Psychologe spricht von «Riesenskandal»
Zwei Zürcher missbrauchen Mädchen (13) – mit Busse bestraft

Ein minderjähriges Mädchen wurde im Abstand von drei Monaten von zwei deutlich älteren Männern missbraucht. Die Männer kassierten lediglich eine Geldstrafe. Für Psychologe Thomas Spielmann ist das milde Urteil unverständlich. Das Strafrecht sieht es differenzierter.
Publiziert: 07.01.2022 um 19:22 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2022 um 12:35 Uhr

Vier Mal traf sich ein heute 30-jähriger Zürcher im Mai 2021 mit einem damals 13-jährigen Mädchen aus dem Aargau. Der Mann holte sie mit dem Auto ab und fuhr mit ihr zu einem nahe gelegenen Waldstück. Nachdem es mehrmals zu sexuellem Missbrauch kam, brachte er das Mädchen zurück, wie «Argovia Today» berichtete. Gemäss Strafbefehl hätte der Mann merken müssen, dass das Mädchen erst 13 Jahre alt war. Er handelte jedoch «in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt».

Drei Monate später wurde das Mädchen erneut von einem älteren Mann sexuell ausgebeutet – wieder von einem Zürcher (38). Auch hier war das Vorgehen praktisch identisch: Der Mann holte das Mädchen ab und fuhr mit ihr zum nahe gelegenen Waldstück. Dort kam es zu sexuellen Handlungen. Nachdem der Mann das Mädchen während etwa 20 Minuten mit einem Lederriemen stimuliert hatte. Sie befriedigte ihn anschliessend oral.

Männer wohnen zehn Minuten voneinander entfernt

Recherchen des Onlineportals Argovia Today zeigen, dass die Männer knapp zehn Autominuten voneinander entfernt wohnen. Ob sie sich gekannt und die Nummer des Mädchens untereinander ausgetauscht hatten, darf die Staatsanwaltschaft nicht bekanntgeben.

Im Frühling wurde eine 13-Jährige von zwei älteren Männern im Abstand von drei Monaten im Wald sexuell ausgebeutet.
Foto: pixababy
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Da die Taten per Strafbefehl geklärt wurden, gab es keinen Prozess vor Gericht. Der 30-Jährige kam mit einer Busse in der Höhe von 1300 Franken sowie einer bedingten Geldstrafe davon. Er musste zudem die Gebühren für den Strafbefehl übernehmen. Genau wie der 38-Jährige, der eine Busse von 1000 Franken sowie eine bedingte Geldstrafe kassierte.

Psychologe spricht von einem «Riesenskandal»

Für den Aargauer Psychologen Thomas Spielmann sind die vergleichsweise milden Strafen nicht nachvollziehbar. Auch dann nicht, wenn davon ausgegangen wurde, dass das Mädchen freiwillig mitgemacht hat. «Das wäre ein Riesenskandal», sagt Spielmann gegenüber dem Onlineportal.

«Das Mädchen befindet sich noch im Schutzalter. Das Gesetz ist klar und kann nicht durch Aussagen seitens des minderjährigen Kindes verändert werden.» Der Zweck des Schutzalters liege genau darin, Kinder, welche noch nicht genug entwickelt sind, vor sexueller Ausbeutung zu bewahren.

Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren

Der auf Strafrecht spezialisierte Anwalt David Gibor widerspricht dem Psychologen. «Unser Strafrecht ist grundsätzlich ein Schuldstrafrecht. Es geht primär nicht um Rache und Vergeltung, sondern um die Frage, welches Unrecht eine beschuldigte Person mit ihrer Tat begangen hat», sagt er zu Blick. Um dies herauszufinden, werde im Rahmen eines Strafverfahrens nach Beweismitteln gesucht. Um die Schwere des Verschuldens herausfinden zu können, werde unter anderem danach geforscht, was der «Täter» hinsichtlich der Tat und der Tatumstände wusste und was er mit seinem Handeln erreichen wollte. «Wenn die Beweislage ergibt, dass die beschuldigte Person sich über relevante Umstände der Tat irrte, wird diese Person zwingend nach dem Sachverhalt beurteilt, den sie sich bei der Tat vorgestellt hat», sagt Gibor. Dies sei im Strafgesetzbuch ganz allgemein und im Sexualstrafrecht nochmals besonders geregelt.

«Offenbar konnte den beiden Beschuldigten nicht nachgewiesen werden, dass sie wussten, dass das Mädchen unter 16 Jahre alt war. Es konnte ihnen einzig zur Last gelegt werden, dass sie hinsichtlich des Alters des Mädchens nicht vorsichtiger waren und nicht näher abklärten, ob es wirklich schon 16 Jahre alt war», erklärt der Antwalt. Das Strafrecht sehe für diesen Sonderfall mangelnder Sorgfalt bei der Abklärung des Alters eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. «Die Verletzung der Vorsichtspflichten hielt die Staatsanwaltschaft im konkreten Fall offensichtlich für eher gering und sprach deshalb bloss eine Geldstrafe aus.» Diese Strafe sei also kein «Riesenskandal», sondern Ausdruck eines strafprozessualen Beweisergebnisses.

In der Schweiz gelten jegliche sexuelle Handlungen mit unter 16-Jährigen als sexueller Missbrauch. Dazu gehören Geschlechtsverkehr, Analsex und Oralverkehr ebenso wie Berührungen des Geschlechts oder der Brust.

Aufgeflogen ist die sexuelle Ausbeuteung des 13-jährigen Mädchens durch die beiden Männern nach eine Strafanzeige. Wer diese einreichte, ist nicht bekannt. (gin)

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