Lesen Sie mal, womit sich Schweizer Gerichte herumschlagen
Der Grill, der Stein, und die ruinierte Frisur

Der Fall ist an Absurdität kaum zu überbieten. Ein Nachbarschaftsstreit endete vor Gericht – dabei ging es nur um ein bisschen Wasser.
Publiziert: 19.09.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 18:50 Uhr
Begossen: So sah die «kunstvolle Frisur» der Nachbarin nach der Wasserattacke aus.
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Von Romina Lenzlinger

Laut Anklage soll Ruggero Tomarchio (44) aus Embrach ZH seiner Nachbarin Monika B.* mit dem Gartenschlauch «vorsätzlich» ins Gesicht gespritzt haben. Vergangene Woche stand er deshalb vor dem Bezirksgericht Bülach ZH. Der Angeklagte sagt: «Das war Notwehr. Sie wollte mich töten.»

Der Streit eskalierte Ende Mai 2014. Tomarchio, der bei seinen Kindern und der Ex-Freundin in Embrach zu Besuch ist, feuert um 19.10 Uhr im Parterre den Grill ein. Doch noch bevor der Rauch aufsteigt, rümpft das Ehepaar B. im ersten Stock des Mehr­familienhauses die Nasen. Ralf B.* bittet Tomarchio, den Grill zu löschen und verweist auf die neue Hausordnung. To­marchio glaubt ihm nicht und verlangt einen Beweis. «Er hat ja selbst einen Grill auf dem Balkon, da konnte das mit dem Verbot gar nicht stimmen», erklärt der Lifttechniker dem Richter.

Doch mit dem Ehepaar B. ist nicht zu spassen. Rolf B. nimmt die Sache selbst in die Hand, greift zur Giesskanne und schüttet das Wasser direkt auf den Grill. Darauf droht Tomarchio: «Das hat ein Nachspiel, wir sehen uns vor Gericht!»

Jetzt mischt sich auch Frau B. ein. «Sie rastete komplett aus, beschimpfte mich als Idio­ten und schmiss Blumen, Erde und Kieselsteine.» Tomar­chio versucht, ruhig zu bleiben und giesst Blumen. Doch seine Nachbarin wird immer wilder. Sie nimmt einen vier Kilo schweren Stein und zielt auf ihn. «Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig abdrehen», sagt er. Als Tomarchio wieder hochschaut, hält sie bereits den zweiten Stein (1,34 Kilo) in den Händen. Blitzschnell dreht der Fami­lienvater den Wasserschlauch voll auf und richtet den Strahl auf seine Nachbarin. «Ich zielte ihr direkt auf die Nase und traf mitten ins Gesicht», sagt er. Für Tomarchio ist klar: «Ich musste mich verteidigen.» Trotzdem war er derjenige, der nun auf der Anklagebank sass. Denn: Schon das Zerzausen einer «kunstvollen Frisur» kann als Tätlichkeit gelten (siehe Box).

Trotzdem sprach der Richter Tomarchio am Ende frei. Er könne zwar nicht mit Sicherheit sagen, dass seine Schilderungen zu «100 Prozent zutreffen». Doch es gilt: im Zweifel für den Angeklagten. Das Ehepaar B., das vor Gericht nicht anwesend war, ist empört. «Er lügt und verdreht alles», sagt B. zu BLICK. «Er hat uns bewusst provoziert und wartete nur darauf, dass er spritzen kann.»

* Name der Redaktion bekannt

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