Paris-Trip für Mama, Skiferien in Österreich und Hunde-Futter
So verprasste Thomas N. das Geld seiner Opfer

Seit dem Vierfach-Mord in Rupperswil AG im Dezember 2015 fragt sich die Schweiz: Was ist im Haus im Spitzbirrli-Quartier wirklich passiert? Jetzt enthüllt die Anklageschrift die schockierenden Details.
Publiziert: 12.03.2018 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:05 Uhr
Wurden in ihrem eigenen Haus ermordet: Carla Schauer (Mitte, †48) mit ihren beiden Söhnen Davin (l., †13) und Dion (r., †19).
Foto: ZVG
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Nicole Bruhin

Einen Tag vor Beginn des Prozesses zum Vierfachmord von Rupperswil AG hat das Bezirksgericht Lenzburg die Anklageschrift veröffentlicht. Nun ist klar: Am 21. Dezember 2015 verschaffte sich Thomas N. mit einer List Zutritt in das Haus der Familie Schauer im Spitzbirrli-Quartier in Rupperswil AG. Er gab sich als Schulpsychologe Dr. Sebastian Meier aus. Dafür hatte er sich eine Visitenkarte auf seinem Computer hergestellt.

Zudem wies er ein falsches Schreiben der Kreisschule Buchs-Rohr vor, welches über einen durch Mobbing hervorgerufenen Suizid einer Schülerin an der Schule von Davin berichtete. Dieser sollte deshalb von einem Psychologen zuhause betreut werden.

Die Anklageschrift beruht auf den Aussagen des Täters Thomas N. Sie enthüllt die grausamen Details zum Vierfach-Mord in Rupperswil AG. Bei dem Thomas N. Carla Schauer (†48) und ihre beiden Söhne Davin (†13) und Dion (†19) und dessen Freundin Simona F. (†21) brutal tötete.

Mutter liess Sohn mit Thomas N. in der Küche

Mutter Carla Schauer liess Thomas N. gegen acht Uhr morgens ohne Umschweife ins Haus. Sie soll über den Suizid-Vorfall an Davins Schule tief getroffen gewesen sein. Gemäss der Anklageschrift habe sie ihm einen Kaffee angeboten und Davin in die Küche geholt. Daraufhin liess sie die beiden allein und ging hoch in den ersten Stock. Dort frisierte sie sich im Bad. Thomas N. habe sich in dieser Zeit mit Davin unterhalten.

Dann packte N. das Messer aus und hielt es Davin an die Kehle. Er fesselte den Jungen mit Kabelbindern. Anschliessend zwang er Carla Schauer, ihren anderen Sohn Dion und dessen Freundin Simona F. in ihrem Zimmer zu fesseln und mit dem Klebeband zu knebeln. N. sammelte daraufhin alle Handys ein. Dann wurde auch Carla Schauer gefesselt.

N. unterhielt sich mit dem gefesselten Davin in seinem Zimmer über Fussball. Dann klingelte die Haustür. Die Nachbarin wollte den Hund abholen. Schauer übergab diesen an die Frau, welche gleich wieder mit dem kleinen weissen Hund aus dem Haus ging, ohne Verdacht zu schöpfen.

Schauer musste für N. über 10'000 Franken abheben

Thomas N. wollte Geld. Er schickte Schauer deshalb zur Bank. Sie solle durchatmen und gelassen wirken, sagte er der Mutter. Er wies sie an, die Beträge an verschiedenen Banken abzuheben. Die Frau musste die Beträge an einem Bankautomaten in Rupperswil und bei der Aargauischen Kantonalbank in Wildegg in der Filiale direkt abholen. Als Grund sollte sie einen Gebrauchtwagen-Kauf als Geburtstagsgeschenk für ihren Sohn nennen.

Der Täter liess die Familie im Glauben, dass alle wieder gut werde, wenn sie nur mit dem Geld ankomme. Thomas F. sagte der Mutter: «Es geht nur ums Geld.» Er machte ein Foto von Schauer und gab an, dieses an einen Komplizen zu schicken, der bei der Bank warten werde. Er tat so, als würde er das Bild verschicken. Löschte dieses jedoch gleich wieder auf seinem Handy. Zu Schauer sagte er, dass sie noch einen Moment warten müsse, da der Komplize erst den Namen der Bank nennen müsse.

Diesen Komplizen gab es jedoch nicht. Den Übergabeort für das Geld wollte er der Frau zuhause auf Papier hinterlassen. Und dann mit Sohn Davin als Geisel an dem Ort auftauchen.

Während Schauer unterwegs war, ging Thomas N. mit Davin allein aufs Zimmer. Dort dachte er gemäss der Anklageschrift darüber nach, sich erstmals an dem Jungen zu vergehen – schob es aber auf.

Carla Schauer kam nach ungefähr 30 Minuten wieder zurück. Es gab keinen Zettel mit der Übergabeadresse – denn Thomas N. war immer noch im Haus.

