Tobias Mula (42) eröffnet Pizzeria in 50-Seelen-Dorf
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Sommerserie:Tobias Mula (42) eröffnet Restaurant in 50-Seelen-Dorf

Der Italiener Tobias Mula (42) rettete in der kleinsten Bündner Gemeinde Lohn die Dorfbeiz
Dank dem Pizzaiolo ist der Ofen nicht aus

Eine Gemeinde ohne Beiz ist eine Gemeinde ohne Seele. Ein Jahr lang suchte Lohn GR vergebens nach einem Pächter für das Restaurant Orta. Dann fand sie Pizzaiolo Tobias Mula – und landete einen Volltreffer.
Publiziert: 30.07.2019 um 23:25 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2019 um 09:04 Uhr
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Marco LatzerReporter Ostschweiz

Über ein Jahr lang lag das Dorfleben von Lohn GR brach. Erst seit im Februar Tobias Mula (42) das Bergrestaurant Orta übernommen hat, verfügt die kleinste Gemeinde Graubündens (50 Einwohner, Stand Juli 2019) wieder über einen eigenen Treffpunkt.

Auf rund 1600 Metern über Meer, hoch über dem Schamsertal gelegen, versucht der auf Sardinien geborene Mula sein Glück mit einer eigenen Pizzeria. Er frohlockt: «Ich bin der einzige Pizzaiolo im ganzen Tal. Zwischen Thusis und Splügen gibt es nur mich!»

Spontan in die Berge gezügelt

Damit bewirtschaftet der leidenschaftliche Wirt eine Nische. Weil Mula zwei andere Restaurants in den umliegenden Gemeinden nicht konkurrenzieren möchte, fehlen Bündner Spezialitäten wie Capuns ganz bewusst auf der Speisekarte.

Pizzaiolo Tobias Mula hat die leerstehende Beiz hoch über dem Schamsertal im Februar übernommen und sofort seinen Platz im Dorfleben gefunden.
Foto: Rémy Steinegger
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Und die Sympathien der Einheimischen sind dem Sarden dennoch gewiss, da er alle seine Zutaten wenn möglich in Lohn oder zumindest in der Umgebung bezieht. Es ist die Geschichte einer perfekten Integration.

Der gelernte Hotelfachmann sagt trotzdem: «Ich habe schon ein Risiko auf mich genommen, als ich mich spontan dazu entschieden habe, in dieses kleine Dorf zu ziehen.» Es sei ein Sprung ins Ungewisse gewesen. 

Aufgewachsen auf Sardinien, zuletzt im Thurgau

Rückblende: Tobias Mula (deutsche Mutter, italienischer Vater) zieht es vor fünf Jahren in die Schweiz. Bis im letzten Jahr arbeitet er als Chefkoch in Warth TG nahe Frauenfeld, ehe sich der Single zu einem Tapetenwechsel entscheidet.

«Ich bin zufällig im Internet auf das Inserat gestossen. Ein Restaurant mit 25 Plätzen drinnen, 25 draussen. Weil alle Anforderungen erfüllt waren, spielte die Lage keine grosse Rolle», erklärt Mula.

Auch die abgelegene Lage von Lohn am Ende einer neun Kilometer langen Bergstrasse vermag ihn nicht abzuschrecken. Im Gegenteil: «Es war Liebe auf den ersten Blick. Als ich im letzten Oktober das Restaurant erstmals besichtigen konnte, wusste ich: Hier muss ich hin!»

«Lohn braucht einen Anziehungspunkt»

Jetzt bewohnt Mula die Wirtewohnung direkt über seiner Pizzeria. Im Untergeschoss befindet sich die Gemeindekanzlei von Lohn, der auch das ganze Gebäude gehört.

Dass es den Berg-Pizzaiolo hierhin verschlagen hat, freut auch Gemeindepräsident Peter Baumann (67). «Wir sind sehr, sehr froh, ihn gefunden zu haben. Lohn braucht einen Anziehungspunkt wie das Restaurant Orta, um das Leben im Dorf zu erhalten.»

