Wirtin Theres Lustenberger (92) musste den ersten Gast am Montag rausschicken
«Er war geimpft, hatte aber keinen Ausweis dabei»

Kaum eine Wirtin in der Schweiz hat so viele Jahre auf dem Buckel wie Theres Lustenberger (92). Seit 74 Jahren ist sie in der Gastrobranche tätig, seit über 66 Jahren führt sie das Restaurant Sonne in Benzenschwil AG. Blick hat sie besucht – und so einiges erfahren.
Publiziert: 13.09.2021 um 20:03 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2021 um 07:34 Uhr
Ralph Donghi

Sie ist seit 74 Jahren im Gastgewerbe tätig, führt seit 66½ Jahren das Restaurant Sonne in Benzenschwil AG und ist wohl die älteste Wirtin der Schweiz. Dennoch sagt Theres Lustenberger (92), als Blick sie am Montag besucht, ganz bescheiden: «Das ist doch nicht der Rede wert.»

Der Rede wert ist Lustenberger aber die Zertifikatspflicht, die nun unter anderem in Beizen gilt. Die Wirtin sagt lachend: «Ich muss tatsächlich jeden Gast kontrollieren, ob er das Zertifikat hat und den Namen mit seinem Ausweis vergleichen.» Den ersten Gast am Montag habe sie gar rausschicken müssen. «Er war geimpft, hatte aber keinen Ausweis dabei.»

«Viele Gäste verstehen die Welt nicht mehr»

Lustenberger sagt, sie habe bereits gemerkt, dass weniger Leute in ihre Beiz kommen. Es sei eine Zweiklassengesellschaft spürbar. «Viele Gäste verstehen die Welt nicht mehr.» Sie selber findet: «Diese Kontrollen sind zeitaufwendig, diskriminierend und sehr unangenehm. Für mich und meine Gäste.» Es tut ihr im Herzen weh, dass einige Gäste nun draussen sitzen und andere drinnen.

Theres Lustenberger (92) ist seit 66½ Jahren Wirtin des Restaurants Sonne in Benzenschwil AG.
Foto: Ralph Donghi
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Dennoch: Lustenberger will nicht jammern. Zu viel hat sie erlebt in der Gastronomie. Nach einer Lehre mit 18 Jahren als Saaltochter in einem Hotel auf der Melchsee-Frutt OW habe sie dort in der Küche neben dem Chef kochen können. «Danach war ich an verschiedenen Orten im Gastgewerbe tätig», erzählt sie. «Ich habe immer serviert. Bis ich hierher nach Benzenschwil kam.» Anfangs habe sie das Restaurant mit ihrem Mann geführt – «doch nach 30 Jahren verstarb er».

Starkoch Anton Mosimann kam zum Zmittag

Seither führt Lustenberger die Sonne alleine. Sie bedient die Gäste, kocht, kassiert – und putzt abends auch noch selber. Ausser Dienstag und Mittwoch, wenn Ruhetag ist. «Inzwischen brauche ich wegen meines Alters manchmal Personal und Familienmitglieder, die mir helfen.» Ganz stolz sagt die Wirtin: «Ich habe sieben Kinder, 18 Enkelinnen und Enkel sowie 10 Ur-Grosskinder. Herrlich…» Der 92-Jährigen verschlägt es fast die Sprache. Diese hat sie beinahe auch verloren, als Starkoch Anton Mosimann (74) im August bei ihr auftauchte und ihre beliebten «Chuttle» genoss. Sie schwärmt: «Dieses Erlebnis war gewaltig.»

Wirtin schaut mit Humor, Wille und Optimismus nach vorne

An den Corona-Lockdown möchte sie am liebsten gar nicht mehr zurückdenken. «Es war eine sehr unangenehme Situation», sagt Lustenberger. Aber: «Man musste sich einfach damit abfinden.»

Heute will Lustenberger trotz der erneut schwierigen Situation nach vorne schauen. Mit ihren Schlagwörtern für ein langes Leben: Humor, Wille und Optimismus. Deshalb hält sie die Auflagen bei den Zertifikats-Kontrollen ein. Sie hat sich auch impfen lassen. «Ich musste dänk», erklärt sich die Sonne-Wirtin grinsend. Sie ist froh, dass sie «keine Nebenwirkungen» hatte und sie hinter sich hat.

Hinter sich haben möchte Lustenberger auch die Zertifikatspflicht. «Ich wünsche mir, dass sie baldmöglichst aufgehoben wird sowie die friedliche und einfache Zeit zurück», sagt sie. «So wie wir es gewohnt waren. Jahrelang.»

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