Wo die grosse Welt ganz klein ist
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Familiengärtnerverein Zofingen:Wo die grosse Welt ganz klein ist

Während der Coronakrise sind Schrebergärten ein willkommener Rückzugsort
Wo die grosse Welt ganz klein ist

Es sind kleine Oasen. Rückzugsorte. Und wichtig für den sozialen Kontakt. Während der Corona-Krise sind Schrebergärten vor allem bei Senioren beliebter denn je. BLICK hat sich in Zofingen AG umgehört.
Publiziert: 31.03.2020 um 13:58 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2020 um 09:49 Uhr
Ralph Donghi

Es ist eine schwierige Zeit. Besonders für ältere Leute. Denn sie sollten wegen des Coronavirus zu Hause bleiben. Doch was macht man, wenn man an die frische Luft will, aber keine Kraft für Spaziergänge und keinen eigenen Garten hat?

Die Lösung heisst: Schrebergarten! Wer einen hat, kann sich glücklich schätzen. Wie die Mieter der 98 Parzellen des Schrebergartens an der Unteren Brühlstrasse in Zofingen AG (11 500 Quadratmeter gross). «Wir haben hier eine grüne Oase, wo man sich zurückziehen kann. Ohne, dass man in eine Menschenmenge gehen muss», freut sich Gustav Goldschmidt (79), der Präsident des Familiengärtnervereins.

Alle Schrebergärten sind vergeben

Der Rentner aus Strengelbach AG besitzt selbst zwei Schrebergärten auf dem Areal, das seit 2011 bewirtschaftet wird. Wie alle anderen muss auch er (je nach Grösse der Parzelle) Miete bezahlen: «Bei mir sind es circa 400 Franken im Jahr, inklusive Strom und Wasser.»

Gustav Goldschmidt (79), Präsident des Familiengärtnervereins in Zofingen AG.
Foto: Ralph Donghi
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Die Schrebergärten boomen. Alle seien vermietet, so Goldschmidt. Es gäbe gar Wartelisten: «Man muss heutzutage Geduld haben, wenn man einen will.» Aber wenn man dann einen habe, sei es umso schöner. Mit Liebe wird das Stück Land mit individuellen Hütten bebaut, man lerne Nachbarn aus über einem Dutzend Nationen kennen, könne Blumen, Gemüse oder einfach nur die Ruhe geniessen, und wer will, natürlich seinen Grillkünsten frönen. Einzig das Übernachten in den Häuschen sei verboten. Noch besser: «Wir hatten hier noch nie Streit unter all den Nationalitäten. Im Gegenteil, wir integrieren hier sogar.»

Präsident geht Arbeit nicht aus

Natürlich würden wegen der Corona-Krise auch hier die Auflagen des Bundes gelten. Goldschmidt: «Es weiss ja mittlerweile jeder, dass man Abstand halten muss.» Zudem dürfe man sich im Moment nicht im Vereinslokal auf dem Areal treffen.

Dennoch geht Goldschmidt als Präsident die Arbeit nicht aus: «Es kommen immer wieder Fragen von Mietern zum Anpflanzen oder zur Bauerei.» Für ihn selber sei wichtig, dass er im Alter eine sinnvolle Beschäftigung habe und nicht nur daheimsitze: «Ja, im Sommer bin ich mehr hier als zu Hause.»

Beliebte Oase

Nebst ganz normalen Schrebergärten-Vereinen, wie in Zofingen AG, gibt es in der Schweiz auch Vereine, die einem Verband angehören. Die meisten Schrebergärten zählt der Schweizer Familiengärtner-Verband mit knapp 21 900 Parzellen. «Auf denen bewegen sich gut 70 000 Personen», sagt Verbandspräsident Otmar Halfmann (67). Er bestätigt, dass es zurzeit viele Interessenten für Parzellen und gar Wartelisten gebe. Auch er hat wegen der Coronavirus-Krise einen «Verhaltenshinweise» für seine Mitglieder erstellt. Darin merkt er an, dass die Weisungen und Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit «eindeutig» seien. Heisst: Abstand halten und Hygienevorschriften einhalten. Zudem muss jedes Areal prüfen, welche Gemeinschaftseinrichtungen zu regeln oder gar zu schliessen sind. Aber, so Halfmann: «Wir sind in der glücklichen Lage, weiterhin unseren Freizeitaktivitäten nachgehen zu können!» Ralph Donghi

Otmar Halfmann (67), Präsident Schweizer Familiengärtner-Verband.

