Heikle Tipps
Wie Hoteliers mit arabischen Gästen umgehen sollen

In einer neuen Broschüre für den Umgang mit Gästen aus den Golfstaaten finden sich umstrittene Ratschläge. Tourismusverbände verteidigen ihre Tipps.
Publiziert: 03.08.2019 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2019 um 13:25 Uhr
Tobias Marti, Thomas Schlittler (Text) und Siggi Bucher (Fotos)

Super respektvoll seien sie, die Schweizer. Die arabischen Touristen in der Interlakner Fussgängerzone sind voll des Lobes. Im Berner Oberland würden ihre Kultur, Gepflogenheiten, Religion respektiert: Jameela aus den Vereinigten Arabischen Emiraten muss keinem fremden Mann die Hand reichen, denn das wäre haram – also unrein und damit für eine gläubige Muslima verboten.

Fatimah aus Saudi-Arabien wurde hier noch nie von einem Unbekannten angesprochen.

Und Familie Ahmad kann nicht klagen, dass ihre Kinder von jemandem gemassregelt werden, wenn sie etwas ausgefressen haben. Der Schweizer Gastgeber schweigt lieber vornehm.

Salyem (r.) und Jameela aus den Vereinigten Arabischen Emiraten fühlen sich wohl in Interlaken. Sie möchte aber auf dem Foto nicht erkennbar sein.
Foto: Siggi Bucher
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Interlaken hat sich an die Gästegruppe angepasst

Meist gehen die Herren voraus, die verschleierten Damen und die Kinder folgen mit gebührendem Abstand. Die Besucher aus den ölreichen Golfstaaten gehören in Interlaken mittlerweile zum Ortsbild. Und sie werden jedes Jahr zahlreicher. Von 2012 bis 2018 hat ihr Anteil um 82 Prozent zugenommen. 946'000 Logiernächte waren es vergangenes Jahr. In Interlaken hat man sich längst angepasst: arabische Speisekarten, einen Koran im Zimmer, Gebetsteppiche mit Kompass zur Lokalisierung von Mekka, private Gebetsräume.

Aber auch der Rest der Schweizer Hoteliers und Wirte soll den Umgang mit arabischen Gästen üben. Dazu haben «Schweiz Tourismus» und «Hotelleriesuisse» einen neuen Leitfaden herausgebracht.

Die wichtigste Information gibt es darin schon im Vorwort: «Der Gast aus den Golfstaaten lässt mit seinen durchschnittlichen Tagesausgaben alle anderen Touristen deutlich hinter sich zurück.»

Handschlag mit der Frau nicht forcieren

Tatsächlich geben sie im Schnitt 420 Franken pro Tag aus, Amerikaner 280, Schweizer nur 140, Deutsche 130. Kein Heft ist über deutsche Gäste geplant.
Nach den blanken Zahlen über die teuren Touristen folgt in der Broschüre allerlei Praktisches: «Oberhaupt der Familie ist der Mann», stellen die Tourismusprofis klar.

Es folgen heikle Tipps: «Bei konservativen Araberfamilien empfiehlt es sich, zuerst den Mann anzusprechen, vor allem als Mann.» Oder auch: «Bei Frauen kann man mit der Begrüssung per Handschlag zuwarten, bis die Frau die Hand entgegenstreckt. Falls sie dies nicht tut, sollte man es nicht forcieren.»

Tipps gibt es auch zum Umgang mit den lieben Kleinen: «Weisen sie ein Kind nicht persönlich zurecht, sondern suchen Sie das Gespräch mit dem Vater oder einem älteren Familienmitglied. Informieren Sie in indirekten Bemerkungen über die geltende Hausordnung und das Verhalten der Kinder.»

Es geht um Tourismus, nicht Integration

Fazit der Tourismus-Vermarkter: Nebst hochwertigen Hotels und Service erwartet der arabische Gast vor allem Respekt vor dem Islam.

Nun ist die Integration von Muslimen hierzulande ein Dauerthema. Senden die Touristiker mit ­ihren Ratschlägen nicht falsche ­Signale aus? Die Organisationen verteidigen sich gegenüber SonntagsBlick: «Diese Broschüren betreffen die Debatte um die Integration von Muslimen in der Schweiz nicht.»

Es gehe hier um Gäste aus den arabischen Golfstaaten, also um Touristen. Man wisse aus der Branche einfach, dass es zu Missverständnissen kommen könne.

«Frauen können besser Englisch» als der Ehemann

Missverständnisse, die schlimmstenfalls in weltweiten Schlagzeilen münden, wie es in der Vergangenheit schon mit jüdischen Gästen passiert ist. Vor zwei Jahren forderte ein Aroser Hotel Juden zum Duschen auf. Darum gibt es zur Golfstaaten-Broschüre neu auch einen Knigge für den Umgang mit jüdischen Gästen.

Und vor Wochen sorgte in Gstaad BE ein Informationsblatt für Unmut unter indischen Hotelgästen. Auch hier soll eine Broschüre bald Abhilfe schaffen.

An der Rezeption des Hotels Metropole, eines Tummelplatzes der arabischen Touristen in Interlaken, steht ein Familienoberhaupt und weiss nicht mehr weiter. Der Patriarch müsste auf Englisch parlieren. Leider spricht er kein Wort der fremden Sprache. Seine Frau hilft aus, ruft ihm von hinten Befehle zu: «Viele Frauen können besser Englisch als ihr Ehemann und werden dann vielleicht das Zepter übernehmen.» Auch das steht in der Broschüre

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