Schauer übergab N. 10'850 Franken und wurde erneut gefesselt.

Dann ging Thomas N. erneut mit dem 13-jährigen Davin auf sein Zimmer. N. zwang Davin während rund 30 Minuten mit dem Messer zu sexuellen Handlungen und fotografierte und filmte sich dabei mit ihm. Anschliessend musste der Bub in Bauchlage aufs Bett liegen. N. band seine Arme auf dem Rücken mit Kabelbindern zusammen. Aufgrund der in der Anklageschrift beschriebenen Brutalität verzichtet BLICK auf detaillierte Schilderungen des Missbrauchs.

Sohn Dion (†19) und seine Freundin starben zuerst

In der Zwischenzeit konnte sich Bruder Dion befreien. Fast hätte er es geschafft, doch just in dem Moment wollte Thomas N. seine Geiseln kontrollieren. Dion hatte keine Chance, er lief N. geradewegs in die Arme. Zurück in seinem Zimmer, schnitt N. dem 19-Jährigen vor seiner Freundin die Kehle auf und trennte ihm die Daumenkuppe ab. Dann musste auch sie sterben.

Thomas N. ging in den unteren Stock ins Zimmer von Carla Schauer. Auch ihr schnitt er die Kehle durch.

Zuletzt ging er in Davins Zimmer. Auch ihm schnitt Thomas N. ohne Umschweife die Kehle durch. Danach wusch er sich seine blutigen Hände im Bad im ersten Stock. Das Messer versorgte er wieder in der Originalverpackung.

Mit Fackelöl begoss der Täter alles, was brennbar war, ebenso die toten Körper. Insgesamt leerte er sechs Flaschen Fackelöl. Dann zündete er Bett und Sofa im zweiten Stock an. Sowie die Polstergruppe und eine Lampe im Erdgeschoss.

Geld verprasste er für teure Markenkleider und Skiurlaub in Österreich

Um etwa elf Uhr verliess Thomas N. das Haus und ging zu Fuss nach Hause. Er wohnte bei seiner Mutter in der Nähe des Tatorts in Rupperswil. Während die Feuerwehr versuchte, den Brand zu löschen, duschte er. Im Laufe des Nachmittags machte er mit seiner Mutter einen Spaziergang mit seinen zwei Husky-Hunden. Am Abend ging er mit zwei Kollegen nach Zürich ins Casino in den Ausgang.

Das Geld, welches die Frau an den Bancomaten abgehoben hatte, verwendete er für das Nachtessen in Zürich am Tag des Verbrechens. Mit dem Rest der Beute bezahlte N. Rechnungen, kaufte Futter für seine Hunde und eine Paris-Reise für den 60. Geburtstag seiner Mutter. Ausserdem leistete sich N. teure Markenkleider und verprasste einen Teil des Geldes in den Skiferien in Österreich.

In der Anklageschrift ist zudem zu lesen, dass Thomas N. die gefilmten und fotografierten sexuellen Handlungen mit dem dreizehnjährigen Davin immer wieder anschaute.

«Das Leben des Beschuldigten lief weiter, wie vor der Tat», heisst es weiter in der Anklageschrift.

N. plante bereits neue Taten

Thomas N. recherchierte vor seiner Verhaftung am 12. Mai 2016 im Starbucks in Aarau zu weiteren Morden. In seinem Notizbuch legte er Bilder möglicher Ziele ab, informierte sich über die Familiensituation und den Schulplan der Buben: «Di 7:40 alle zuhause, wach.» Für einen weiteren Fall war vorbereitet: Im schwarzen Rucksack, den er schon beim ersten Mordfall verwendete, packte er Kabelbinder, Brandmittel sowie eine Pistole. Den Rucksack stelle er in seinem Zimmer parat. Insgesamt fanden sich im Notizbuch die Fotos und Namen von 9 weiteren Jungen im Alter von 11 bis 15 Jahren.

Die Polizei fand zudem 1004 Pädo-Videos und 10'489 Pädo-Bilder auf der Harddisk von Thomas N.. Allesamt aus dem Internet heruntergeladen.

Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau klagt Thomas N. unter anderem wegen mehrfachen Mordes, mehrfacher räuberischer Erpressung, mehrfacher Freiheitsberaubung, mehrfacher Geiselnahme, mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind, mehrfacher sexueller Nötigung, Brandstiftung sowie mehrfacher strafbarer Vorbereitungshandlungen an.

Thomas N. muss sich vor Gericht aber auch wegen mehrfacher Pornografie verantworten. Die Untersuchungsbehörden konnten auf den diversen beschlagnahmten elektronischen Geräten des Beschuldigten umfangreiches kinderpornografisches Material sicherstellen, das er zuvor aus dem Internet heruntergeladen hatte.

* Namen der Redaktion bekannt

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