BLICK rollt den Fall Ylenia (†5) neu auf
Neue Zeugen, neue Hinweise, neue Verdächtige

Urs Hans Von Aesch handelte alleine, als er die kleine Ylenia entführte und tötete. Davon sind die Behörden bis heute überzeugt. Doch BLICK-Recherchen zeigen jetzt: Es gibt viele Hinweise darauf, dass Von Aesch nicht alleine war.
Publiziert: 27.02.2019 um 17:59 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2019 um 15:06 Uhr
  • Urs Hans Von Aesch (†67) soll laut Behörden Ylenia (†5) entführt und mit Nitroverdünner getötet haben
  • Indizien auf mögliche Mittäter konnten in den Ermittlungen nicht erhärtet werden
  • Hinweise verdichten sich, dass der inzwischen verstorbene Werner F. in den Fall Ylenia verstrickt sein könnte
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Marco LatzerReporter Ostschweiz

Ihre Entführung hält im Sommer 2007 die ganze Schweiz in Atem. Die kleine Ylenia (†5) holt am 31. Juli 2007 im Hallenbad von Appenzell eine Shampooflasche ab, die sie tags zuvor dort vergessen hat.

Doch das herzige Mädchen mit den blonden Haaren und den blauen Augen verschwindet zunächst spurlos. Bereits am nächsten Tag gelingt es der Polizei, Urs Hans Von Aesch (†67) mit Ylenias Verschwinden in Verbindung zu bringen.

Zeugen hatten seinen weissen Renault Trafic vor dem Hallenbad beobachtet. Doch der zuvor in Spanien lebende Schweizer ist da längst tot. Er nahm sich noch am Tag der Entführung mit einem Kopfschuss in Oberbüren SG das Leben.

Mit BLICK fertigte Zeugin Cathy S. ein Phantombild von dem Mann an, den sie am Steuer von Von Aeschs Kleinbus gesehen hatte.
Foto: BLICK / Urs Maltry
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Behörden gehen von Einzeltäter aus

Als klare Indizien für Von Aeschs Tat gelten Ylenias Kickboard, ihr Rucksack sowie ihre darin abgelegten Kleider, die ebenfalls in Oberbüren gefunden werden. Mittels DNA kann auch nachgewiesen werden, dass sich Ylenia in Von Aeschs Kastenwagen aufgehalten hat.

Von der Leiche des Mädchens fehlt hingegen jede Spur. Schnell kommen Fragen auf: Hatte Von Aesch Mittäter oder Mitwisser?

Denn kurz nach Ylenias Verschwinden meldet sich Cathy S.* (damals 51) mit ihren Beobachtungen bei der Polizei. Sie habe mit ihrem Sohn (18) den Kastenwagen am 31. Juli mittags an einer Kreuzung in Oberbüren beobachtet. Doch nicht Von Aesch, der bloss Beifahrer gewesen sei, sondern ein blonder Mann habe hinter dem Steuer gesessen.

Die einzelnen Fundorte im Fall Ylenia.
Foto: BLICK

Auf der Jagd nach dem Mann auf dem Phantombild

Detailliert schildert die Frau, dass sich der Unbekannte und Von Aesch miteinander gestritten hätten. Zusammen mit einem dritten Mann im Fonds, den sie und ihr Sohn nicht gesehen, sondern nur gehört hätten.

«Das Mädchen schaute mich an und sagte: Ich will heim zu meinem Mami!», so die Zeugin. Die Männer hätten das Kind namentlich mit «Ylenia» angesprochen und rabiat aufgefordert, ruhig zu sein.

Zunächst geht S. von einem Familienstreit aus. Erst als sie das vermisste Mädchen in den Medien erkennt, wendet sich die Frau in Herisau an die Polizei. «Man legte mir Passfotos von rund 15 Männern vor. Die Person, die ich gesehen hatte, war aber nicht darunter», erklärt Cathy S. Trotzdem sei sie mit Vehemenz aufgefordert worden, auf jenen, der ihm noch am ähnlichsten sehe, zu zeigen.

«Das ist der Mann, den ich gesehen habe!»

Um den Mann zu finden, fertigt Cathy S. mit BLICK in der Folge auch ein Phantombild an. Doch die Polizei schiesst scharf zurück: Die Person, die S. bei der Befragung identifiziert habe, verfüge über ein «200-prozentiges Alibi», so ein Polizeisprecher.

Cathy S. fühlt sich in der Folge als Lügnerin gebrandmarkt. Und das Interesse am Phantombild ebbt schnell ab. Als nach 47 Tagen des Suchens im Hartmannswald Ylenias Leiche gefunden wird, interessiert sich niemand mehr für den möglichen Mittäter.

Ylenia (†5) starb durch Gift
5:07
Rätsel-Morde Teil 4: Simon Kuhn (37) fand die Leiche des vermissten Mädchens:Ylenia (†5) starb durch Gift

Sieben Jahre später stösst Autor Peter Beutler (76) bei der Recherche für das Buch «Kristallhöhle» zufällig auf das damalige Phantombild im Fall Ylenia. Er identifiziert den Mann als Werner F.* (†66), einen Kleinkriminellen.

Beutler kontaktiert darauf Cathy S. und legt ihr ein «echtes» Foto von F. vor. Sie bestätigt ihm und gegenüber BLICK: «Das ist der Mann, den ich im Entführungsbus gesehen habe!»

