Juden in Angst vor Attacken
Schweizer Synagogen werden zu Hochsicherheits-Zonen

Die Angst vor Angriffen gehört für Juden auch in der Schweiz zum Alltag. Religiöse Gebäude werden darum heute mit modernsten Mitteln bewacht.
Publiziert: 23.04.2019 um 14:44 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2019 um 10:38 Uhr

Überwachungskameras an den Wänden, verschlossene Türen, die nur mittels Gesichtserkennungs-Scan und Fingerabdruck-Analyse geöffnet werden können – was nach einem streng bewachten Tresor in einer Bank klingt, ist das Sicherheitsdispositiv für ein jüdisches Gebäude in der Stadt Zürich. Aus Angst vor Attacken rüsten Juden im ganzen Land massiv auf.

Allein in Zürich investieren jüdische Gemeinden jedes Jahr rund zwei Millionen Franken ins Sicherheitsdispositiv. Geschützt werden damit Institutionen wie Schulen, Kindergärten, Synagogen aber auch jüdische Restaurants oder Bibliotheken. In Baden AG ist die örtliche Synagoge gleich doppelt eingezäunt, an anderen Orten sind schon seit längerem ständig Sicherheitsdienste im Einsatz. Das Personal kommt grösstenteils aus der eigenen Gemeinde, einige Sicherheitskräfte stammen aber beispielsweise aus Israel, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.

Zürich kündigt Unterstützung an

Die Ausgaben für die Sicherheit sind offenbar bitter nötig. Wie der diesjährige Antisemitismusbericht zeigt, sind Übergriffe auf Juden auch hierzulande keine Seltenheit. Dabei sind Hakenkreuz-Schmierereien an Hauswänden noch die harmlosesten Vergehen. Aufgelistet werden im Bericht über das Jahr 2018 auch Vorfälle wie eine Messer-Attacke auf orthodoxe Juden, Beschimpfungen auf der Strasse oder sogar ein Vorfall in der Schweizer Armee mit einem orthodoxen Juden.

Die Synagoge in Baden AG wurde mittlerweile mit einem zweiten Zaun gesichert.
Foto: Israelitische Kultusgemeinde Baden/IKGB
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Schweizweit für Schlagzeilen sorgte auch der Vorfall des mehrfach vorbestraften Kevin G.* (31), der am Abend des 4. Juli 2015 im Zürcher Quartier Wiedikon zwei Juden attackiert und angepöbelt hatte. G. war mit einem Mob Neonazis in der Stadt unterwegs, als die Gruppe «Heil Hitler» schrie. Kevin G.* (30) soll dazu den Arm zum Hitler-Gruss ausgesteckt und einen der Juden angespuckt und geschubst haben. (BLICK berichtete).

In Ländern wie Frankreich oder Deutschland wird die jüdische Glaubensgemeinschaft schon lange finanziell unterstützt, damit diese sich vor Angriffen angemessen schützen können. In der Schweiz nicht. Das soll sich aber bald ändern. Gemäss dem Bericht des «Tages-Anzeigers» will sich Zürich nun an den Sicherheitskosten religiöser Minderheiten beteiligen. Das hat SP-Regierungsrat Mario Fehr angekündigt. Erst Ende Januar hatte der Bundesrat in einer Verordnung beschlossen, dass bedrohte Minderheiten in der Schweiz so bis zu 500'000 Franken Unterstützung erhalten sollen.

Hass im Internet nimmt stark zu

Sheila Kertész, Präsidentin der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, ist über die anstehende Änderung erleichtert. «Es beruhigt uns, dass der Bund eingesehen hat, dass wir eine bedrohte Minderheit sind und Schutzmassnahmen benötigen», sagt sie der Zeitung.

Ein Ort, in dem selbst Kameras und teuerste Scans nicht vor Übergriffen schützen, ist hingegen das Internet. Gemäss dem Antisemitismusbericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds kommt es aber gerade dort zu immer mehr Beschimpfungen und Bedrohungen. Das Gefühl der Angst wird für Juden darum wohl so rasch nicht aus dem Alltag verschwinden. (cat)

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