Intrigen ausgerechnet zu seinem Besuch in Genf
Eine Falle für den Papst

Ausgerechnet zu seinem Besuch beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf intrigieren Reform-Muffel gegen Franziskus. Vatikan-Experte Andreas Englisch analysiert für BLICK.
Publiziert: 17.06.2018 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:45 Uhr
Papst Franziskus erteilt zum Abschluss der Ostermesse 2018 feierlich den Segen «Urbi et orbi».
Foto: Abaca
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Andreas Englisch

Eigentlich sollte es für Papst Franziskus eine unkomplizierte Stippvisite, ein harmloser Pflichtbesuch in Genf werden. Doch jetzt wird sie zur Nagelprobe. Den konservativen Kräften im Vatikan gelang es, ihm eine Falle zu stellen. Löst sein Besuch nun einen Streit aus über das gemeinsame Kommunionhalten? Eine Kontroverse, die Franziskus gar nicht will? Es klingt nach einer Nichtigkeit. Aber die Unterstützer des Papstes geben offen zu: Wir machen uns Sorgen.

Nächsten Donnerstag wird in Genf das 70-jährige Bestehen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) gefeiert – und Franziskus, Oberhaupt von 1,1 Milliarden Katholiken, könnte eigentlich nur eines falsch machen: fernbleiben. Das würde die anderen Kirchen kränken. Natürlich nahm Franziskus die Einladung an. Er würde nach Genf fliegen, dem ÖRK gratulieren, zum weltweiten Zusammenhalt der Kirchen aufrufen, vor allem in humanitären Katastrophengebieten wie Syrien, und wieder heimkehren. Alles kein Problem. Seine Berater freuten sich auf den Termin.

Ein Dorn im Auge der Konservativen

Sie wissen, dass seine internen Gegner im Vatikan es mit Entsetzen sehen, dass der Papst die katholische Kirche gegenüber anderen christlichen Kirchen immer weiter öffnet. Dabei hatte Joseph Ratzinger, damals Chef der Glaubenskongregation, später Papst Benedikt XVI., noch im Jahr 2000 in der Grundsatzschrift «Dominus Iesus» erklärt, es sei «objektiv» besser, katholisch zu sein, wenn man in den Himmel kommen wolle. Der ÖRK in Genf war damals entsetzt.

Doch dann wurde 2013 Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien zum Papst gewählt. Das ökumenische Klima änderte sich unter Franziskus deutlich. 2014 besuchte er einen alten Freund, Giovanni Traettino, Pastor einer sogenannten Pfingstkirche. Jahrhundertelang hatte die Pfingstbewegung die Katholiken als Ketzer beschimpft. Die Konservativen im Vatikan empfanden es darum als Verrat an seinem Amt, dass Franziskus sich mit Pfingstlern traf – und sich dann auch noch für die katholische Kirche entschuldigte!

Die Kirche als Sekte

Denn in der Zeit des Faschismus hatten Katholiken Pfingstkirchler denunziert. Diktator Benito Mussolini hielt diese nämlich für «schädlich für die Rasse». Pfingstbewegte wurden verhaftet. Doch noch schlimmer als die Entschuldigung fanden die Konservativen das, was Franziskus danach sagte: dass es aus Sicht der katholischen Kirche leicht sei, andere als Sekten zu bezeichnen – dabei könne man die Kirche ja auch als Sekte ansehen.

Die «allein selig machende» katholische Kirche auf einer Stufe mit allen anderen? Eine unerhörte Provokation. Es scheint, als erhält Franziskus diese Woche dafür die Retourkutsche. Und dabei kam seinen Gegnern der Zufall zu Hilfe.

Abendmahl bei der anderen Konfession

Es begann in Deutschland: Kardinal Reinhard Marx, Chef der einflussreichen Deutschen Bischofskonferenz, plante, ein altes Problem endlich aus der Welt zu schaffen. Die Kirche solle zur Kenntnis nehmen, was schon längst Praxis ist: dass nämlich katholische und evangelische Christen zu Gast bei Gottesdiensten der jeweils anderen Konfession trotzdem am Abendmahl, der Kommunion, teilnehmen – obwohl die Kirche das eigentlich verbietet.

Dabei hält man sich selbst im Vatikan nicht mehr an das Verbot. Seit Jahren gibt dort ein hoher Funktionär seiner evangelischen Mutter sonntags die Kommunion, obwohl er es ja nicht dürfte.

