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Morten Keller-Sutter (56)
Der Arzt an ihrer Seite

Der Gatte von Karin Keller-Sutter erlebt als Mediziner das Elend der Pandemie an vorderster Front. Ist er der Grund, dass die FDP-Bundesrätin mit ihrer Corona-Haltung Verbündete irritiert?
Publiziert: 20.12.2020 um 00:18 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2021 um 20:50 Uhr
Reza Rafi

In Bundesbern herrscht Rätselraten über Karin Keller-Sutter (56). Seit die Ostschweizerin mit der Kurzhaarfrisur und dem hellen a vor zwei Jahren in die Landesregierung gewählt wurde, vertritt sie dort einen strammen Wirtschaftskurs, zeigt Härte im Asylwesen, bodigte die Begrenzungs-Initiative und hat in einem Herzschlagfinale die Konzern-Initiative gekehrt.

Für ihre Verbündeten galt «KKS» bislang stes als klar und verlässlich – bis es zum Ausbruch der Corona-Pandemie kam.

Geht es um die Eindämmung der Seuche, wird die freisinnige Justizministerin seltsam unberechenbar. Im Kampf gegen Covid-19 begann die ehemalige Präsidentin der Swiss Retail Federation plötzlich von den Positionen der Wirtschaftsverbände abzuweichen. Getreu dem berühmten Satz von Max Frisch: «Ich ertrage keine Freunde, die meiner sicher sind.»

Karin Keller-Sutter mit Bruder Rolf Sutter (r.) und Ehemann Morten Sutter. Letzterer leitet seit 2014 die städtischen Gesundheitsdienste Zürich.
Foto: Keystone
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Bei der Verabschiedung von Corona-Massnahmen kommt Keller-Sutter den SP-Vertretern in der Regierung, Simonetta Sommaruga (60) und Alain Berset (48), jeweils auffällig entgegen – während die SVP-Vertreter Ueli Maurer (70) und Guy Parmelin (61) mit ihrer Öffnungspolitik regelmässig an der Machtpolitikerin scheitern.

Nicht nur Parteikollegen fragen sich: Was ist los mit der «Wirtstochter» Keller-Sutter? Alles nur Taktik, um linke Stimmen für ihre Wiederwahl zu sichern, wie manche in der SVP vermuten?

Ihr engster Vertrauter

Mit Sicherheit gibt es noch einen ganz anderen, privaten Grund für Keller-Sutters Haltung, der in der Pandemie erstaunlicherweise nie ein Thema war: die Rolle des Bundesratsgatten.

Morten Keller (56) erlebt das Corona-Elend an vorderster Front mit: Seit 2014 leitet der vormalige Stadtarzt die städtischen Gesundheitsdienste in Zürich. Seine Abteilung kümmert sich laut Selbstbeschreibung um «Menschen in besonderen Lebenslagen», erbringt medizinische Leistungen und Beratung für Senioren. Keller-Sutters Ehemann hat also täglich mit den sozialen und medizinischen Auswirkungen auf die Hauptrisikogruppen zu tun.

Er ist seit über drei Jahrzehnten der Mann an ihrer Seite. Das Paar bewohnt ein Einfamilienhaus in Wil SG, er ist ihr engster Vertrauter, einmal wöchentlich ist er bei ihr in Bern. «Wir können uns über alles austauschen – nur bei der Musik gibts Krach», verriet sie einmal in der «Schweizer Illustrierten».

Ein Missionar in Sachen Corona-Regime? Nein, das sei der Morten nicht, berichten Arbeitskollegen. Aber entschieden in der Sache, das schon. Bereits im März startete das Zürcher Gesundheitsdepartement die Kampagne #BliibDihei – mit Kellers Unterstützung. Manchmal rede er im kleinen Kreis, wenn es um seine Corona-Haltung geht, in Wir-Form – und meint damit sich und seine Ehefrau.

Morten Keller, der Schatten-Gesundheitsminister? Vielleicht.

Jedenfalls trägt seine Frau ihre Haltung nachdrücklich in die Regierung: Nach der ersten Welle gehörte sie zu den Befürwortern der Lockerungen vom 6. Juni. Die Obergrenze von 300 Personen in Clubs und 1000 Personen bei Sportanlässen hatten ihr dem Vernehmen nach aber Bauchweh bereitet; geringere Teilnehmerzahlen wären ihr lieber gewesen. Zuvor hatte sie via «NZZ» die Bevölkerung gemahnt, dass «keine ausgelassenen Sommerferien» möglich sein würden.

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KKS strenger als Maurer und Parmelin

Vor zwei Wochen half sie, die Sperrstunde für Restaurants um 19 Uhr durchzusetzen. Maurer und Parmelin hatten erfolglos auf 21 Uhr bestanden.

Vergeblich geisselte die FDP am 10. Dezember per offenen Brief die bundesrätliche Linie als «nicht akzeptabel» – der Angriff war wohl auch an die eigene Magistratin gerichtet. Ex-SVP-Präsident Toni Brunner (46) schnödet derweil über die «schwache Bundesrätin». Die «Weltwoche» reibt sich an der «bürgerlichen Wackelkandidatin», fragt, was die ehemalige St. Galler Justizdirektorin und «rechtsfreisinnige Law-and-Order-Politikerin» dazu bringe, «im Bundesrat doch immer wieder mit den Linken zu paktieren».

Morten Keller kam 1992 als Gerichtsmediziner nach Zürich – und untersuchte Opfer der nationalen Tragödien der jüngeren Geschichte: die Drogenhölle am Bahnhof Letten bis 1995. Das Attentat im Zuger Kantonsparlament 2001. Der Tsunami in Thailand 2004.

«Als Gerichtsmediziner ist der Tod für mich allgegenwärtig», sagte er einmal einem Lokalblatt. Und ergänzte: «Beruflich wie auch privat, denn ich trage meine Erfahrungen immer mit mir.»

Jetzt steht er inmitten des Covid-19-Dramas.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hüllt er sich öffentlich in Schweigen. Er sei nur Angestellter, nicht politisch Verantwortlicher. Auch Bundesrätin Keller-Sutter will sich zu dieser Konstellation nicht äussern. Ihre Ehe sei Privatsache.

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