Terror-Anschläge in der Schweiz
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Nicht nur Islamisten:Terror-Anschläge in der Schweiz

Nicht nur Islamisten
Terroranschläge in der Schweiz

Dschihadistische Terrorattacken in der neutralen Schweiz sind eine Seltenheit. Zuletzt sorgte ein Angriff in Morges VD für Aufruhr. Die Stadt Winterthur ZH steht immer wieder in den Schlagzeilen. Ein Überblick.
Publiziert: 25.11.2020 um 04:03 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2021 um 11:45 Uhr

Bei der Attacke in einer Manor-Filiale in Lugano TI vom Dienstag wird ein terroristischer Hintergrund nicht ausgeschlossen. Die Täterin, eine 28-jährige Schweizerin, war polizeibekannt. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) schrieb am Dienstagabend in einem Tweet, dass die Frau bereits aus einer polizeilichen Untersuchung aus dem Jahr 2017 in Bezug auf dschihadistischen Terrorismus bekannt ist. Die Tessiner Polizei hat die Ermittlungen deshalb den Bundesbehörden übergeben.

In der neutralen Schweiz sind dschihadistische Terrorattacken eine Seltenheit. Aber hierzulande gibt es Hunderte von Einwohnern, die als Bedrohung eingestuft werden und Gefährder, die in Kriegsgebiete gereist sind. Und auch auf Schweizer Boden kam es in der Vergangenheit immer wieder zu einzelnen Vorfällen.

Im September hat ein schweizerisch-türkischer Doppelbürger (26) Rodrigo G.* (†29) in einem Kebab-Laden in Morges VD ermordet. Kaltblütig wurde der Portugiese beim Abendessen mit seiner Familie erstochen. Er verlor so viel Blut, dass er noch im Imbiss verstarb.

Beim Blutbad in einer Manor-Filiale in Lugano TI vom Dienstag wird ein terroristischer Hintergrund nicht ausgeschlossen.
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Morges-Täter wollte sich an der Schweiz rächen

Die Bundesanwaltschaft ermittelt im Fall von Morges wegen Terror-Verdachts. Der Täter legte laut dem Westschweizer Radio und Fernsehen RTS Mitte September ein Geständnis ab. Als Beweggrund für seine Tat soll er «Rache gegenüber dem Staat Schweiz» geltend gemacht haben, hiess es. Die Bundesanwaltschaft wollte den Bericht bislang weder bestätigen noch dementieren.

Klar ist: Der Mann war seit 2017 im Visier der Bundesbehörden. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beobachtete ihn unter anderem wegen Konsums und Verbreitung dschihadistischer Propaganda. Im April 2019 wurde er im Kanton Waadt wegen des Verdachts auf Brandstiftung an einer Tankstelle festgenommen. Die für Terrorermittlungen zuständige Bundesanwaltschaft übernahm das Verfahren von der Waadtländer Staatsanwalt.

Islamismus und die Stadt Winterthur

Die Stadt Winterthur ZH sorgte in den vergangenen Jahren schweizweit für Schlagzeilen. Immer wieder im Fokus: die mittlerweile geschlossene An'Nur-Moschee. Dort hat ein Imam 2016 vor rund 60 Personen zu Gewalttaten aufgerufen. Der Mann wurde 2019 vom Bundesgericht letztinstanzlich zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Der Imam soll auch versucht haben, mehrere Gläubige zu radikalisieren.

Im September 2020 wurde Sandro V.* (34), der «Emir von Winterthur», vom Bundesstrafgericht in Bellinzona TI zu 50 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte mit dem Projekt «Lies!» und in der Kampfsportschule MMA Sunna junge Leute angeworben und für einen Einsatz in Syrien rekrutiert. Zuvor war er von Mitte November bis am 9. Dezember 2013 selbst in Syrien.

Attentat in Wien – Spuren führen in die Schweiz

Die Stadt Winterthur geriet auch Anfang November in die weltweiten Schlagzeilen. Nach dem Anschlag im österreichischen Wien mit vier Toten und 23 Verletzten kam es zu einer Razzia im Grüzefeld-Quartier, wo Fahnder der Spezialeinheit EG Diamant zwei Salafisten, 18- und 24-jährig, verhafteten. Beide sind involviert in laufende Islamismusverfahren.

Haben sie von der Tat gewusst? Oder waren sie gar daran beteiligt? Konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es bis jetzt nicht. Sicher hingegen ist: Die zwei haben den IS-Terroristen von Wien getroffen. Das bestätigte Bundesrätin Karin Keller-Sutter (56). Die beiden seien «Kollegen» des Attentäters gewesen.

SonntagsBlick-Recherchen vor zwei Wochen zeigten: Die verhafteten Winterthurer reisten nur wenige Monate vor dem Anschlag nach Wien. Zwischen dem 16. und 20. Juli trafen sie sich dort gemäss Informationen aus Sicherheitskreisen mit mehr als einem Dutzend Islamisten aus Deutschland und Österreich – darunter Kujtim F., dem Attentäter von Wien.

Das war der schlimmste Terrorakt in der Schweiz

Seit 1902 haben sich laut «Berner Zeitung» mindestens 37 Organisationen zu Terroranschlägen in der neutralen Schweiz bekannt. Die Angriffe haben mindestens 60 Tote und 140 Verletzte gefordert, die Täter miteingerechnet.

Der blutigste Terrorakt war kein dschihadistisch motivierter: Ein Paketbombenanschlag der «Volksfront zur Befreiung Palästinas – Generalkommando» (PFLP-GC) auf eine Swissair-Maschine am 21. Februar 1970 über dem aargauischen Würenlingen. 47 Menschen kamen damals ums Leben. (nim)

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