Im Norden Syriens
Rapperswiler fällt im Kampf gegen den IS

Kristian Kulanc wurde in der Schweiz geboren, wuchs hier auf. Im Herbst reiste er nach Syrien an die Front. Jetzt ist er tot – gefallen im Kampf um Rakka.
Publiziert: 12.02.2017 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:25 Uhr
Cyrill Pinto

Der Angriff kam überraschend: Mit zwei sprengstoffbepackten Autos rasten zwei Kämpfer des Islamischen Staats (IS) mit Vollgas auf den feindlichen Posten zu. Es war kurz nach vier Uhr Morgens am 18. Januar, als die beiden Selbstmordattentäter ihre tödliche Fracht beim Dorf Suwaydiya-Saghira zur Explosion brachten. Drei christliche Anti-IS-Kämpfer waren sofort tot, drei schwer verletzt. Unter den gefallenen Kämpfern: der gebürtige Schweizer Kristian Simon Kulanc (†34). Kulanc stammte aus Rapperswil SG. Heute leben seine Verwandten in Södertalje (SE) westlich von Stockholm. Hier gibt es eine grosse christlich-syrische Gemeinde. Hier kannte man den zweifachen Familienvater. In einer Trauerfeier Ende Januar nahm man von ihm Abschied.

Gemeinsamer Kampf gegen den IS

Unter den Opfern des Anti-IS-Kampfs war auch ein US-Amerikaner: der frühere Marine Albert Avery Harrington (†47) aus dem US-Bundesstaat Ohio. Er wurde beim selben Angriff wie Kulanc schwer verletzt. Eine Woche später erlag er seinen Verletzungen.

Harrington und Kulanc kämpften mit den Mautubo Fulhoyo Suryoyo (MFS), den assyrisch-aramäischen Milizen. Es sind Christen, die im Norden von Syrien zu Hause sind. Manche von ihnen sprechen noch Aramäisch, die Sprache von Jesus. Im Dezember 2013, zwei Jahre nach Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs, griffen sie zu den Waffen und gründeten die heute rund 2000 Kämpfer starke Miliz. Die Mautubo Fulhoyo Suryoyo sind Teil des Bündnisses der Demokratischen Kräfte Syriens. Ihre stärksten Verbündeten: die kurdischen Volksverteidigungseinheiten. Gemeinsam kämpfen sie im Norden von Syrien gegen den IS. Dabei werden sie durch Luftangriffe der USA unterstützt. Fast täglich veröffentlichen Kämpfer am Boden Bilder von US-Bombern in der Luft. Sie fliegen Angriffe auf Ziele in der IS-Hochburg Rakka, unterstützen gleichzeitig auch die Offensive der Truppen am Boden. So konnten sie in den letzten Monaten im Rahmen ihrer Operation «Zorn des Euphrat» grosse Landgewinne erzielen und bis an die Aussenbezirke von Rakka vorstossen.

Die Demokratischen Kräfte Syrien bei ihrem Vorstoss auf Raqqa: In den letzten Wochen konnten sie massiv Gelände gewinnen – unter hohen Verlusten.
Foto: zvg
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Hohe Verluste der «Demokratischen Kräfte»

Während die Welt den Fall der Rebellen-Stadt Aleppo und die Rückeroberung der vom IS gehaltenen irakischen Metropole Mossul mitverfolgt, werden die Fortschritte im Kampf gegen den IS bei Rakka bisher wenig beachtet. In einem verzweifelten Appell richtete sich der MFS letzte Woche an die Öffentlichkeit mit der Bitte um Unterstützung aus dem Westen: «Die Christen in Syrien brauchen eure Unterstützung!» Denn bei ihrer Offensive auf Rakka erlitten die Demokratischen Kräfte hohe Verluste – unter ihnen Kristian Simon Kulanc.

Der gebürtige Schweizer wurde nach einer Trauerfeier in der orthodoxen Kirche der nordsyrischen Stadt Hasaka auf dem dortigen Heldenfriedhof beigesetzt.

Über fünf Jahre dauert inzwischen der Bürgerkrieg in Syrien. Nach anfänglichen Geländegewinnen der demokratischen Opposition kontrollierte zwischenzeitlich der IS einen grossen Teil von Syriens Westen. Doch in den letzten Monaten geriet dieser immer mehr unter Druck. Im Osten erobert gerade die irakische Armee die Millionenstadt Mossul vom IS zurück, im Westen liefert sich die Assad-treue syrische Armee Gefechte mit den Islamisten.

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