Ehemaliger Weggefährte packt aus 

Weitere Recherchen ergeben heute auch, dass Werner F. am verhängnisvollen Tag, an dem Ylenia verschwand, mit Andy R.* (61) unterwegs war. Der langjährige Freund von F. erzählt heute erstmals öffentlich im BLICK: «Werner F. holte mich und meine Familie vormittags zum Grillplausch ab. Wir fuhren vom Rheintal zu ihm nach Mogelsberg SG.»

Unterwegs im Appenzellerland sei ihnen ein weisser Kastenwagen entgegengekommen. Es war Von Aesch, der unterwegs in Richtung Hallenbad war, wie Andy R. vermutet. «Als Werner den weissen Wagen sah, machte er eine derart heftige Vollbremsung, dass es uns beinahe durch die Scheibe schleuderte!»

In der Folge habe Werner F. bei St. Peterzell SG einen Stopp in einer nahen Beiz eingelegt, um «auf den Schock einen zu trinken». Danach habe man, wie Andy R. sagt, die Fahrt nach Mogelsberg fortgesetzt.

«Kaum dort angekommen, verschwand Werner mit der Entschuldigung, eine Gasflasche holen zu müssen. Er kam erst Stunden später und stark betrunken wieder zurück.» Er habe sich das seltsame Verhalten seines Freundes damals nicht erklären können.

Brisant: Werner F. verschwindet genau in den Stunden, in denen Ylenia verschwindet, ein Mann angeschossen wird und Urs Hans Von Aesch Selbstmord begeht. Dazu kommt: Laut Andy R. bewegten sich beide in demselben Umfeld. «Von Aesch und Werner waren früher Kunden in meiner Karosseriewerkstatt!»

Werner F. hat kein Alibi

Es bleibt die grosse Frage: Was hatte Werner F. mit Ylenias Tod zu tun? Obwohl R. seine Beobachtungen schon kurz nach Ylenias Verschwinden der Polizei gemeldet hatte, passierte nichts. Ein erstes Befragungsprotokoll verschwand spurlos!

2014 wurde die Vernehmung wiederholt. Trotzdem ging die Polizei der Spur offenbar nicht nach. Werner F., der dem Mann auf dem Phantombild aufs Haar gleicht, blieb unbehelligt. 

Und das für immer. Werner F. starb im Frühjahr 2017 eines natürlichen Todes.

Die Chronologie im Fall Ylenia

31. Juli 2007, 9.20 Uhr: Ylenia Lenhard wird vor dem Hallenbad von Appenzell entführt.

31. Juli 2007, 13.28 Uhr: Die Polizei erhält einen Notruf aus Oberbüren SG. Im Hartmannswald seien Schüsse gefallen. Walter B. (damals 46) wurde von einem Unbekannten angeschossen.

31. Juli 2007, 19.15 Uhr: Beim Billwilerwald, einige Kilometer entfernt, wird ein weisser Kleinbus gefunden. Ein solcher war zuvor auch bei der Schiesserei gesehen worden.

1. August 2007, vormittags: Polizisten finden unweit des abgestellten Fahrzeugs eine Leiche. Es handelt sich um dessen Besitzer Urs Hans Von Aesch, der Selbstmord begangen hat.

1. August 2007, nachmittags: Ermittler bringen Von Aesch mit dem Verschwinden Ylenias in Verbindung, da sein Kleinbus auch in Appenzell gesehen wurde.

1. August 2007, abends: Eine Anwohnerin findet im Bereich Billwil bei Oberbüren den Rucksack von Ylenia. Darin sind ihre Kleider. 

2. August 2007: Polizisten und Private beginnen intensiv die Wälder rund um Oberbüren zu durchsuchen. Erfolglos.

15. September 2007, 12.11 Uhr: Simon Kuhn (damals 28) informiert die Polizei. Er hat im Hartmannswald Ylenia gefunden. Sie ist tot.

31. Juli 2007, 9.20 Uhr: Ylenia Lenhard wird vor dem Hallenbad von Appenzell entführt.

31. Juli 2007, 13.28 Uhr: Die Polizei erhält einen Notruf aus Oberbüren SG. Im Hartmannswald seien Schüsse gefallen. Walter B. (damals 46) wurde von einem Unbekannten angeschossen.

31. Juli 2007, 19.15 Uhr: Beim Billwilerwald, einige Kilometer entfernt, wird ein weisser Kleinbus gefunden. Ein solcher war zuvor auch bei der Schiesserei gesehen worden.

1. August 2007, vormittags: Polizisten finden unweit des abgestellten Fahrzeugs eine Leiche. Es handelt sich um dessen Besitzer Urs Hans Von Aesch, der Selbstmord begangen hat.

1. August 2007, nachmittags: Ermittler bringen Von Aesch mit dem Verschwinden Ylenias in Verbindung, da sein Kleinbus auch in Appenzell gesehen wurde.

1. August 2007, abends: Eine Anwohnerin findet im Bereich Billwil bei Oberbüren den Rucksack von Ylenia. Darin sind ihre Kleider. 

2. August 2007: Polizisten und Private beginnen intensiv die Wälder rund um Oberbüren zu durchsuchen. Erfolglos.

15. September 2007, 12.11 Uhr: Simon Kuhn (damals 28) informiert die Polizei. Er hat im Hartmannswald Ylenia gefunden. Sie ist tot.

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