und der ist auch an Weihnachten jederzeit gewährleistet.» Man wolle die Inhaftierten mit der Feier zum Nachdenken anregen und sie mit Respekt behandeln. «Schliesslich sind auch sie ein Teil unserer Gesellschaft», so Looser.

Daniel F. freut sich derweil am meisten auf den für dieses Wochenende geplanten Besuchstag für Angehörige. «Dreieinhalb Stunden stehen uns für Besuche zur Verfügung – zwei Stunden mehr als sonst. Da kann ich zusammen mit meiner Freundin hoffentlich ein wenig Normalität erleben», so der Häftling. Noch ist allerdings unklar, ob der Anlass wegen der Corona-Massnahmen auch wirklich durchgeführt werden kann.

* Name geändert

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