Kardinal Marx will auf eine legale Basis stellen, was Zehntausende deutschsprachige Katholiken und ihre evangelischen Familienmitglieder jeden Sonntag praktizieren. Der Vorschlag schien eine unkomplizierte Sache zu sein. Doch dann machten die Franziskus-Gegner aus diesem scheinbar harmlosen Vo rstoss aus Deutschland die perfekte Bombe für Genf.

So läuft der Besuch ab

Wann kommt der Papst an?

Am Donnerstag um 10.10 Uhr landet Papst Franziskus in einer Alitalia-Maschine am Flughafen Genf-Cointrin. Dort wird er Bundespräsident Alain Berset sowie die Bundesräte Doris Leuthard und Ignazio Cassis begrüssen.

Um welche Uhrzeit ist die Messe?

Im Anschluss besucht Franziskus den Weltkirchenrat. Um 15.45 Uhr hält der Papst dort eine Ansprache. Um 17.30 Uhr beginnt in den Palexpo-Hallen seine Messe, 41'000 Gläubige werden erwartet. Gegen 20 Uhr schliesslich fliegt der Pontifex zurück nach Rom.

Wann kommt der Papst an?

Am Donnerstag um 10.10 Uhr landet Papst Franziskus in einer Alitalia-Maschine am Flughafen Genf-Cointrin. Dort wird er Bundespräsident Alain Berset sowie die Bundesräte Doris Leuthard und Ignazio Cassis begrüssen.

Um welche Uhrzeit ist die Messe?

Im Anschluss besucht Franziskus den Weltkirchenrat. Um 15.45 Uhr hält der Papst dort eine Ansprache. Um 17.30 Uhr beginnt in den Palexpo-Hallen seine Messe, 41'000 Gläubige werden erwartet. Gegen 20 Uhr schliesslich fliegt der Pontifex zurück nach Rom.

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Der Papst läuft den Intriganten ins Messer

Denn Kardinal Marx erlebte zunächst genau das, was in anderen Ländern in der gleichen Frage auch geschehen war: Die Bischöfe wurden sich nicht einig. Reform-Muffel wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Wölki wollten sich nicht nach dem Chef der Bischofskonferenz richten, sondern forderten eine Entscheidung des Papstes. Franziskus ging zunächst auf den befreundeten Kardinal Marx ein. Er schlug nämlich vor, die deutschen Bischöfe sollten sich einigen. Zu Deutsch: Macht, was ihr wollt, aber bitte fragt mich nicht! Denn wenn ihr mich fragt, muss ich das Thema zur offiziellen Sache machen. Und dann werden die mächtigen konservativen US-Bischöfe oder die orthodoxen Kirchen erklären, dass sie dagegen sind.

Jetzt schlug die Stunde der Konservativen im Vatikan. Was würde passieren, so ihre Überlegung, wenn kurz vor dem ÖRK-Treffen in Genf herauskäme, dass der Papst gegen ein gemeinsames Abendmahl sei? Statt einer netten Festrede gäbe es handfesten Streit. Der Papst, der doch so sehr auf die Öffnung gegenüber anderen Kirchen gedrängt hatte, stünde plötzlich als Zauderer da.

Zwietracht ist gesät

Und genau das gelang. Denn zwar war der Schriftverkehr zwischen Franziskus und Kardinal Marx in dieser Sache geheim. Aber die brisanten Dokumente wurden hinter dem Rücken des Papstes trotzdem weitergereicht. So gelangte vor wenigen Wochen ein vertrauliches Schreiben an die Öffentlichkeit, in dem der Papst auf Unzulänglichkeiten im Schreiben von Marx hinweist. Was bedeutet: noch kein gemeinsames Abendmahl!

Das schlägt auf die Feierlaune in Genf. Die Chefs der Kirchen müssen nun darüber rätseln, wie viel Macht der Papst noch hat, wenn ihn eigene Leute so hintergehen. Und Franziskus befürchtet, dass er in Genf als der grosse Schwindler dastehen wird, der sich zuerst so offen für die Ökumene zeigt und dann das Ruder herumreisst. Die Zwietracht ist gesät: Die lutherischen Kirchen werden enttäuscht sein, weil Franziskus doch nicht der grosse Reformator zu sein scheint; und den orthodoxen Kirchen wiederum ist Franziskus immer noch viel zu offen.

Es wird hoch hergehen hinter den Kulissen der frommen Feierstunden von Genf.

BLICK klärt die wichtigsten Fragen zum Besuch des Papstes.

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