Nebst ganz normalen Schrebergärten-Vereinen, wie in Zofingen AG, gibt es in der Schweiz auch Vereine, die einem Verband angehören. Die meisten Schrebergärten zählt der Schweizer Familiengärtner-Verband mit knapp 21 900 Parzellen. «Auf denen bewegen sich gut 70 000 Personen», sagt Verbandspräsident Otmar Halfmann (67). Er bestätigt, dass es zurzeit viele Interessenten für Parzellen und gar Wartelisten gebe. Auch er hat wegen der Coronavirus-Krise einen «Verhaltenshinweise» für seine Mitglieder erstellt. Darin merkt er an, dass die Weisungen und Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit «eindeutig» seien. Heisst: Abstand halten und Hygienevorschriften einhalten. Zudem muss jedes Areal prüfen, welche Gemeinschaftseinrichtungen zu regeln oder gar zu schliessen sind. Aber, so Halfmann: «Wir sind in der glücklichen Lage, weiterhin unseren Freizeitaktivitäten nachgehen zu können!» Ralph Donghi

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Daheim keinen Garten

Da ist er nicht alleine. Auch Susi (67) und Hans Leibundgut (71) aus Oftringen AG haben seit 2011 einen Schrebergarten auf dem Areal. Das Rentnerehepaar: «Wir haben daheim keinen Garten und sind froh, dass wir hierherkommen können.»

Es laufe immer etwas. Man könne etwas Grünes zum Zmittag holen, ein Brot backen – oder mit einem Nachbarn zusammensitzen und plaudern. «Natürlich mit Abstand», sagt Hans Leibundgut. Man wasche sich zurzeit zudem die Hände regelmässig. Seine Frau ergänzt: «Das Spezielle ist, dass man hier einfach sein kann und nicht abhängig ist von etwas anderem.»

Geliebter Rückzugsort

Das sehen Heidi (71) und Oskar Oggenfuss (74) aus Zofingen genauso. Sie haben im vierten Jahr einen Schrebergarten. «Wir hätten daheim zwar eine Dachterrasse», so die Ehefrau. «Doch im Sommer ist es dort zu heiss und zu windig. Deshalb sind wir froh, dass wir uns hierher zurückziehen können.»

Zudem sei das Ansteckungsrisiko auch nicht so gross, da man zum Nachbarn Abstand habe. Dies sei gut für ihren Mann. Denn, so Oskar Oggenfuss: «Ich habe eine Vorerkrankung und bin ein Risikopatient.» Dennoch fühle er sich hier in Sicherheit: «Die meisten Nachbarn um uns herum sind unter der Woche ja bei der Arbeit.»

Positiv für die Zukunft gestimmt

Heidi (65) und Peter Straumann (70) aus Zofingen geniessen ihren Schrebergarten seit Jahrzehnten. «Weil wir eine Blockwohnung haben, haben wir schon seit 1980 einen», sagt der Senior stolz. «Er ist eine gute Alternative zu einem Garten.» Und wie sich jetzt zeige, könne man in einer solchen Situation ausweichen und müsse nicht daheimsitzen. Straumann: «Es gibt sicher ältere Leute, die können jetzt gar nicht raus. Wir haben hier jedoch einen perfekten Ort für uns gefunden.»

Einziger Wermutstropfen: Der Kontakt zu ihren Kindern und Enkelkindern sei für sie im Moment schwierig. Heidi Straumann sagt leise: «Sie kommen sonst immer, geben Omi und Opi ein Müntschi und drücken einen.» Dass dies jetzt nicht möglich sei, tue ihr weh. Aber: «Auch diese Zeit geht vorbei. Und ich freue mich, wenn ich meine Kinder und Enkel wieder in die Arme schliessen kann.»

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