Influencerin wirbt mit Schrott-Geschäftsmodell – Alessandro Z. fiel drauf rein
«Geld macht nicht glücklich? Dann bleib halt arm!»

Über Nacht reich werden mit Dropshipping – das propagieren Influencer in den sozialen Medien. Sie bauen ihre eigenen Onlineshops, versprechen «Schweizer Qualität». Doch ihre Produkte beziehen sie häufig aus China und verkaufen sie um ein Vielfaches teurer.
Publiziert: 25.05.2024 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2024 um 09:00 Uhr
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Helena SchmidReporterin

Auf ihrem Tiktok-Account mit 40'000 Followern postet sie Videos von Bündeln aus 200-Euro-Noten und Louis-Vuitton-Taschen. Sie filmt sich im Ferrari, Bentley oder Porsche. Influencerin Elif (24) nennt sich selbst «die erfolgreichste Dropshipperin Deutschlands». «Geld macht nicht glücklich?Dann bleib halt arm», schreibt sie in einem Post. Elif soll sich von der mittellosen Angestellten zur selbständigen Multimillionärin hochgearbeitet haben. Ohne Berufsausbildung.

Dropshipping ist ein Geschäftsmodell im Onlinehandel: Ein Kunde bestellt ein Produkt über einen Onlineshop, der selbst kein Lager und keine Logistik hat. Stattdessen gibt der Onlineshop die Bestellung an einen Grosshändler weiter, der das Produkt an Lager hat und es direkt an den Kunden liefert. Der Onlineshop minimiert damit Kosten und Risiken.

In einem ihrer Videos erklärt Elif anhand eines Filters für den Wasserhahn, wie Dropshipping funktioniert. Der entsprechende Shop vermarktet einen «dermatologisch getesteten» Wasserfilter. Das gefilterte Wasser soll Poren besser reinigen und Pickeln vorbeugen. Kosten: umgerechnet 72 Franken. In ihrem Video bestellt Elif einen gleich aussehenden Filter für 9 Franken beim chinesischen Onlineshop Alibaba.

Influencerin Elif posiert vor einem Ferrari. Sie nennt sich die «erfolgreichste Dropshipperin Deutschlands».
Foto: Screenshot Tiktok
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«Viele Junge probieren Dropshipping aus»

Das Geschäftsmodell scheint rentabel. Darius Zumstein, Professor für digitales Marketing an der Fachhochschule Nordwestschweiz, sagt zu Blick: «Viele Junge probieren Dropshipping einfach mal aus. Man braucht kaum Startkapital und hat fast kein Risiko: Wenn der Onlineshop nicht funktioniert, wird er einfach wieder eingestellt.»

In der Schweiz gehen ständig neue Dropshipping-Shops online. Zumstein spricht von einer «digitalen Goldgräberstimmung».

Was vielen Käufern nicht bewusst ist: Bei den Produkten handelt es sich – wie im Fall des Wasserfilters – häufig um Billigware aus Asien, die nichts mit Schweizer Qualitätsstandards zu tun hat und dennoch zu hierzulande üblichen Preisen verkauft wird.

«Das Hemd war ein billiger Lumpen»

Alessandro Z.* bestellte im Februar ein Hemd beim Schweizer Onlineshop envely.ch. Preis: 44.95 Franken. Der Shop verspricht, man achte auf die Verwendung von ökologischen Materialien, und wirbt mit Schweizer Qualität. «Der Shop wirkte vertrauenerweckend: Kundensupport rund um die Uhr, Rückgaberecht, einfacher Kauf», erzählt er.

Vier Wochen später dann die Enttäuschung. Alessandro Z. sagt: «Das Hemd war ein billiger Lumpen, hatte in etwa die Qualität eines Einweg-Fasnachtkostüms.» Er wendet sich schriftlich an den Kundensupport, will das Hemd zurückschicken: «Ich fragte nach dem Vorgehen für die Rücksendung, bekam aber nur nutzlose Antworten. Irgendwann wurde mir klar, dass ich mit einer Maschine chatte. Da gab ich es auf.»

Wer hinter dem envely.ch steckt, ist unklar. Eine Firma unter dem Namen gibt es in der Schweiz nicht.

Schweizer Onlineshops mit absurden Margen

Es gibt unzählige weitere solcher Shops. Auch dexus.ch wirbt mit Schweizer Qualität, man benutze nur «hochwertige Materialien». Die beheizbare «Frost Shield»-Jacke für 89.90 Franken auf dexus.ch liefert der Onlineshop Alibaba gratis in die Schweiz – für nicht einmal 17 Franken.

Sweet-babys.ch verkauft für 119 Franken die «LED Gesichtsmaske PRO», die weniger Falten und Pickel verspricht. Auf Alibaba kostet die Maske knapp 25 Franken. 

Dropshipping-Experte Zumstein erklärt: «Onlineshops, die billige Produkte zu einem vielfachen Preis weiterverkaufen, funktionieren meistens nur kurzfristig.»

13-Jährige wollen Dropshipper werden

Um das Vertrauen zu erhöhen, lassen einige dieser Online-Abzocker ihre Produkte inzwischen mit dem eigenen Logo versehen. So wie Yakup Erkus aus Deutschland: Er verkauft unter dem Namen Herosmile für 71 Franken eine elektrische Zahnbürste. Der chinesische Händler bietet an, das kundenspezifische Logo direkt auf die Bürste zu drucken. Kosten mit Logo: 9 Franken pro Stück.

Seinen Erfolg präsentiert Erkus auf Tiktok: gelber Ferrari, Erste-Klasse-Flüge nach Singapur, Luxusuhr. Er propagiert sein Geschäftsmodell: Man könne damit über Nacht reich werden! In den Kommentaren erntet er Applaus – gerade unter den Jungen. 13- und 14-Jährige suchen seinen Rat, wollen auch mit dieser Form von Dropshipping durchstarten.

Das Erfolgsmodell Dropshipping macht einige Influencer reich – und hinterlässt viele Kunden enttäuscht.

* Name der Redaktion bekannt 

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