Wegen Corona sagten schon vier Spitäler den Operationstermin von Ruth Gyger (51) ab
«Was, wenn ich einen bösartigen Tumor habe?»

Ruth Gyger leidet an einem Kubitaltunnelsyndrom – starke Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sind die Folge. Eine Operation wäre nötig – doch wegen der corona-bedingten Überlastung der Spitäler wird ihr Leiden derzeit operativ nicht behandelt.
Publiziert: 10.12.2020 um 07:15 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2020 um 15:15 Uhr
Flavio Razzino

Planbare Eingriffe verschieben! – das Bundesamt für Gesundheit fordert dies seit Ausbruch der zweiten Corona-Welle immer wieder. Schliesslich laufen viele Spitäler in der Schweiz wegen der immer noch zunehmenden Zahl an coronabedingten Intensivbehandlungen am Limit. Zudem fällt Personal aus, weil es sich mit dem Coronavirus angesteckt hat – oder wegen Kontakt mit Infizierten in Quarantäne muss.

Was das für einen Patienten bedeuten kann, wenn Spitäler plötzlich gewisse Krankheiten nicht mehr operativ behandeln können, bekommt Ruth Gyger (51) aus Spiez BE zu spüren.

Sie leidet seit Monaten an einem sich verschlimmernden Kubitaltunnelsyndrom. Nerven in ihrem Ellbogen werden eingeengt, was zur Folge hat, dass Gyger das Gefühl in ihren Fingern verliert und auch Schmerzen hat. Arztberichte zeigen: Ein operativer Eingriff ist nötig – theoretisch könnte nämlich auch ein Nerventumor Auslöser der Beschwerden sein.

Ruth Gygers Operation gehört wie viele andere auch zu den planbaren Eingriffen, die derzeit verschoben werden können. «Ich hatte einen Termin im Oktober im Spital Thun, der wurde dann aber gestrichen», sagt Gyger.
Foto: Peter Gerber
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Termin im Oktober abgesagt

Doch: Ruth Gyger wird nicht operiert. Das Behandeln eines Kubitaltunnelsyndroms gehört wie viele andere Probleme zu den planbaren Eingriffen, die derzeit verschoben werden sollen. Schon viermal wurde sie vertröstet. Giger zu ihrer Odyssee: «Ich hatte einen Termin im Oktober im Spital Thun, der wurde dann aber gestrichen.» Weil sie weiter Angst hat, versucht sie, im Inselspital in Bern einen Operationstermin zu bekommen. «Doch auch dort sagte man mir, dass sie aktuell einen solchen Eingriff nicht machen könnten.» Dieselbe Antwort erhält die Spiezerin auch beim Spital Sonnenhof in Bern.

«Ich verstehe, dass wegen Corona die Spitäler am Limit sind. Mir macht das Ganze aber trotzdem Angst, weil ein Tumor ja nicht ausgeschlossen ist – und ich leide zudem unter meinen Beschwerden. Da kann ich mir nicht vorstellen, bis in den Frühling zu warten, bis man mich behandelt», so Gyger.

Kurzzeitig sah es so aus, als ob sie doch noch Glück gehabt hätte. Denn ein Handchirurg im Spital Interlaken BE erkennt, dass Gygers Beschwerden nicht warten können – und gibt ihr einen Operationstermin für den 26. November. «Ich war so froh, als ich diesen Termin bekommen habe», sagt sie. Nur: Einen Tag später bekommt sie die Info, dass der Operationstermin verschoben werden müsse. Grund: Auch im Spital Interlaken herrscht Personalmangel. «Da hat es mich zusammengelegt! Ich bin nervlich am Ende», sagt Gyger, die beim Termin mit BLICK immer wieder Mühe hat, ihre Tränen und ihre Verzweiflung zu verstecken.

Fast alle Intensivbetten in Bern belegt

Fakt ist bis heute: Die Situation in den Spitälern ist weiter angespannt. Das Spitalamt des Kantons Bern hat die Spitäler des Kantons darum aufgefordert, sich auf die Phase «Orange» vorzubereiten. «In dieser Phase werden die Aufgaben der Spitäler neu geordnet. Die Verfügbarkeit von Normal- und Intensivbetten wird weiter erhöht. Damit diese Kapazitäten frei werden, müssen alle planbaren Eingriffe verschoben werden, wenn dies medizinisch vertretbar ist», schreibt die Berner Gesundheitsdirektion erst Mitte November in einer Mittelung.

Gyger bleibt also nichts anderes übrig, als zu beten und zu hoffen, dass sie in diesem Jahr noch einen OP-Termin bekommt.

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