Mengenrabatte und Angstmacherei
So schamlos werben Schweizer Kliniken für Schönheits-OPs

Schweizer Chirurgen wecken Sehnsüchte nach dem perfekten Körper und offerieren Preisnachlässe bei Mehrfach-Eingriffen.
Publiziert: 22.06.2019 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:04 Uhr
Thomas Schlittler

In der Schweiz legen sich Schätzungen zufolge 100'000 Menschen pro Jahr aus ästhetischen Gründen unters Messer. Und Schönheitschirurgen treten gerne als Wohltäter auf, die ihren Mitmenschen zu einem besseren Leben verhelfen: Der Wunsch nach einem Eingriff komme von den Patienten – sie als Chirurgen seien nur Mittel zum Zweck.

Das Marketing einiger Schweizer Schönheitskliniken straft dieses Selbstbild Lügen. Auf Social-Media-Plattformen versprechen diese Kliniken nicht Abhilfe bei tief sitzenden Problemen mit dem eigenen Erscheinungsbild – vielmehr wecken sie die Sehnsucht nach dem perfekten Körper.

Sie tun dies mit frauenverachtenden Bildern und einer Sprache, die vermuten lässt, es gehe um den Verkauf von Autos und nicht um einen operativen Eingriff, der die körperliche Unversehrtheit verletzt.

Natalie* hat sich in der Türkei die Nase machen lassen.
Foto: Siggi Bucher
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Operation wegen Druck

Die Aargauer Schönheitsklinik Aesthea mahnt die Frau zum Beispiel: «Denk dran: der Bikini-Body vom Sommer 2019 wird bereits im Winter gemeisselt.» Oder: «Höchste Zeit für einen Knackpo!» Kein Körperteil wird ausgelassen: «Schön bis ins kleinste Detail! Ob von Natur aus oder nach einer Geburt – immer mehr Frauen wünschen sich auch im Intimbereich ein Aussehen genau nach ihren Vorstellungen.»

Jean-Daniel Strub (43), ehemaliger Geschäftsleiter der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, beurteilt dies kritisch: «Solche Marketingmassnahmen erhöhen den Druck, unserem heutigen Schönheitsideal zu entsprechen.»

Es bestehe die Gefahr, dass sich einige wegen des Drucks, der Norm zu entsprechen, operieren liessen statt aufgrund einer wirklich freien Entscheidung. Strub: «Für Ärzte gilt die ethische Anforderung, dies zu verhindern.»

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Bemerkenswerte Preisgestaltung

Die Schönheitsklinik Aesthea wollte sich gegenüber SonntagsBlick nicht zum Thema äussern. Die Lucerne Clinic wiederum, die auf ähnliche Art auf Kundenfang geht, kann die Kritik nicht nachvollziehen. «Wir vertreten keine Schönheitsideale, sondern helfen unseren Patienten, die nicht zufrieden sind mit ihrem Körper», schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Die Erfahrung zeige, dass Patienten nach dem Eingriff nachhaltig zufriedener seien. Und weiter: «Bei unserer Kommunikation setzen wir primär auf Content, welcher einen Mehrwert im Informa­tionsprozess bietet.»

Doch nicht nur das Marketing einiger Kliniken wirft die Frage auf, ob in der Schweiz Fehlanreize für Schönheitsoperationen gesetzt werden. Auch die Preisgestaltung ist teilweise bemerkenswert.

Eine junge Frau berichtet SonntagsBlick, dass sie sich in einer Klinik in der Ostschweiz über eine Nasenoperation habe informieren lassen. Als sie sagte, dass ihr der Preis von 10'000 Franken zu hoch sei, bot ihr der Chirurg an, für den gleichen Betrag ein weiteres Körperteil zu operieren, zum Beispiel die Brüste.

Mengenrabatt für mehr als eine Operation am selben Tag

Mark Nussberger weiss, dass solche Mengenrabatte angeboten werden. Der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Aesthetische Chirurgie (SGAC) sagt: «Davon hört man viel. Es ist verwerflich, weil das pekuniäre Interesse im Vordergrund steht und nicht das ärztliche Handeln.» Namentlich nennen will Nussberger aber keines der «schwarzen Schafe».

Brisant ist, dass auch die Lucerne Clinic, eine der bekanntesten Schönheitskliniken der Schweiz, Mengenrabatte anbietet. Wer mehr als eine Operation am selben Tag vornimmt, spart beim Zusatzeingriff bis zu 2000 Franken.

Werden dadurch nicht falsche Anreize gesetzt?

Die Verantwortlichen sehen das nicht so: «Die Lucerne Clinic steht für faire und transparente Preise.» Wenn bei Kombinationseingriffen Synergien bei der Nutzung des Operationssaals erzielt würden, gebe man diese Vorteile weiter. «Somit können wir einige Leute von Operationen im Ausland abhalten und ihnen ein sicheres Umfeld gewähren.»

Den Ethiker Jean-Daniel Strub überzeugt diese Argumentation nicht: «Preisnachlässe bei operativen Eingriffen sind problematisch, wenn sie den Anreiz setzen, ein gesundheitliches Risiko einzu­gehen.»

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