Hommage an die Millennials – literarisches Debüt des Zürchers Joel Bedetti (37)
Koks, Drugs and Drums

Hüfthosen, Indie-Rock und Casio-Uhren – die Nullerjahre prägten eine ganze Generation. Davon handelt «Lärmparade» – der erste Roman von Joel Bedetti (37). Der Zürcher hat eine Hommage geschrieben. An die Millennials. Und an die Jugend.
Publiziert: 13.03.2022 um 18:17 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2022 um 10:04 Uhr
Rebecca Wyss

Man erinnert sich, wenn man in die ersten Seiten dieses Buches eintaucht: Hüftjeans offenbarten perfekt geschwungene Arschgeweihe, ein SMS war noch etwas wert (weshalb manche ganze Liebes-Chats jahrelang aufbewahrten), und wer seine Lieblingsserie sehen wollte, musste pünktlich einschalten. Die Nullerjahre. In diese Zeit blendet der Journalist und Autor Joel Bedetti (37) zurück, mit seinem ersten Roman «Lärmparade» aus dem Zytglogge Verlag. Das Buch ist eine Hommage an seine Jugend. Und an eine ganze Generation: die Millennials.

Aber fangen wir vorne an. In Zürich zur Jahrtausendwende. Die Teenager Janosch und Peter kämpfen mit sich, ihrem Umfeld und entdecken dabei die Musik, sie gibt ihnen neuen Halt und ganz viel Sinn. Rasch zeigt sich das grosse Talent der beiden Aussenseiter: Der vom Vater kleingehaltene Peter wächst auf der Bühne über sich hinaus, der introvertierte Janosch entpuppt sich als begnadeter Komponist. Und so machen sie sich auf nach Glasgow – in die ruppige schottische Stadt, wo ihre Helden Franz Ferdinand die Indierock-Welle der Nullerjahre anführen. Wo Rockstars gemacht werden. Nichts anderes haben sie im Sinn. Und so kommt es auch: Sie fliegen high, so fest, dass sie sich ihre Flügel verbrennen – zu viel Party, Drugs und Druck vom Musikbusiness.

Der Traum vom Durchbruch

Die Geschichte, der Sound – dafür schöpfte Bedetti aus seinem Leben. Auch er wuchs in Zürich auf, auch er spielt Gitarre und wollte als Teenager Rockstar werden. Doch, sagt er: «Mein Talent reichte nicht.» Und so fing er mit dem Schreiben an. Erst als freier Journalist, wurde er gut, richtig gut: Er erhielt vor zehn Jahren den Nachwuchspreis des Zürcher Journalistenpreises – eine der renommiertesten Auszeichnungen in der Branche. Das ist nun passé. Zwar arbeitet er noch als Produzent für Blick, aber selber schreiben tut er nur noch literarisch. Für ihn ein logischer Schritt. Er sagt: «Beim journalistischen Schreiben funkte immer wieder meine Fantasie rein.» Die Realität kam nie an das heran, was in seinem Kopf vor sich ging. «Irgendwann wusste ich: Ich muss alles auf die Karte Literatur setzen.»

Der Zürcher Joel Bedetti legt seinen ersten Roman vor. Und das braucht Mut. Er sagt: «Wer schreibt und publiziert, macht sich verletzlich.» (Foto: Samuel Thoma)
Foto: zVg
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Und dort tobt er sich aus. Sprachlich passiert im Roman ganz viel Sinnliches: Gitarrensaiten wummern, Menschen stehen plötzlich da, als hätte sie der Boden ausgespuckt, Kokain hinterlässt einen schalen Geschmack im Rachen. Wer Nüchternheit sucht, wird bei ihm nicht fündig. Bedetti schreibt saftig.

Stolz und Demut

Nun, nach zweieinhalb Jahren voller einsamer Stunden am Laptop – wie fühlt sich das an: zu wissen, dass nun jeder sieht, was man zu Papier gebracht hat? Bedetti sagt: «Wer schreibt und publiziert, macht sich verletzlich.» Ein Flimmern im Bauch gehöre dazu. Und doch freue er sich. Was in seinen Worten mitklingt: Stolz. Und Demut. Im Stundentakt verfolgt er derzeit die Nachrichten aus der Ukraine und sagt: «Vielleicht gibt es dort einen wie mich, der ein Buch geschrieben hat, und jetzt nicht wie ich Lesungen geben kann, sondern mit einer Kalaschnikow in der Hand kämpfen muss.»

«Lärmparade». Ab 14. März beim Zytglogge Verlag erhältlich. 32 Franken.

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