Lauwarm-Sänger über Rasta-Debatte
«Wir schneiden die Dreadlocks nicht ab»

Die Band Lauwarm kann mit der Unterstützung aus rechten Kreisen nicht viel anfangen. An ihren Dreadlocks halten die Bandmitglieder aber fest.
Publiziert: 31.07.2022 um 00:52 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2022 um 09:28 Uhr
Interview: Camilla Alabor

SonntagsBlick: Der Abbruch des Konzerts in der Brasserie Lorraine hat bei vielen Empörung ausgelöst – aber auch eine Debatte über kulturelle Aneignung angestossen. Wie stehen Sie dazu?
Dominik Plumettaz: Ich finde es wichtig, über kulturelle Aneignung zu diskutieren. Auch wenn es natürlich schade ist, dass die Debatte wegen so eines Vorfalls stattfindet. Viele wissen nicht, worum es bei kultureller Aneignung geht, was dazu führt, dass gewisse Kommentare unter aller Sau sind und jene Leute beleidigt werden, die das Thema ernst nehmen. Das geht nicht.

Inzwischen sind mehrere Artikel dazu erschienen, warum es manche Menschen stört, wenn Weisse Dreadlocks tragen. Was sagen Sie dazu?
Wir können nachvollziehen, dass sich gewisse Menschen daran stören. Wir haben aber auch positives Feedback direkt aus Jamaika bekommen, dass es für sie total okay ist, wenn unsere Bandmitglieder Dreadlocks tragen. Unsere Bandmitglieder werden ihre Dreadlocks nicht abschneiden. Wir sind jetzt sicher sensibilisierter für das Thema. Aber wir sehen uns als Band, die sich von verschiedenen Kulturen inspirieren lässt. Und wir identifizieren uns auch mit Messages wie «It doesn’t matter if you’re black or white».

Derzeit bekommen Sie regen Zuspruch aus rechten Kreisen. So schreibt etwa ein Kommentator unter eines Ihrer Youtube-Videos, er höre «nur noch Lieder, die das woke Publikum zum Eskalieren bringen».
Wir distanzieren uns klar von solchen Kommentaren. Ich verstehe, dass die Leute emotional auf den Abbruch des Konzerts reagieren. Aber bevor man so etwas schreibt, sollte man sich überlegen, wie das bei den Betroffenen, bei People of Color, ankommt.

Gestern Samstag trat die Band Lauwarm am Paleggo Festival in Edlischwil SG auf. Der Eklat um den Konzertabbruch hat die Band ins Scheinwerferlicht katapultiert.
Foto: keystone-sda.ch
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Auch die Junge SVP ist auf den Zug aufgesprungen und lässt verlauten, die Brasserie Lorraine wegen «Rassismus gegen Weisse» anzuzeigen.
Die Junge SVP nutzt die Gunst der Stunde, um Wähler zu gewinnen; das ist total daneben. Es geht nicht um uns oder die Brasserie Lorraine, sondern um People of Color und das Thema Rassismus.

Hat es vonseiten der Konzertveranstalter Reaktionen gegeben auf den Vorfall in der Brasserie Lorraine: Gab es Absagen oder neue Anfragen?
Absagen hat es keine gegeben. Wir hatten zwei, drei Anfragen für Konzerte. Aber uns geht es nicht darum, die aktuelle Berichterstattung auszunutzen, wir wollen einfach Musik machen. Früher oder später werden wir uns auch aus der Debatte zurückziehen, denn es geht hier nicht um uns. Was wir versucht haben, ist zu vermitteln und Holz aus dem Feuer zu nehmen – und die Leute zusammenzubringen.

Was bedeutet kulturelle Aneignung?

Das Wort ist derzeit in aller Munde: kulturelle Aneignung. Doch was versteht man darunter? Im Prinzip geht es darum, dass sich die Mehrheitsgesellschaft bei einer Minderheit bedient und von deren Ideen und Kultur profitiert. Als Beispiel nennt Rassismusforscherin Jovita dos Santos Pinto (38) den US-Rockmusiker Elvis Presley, der Lieder von schwarzen Künstlern übernommen und damit Geld verdient habe: «Es waren dieselben Lieder, die, wenn sie schwarze Künstler spielten, als Lärm betitelt und nicht am Radio gespielt wurden.» Und, führt Pinto aus, es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen kultureller Aneignung und Kolonialismus: «Die Idee, an fremde Orte zu gehen und die Menschen, Länder und Ressourcen vor Ort zu besitzen, verkaufen und daraus Profit zu schlagen, ist Teil der kolonialen Logik.» Das betreffe nicht nur Rohstoffe, sondern auch die Kultur: «Man hat Lebensweisen abgewertet, zerstört und gleichzeitig Teile davon übernommen.» Kulturelle Aneignung und Enteignung müsse man zusammendenken, so Pinto.

Das Wort ist derzeit in aller Munde: kulturelle Aneignung. Doch was versteht man darunter? Im Prinzip geht es darum, dass sich die Mehrheitsgesellschaft bei einer Minderheit bedient und von deren Ideen und Kultur profitiert. Als Beispiel nennt Rassismusforscherin Jovita dos Santos Pinto (38) den US-Rockmusiker Elvis Presley, der Lieder von schwarzen Künstlern übernommen und damit Geld verdient habe: «Es waren dieselben Lieder, die, wenn sie schwarze Künstler spielten, als Lärm betitelt und nicht am Radio gespielt wurden.» Und, führt Pinto aus, es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen kultureller Aneignung und Kolonialismus: «Die Idee, an fremde Orte zu gehen und die Menschen, Länder und Ressourcen vor Ort zu besitzen, verkaufen und daraus Profit zu schlagen, ist Teil der kolonialen Logik.» Das betreffe nicht nur Rohstoffe, sondern auch die Kultur: «Man hat Lebensweisen abgewertet, zerstört und gleichzeitig Teile davon übernommen.» Kulturelle Aneignung und Enteignung müsse man zusammendenken, so Pinto.

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