Baumann weiss, wovon er spricht. Wie viele Bergorte ist auch Lohn von einer starken Abwanderung betroffen. Gab es vor einigen Jahren noch zwölf Landwirtschaftsbetriebe, sind es heute noch deren sechs. Und nur gerade zwei Kinder befinden sich im schulpflichtigen Alter.

Gerade wegen dieser Kleinheit lieferte das pittoreske Örtchen in der Vergangenheit immer wieder statistische Extremwerte: So war Lohn schon das ärmste und das kriminellste Dorf der Schweiz. Zwischenzeitlich aber auch jenes mit dem höchsten Frauenanteil.

Unter Schweizern

Über zwei Millionen Ausländer leben in der Schweiz, viele in den Städten und Agglomerationen. Daneben gibt es Dörfer, die ihre Ausländer an einer Hand abzählen können, wo diese fast noch exotisch sind. BLICK besucht rund um den 1. August solche Orte und schaut, wie das Zusammenleben ist.

Über zwei Millionen Ausländer leben in der Schweiz, viele in den Städten und Agglomerationen. Daneben gibt es Dörfer, die ihre Ausländer an einer Hand abzählen können, wo diese fast noch exotisch sind. BLICK besucht rund um den 1. August solche Orte und schaut, wie das Zusammenleben ist.

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Dorf will geschlossen bei Mula einkehren

Zuletzt sei es aber gelungen, das Dorf zu stabilisieren, so Baumann. Auch dank Neuzuzügern wie Tobias Mula. «Neben ihm leben hier jetzt zwei Deutsche und ein holländisches Paar. Das hebt unsere Einwohnerzahl auf 50», freut sich das Gemeindeoberhaupt.

Um den Wirt des Bergrestaurants Orta zu unterstützen, ist auf Herbst die Einführung eines Dorfmittagstisches geplant. Da den Bauern im Ort die Zeit für ein Feierabendbier fehlt, wollen sie stattdessen einmal im Monat geschlossen Pizza essen gehen.

Ganz Lohn zu Gast bei Tobias Mula? Ihn würde es freuen. Auch weil das Tagesgeschäft trotz einer Bushaltestelle direkt vor der Tür nur schwer planbar ist. Beim Besuch von BLICK kann Mula lediglich fünf Mittagessen zubereiten. Eine Pizza für den Buschauffeur inbegriffen. 

«Um mich muss man sich keine Sorgen machen», beschwichtigt der Pizzaiolo. «Es gab auch schon Tage, an denen ich Gäste aus Platzgründen abweisen musste!» Sein Bergabenteuer im Restaurant Orta laufe auch finanziell besser als erwartet.

«Ich sehe meine Zukunft hier oben. Hier ein eigenes Häuschen bauen und ein echter Lohner werden – das wäre schon was!», sagt Tobias Mula.

5 Ausländer auf 50 Einwohner

Lohn GR wurde spätestens im 9. Jahrhundert gegründet. Der Ort ist laut Bundesamt für Statistik die einwohnerärmste Gemeinde Graubündens. Weil zur Zeit der Erhebung nur eine ausländische Person in Lohn lebte, liegt der Ausländeranteil offiziell bei 2,4 Prozent. Heute sind es insgesamt 50 Einwohner, fünf davon Ausländer. Aus den letzten Wahlen ging die SP als stärkste Partei hervor (30,6 Prozent). Vom fünfköpfigen Gemeinderat bekennt sich dessen Präsident Peter Baumann zur Partei. Als kulturelles Highlight unterhält die Gemeinde seit 2005 einen Klangwald.

Lohn GR wurde spätestens im 9. Jahrhundert gegründet. Der Ort ist laut Bundesamt für Statistik die einwohnerärmste Gemeinde Graubündens. Weil zur Zeit der Erhebung nur eine ausländische Person in Lohn lebte, liegt der Ausländeranteil offiziell bei 2,4 Prozent. Heute sind es insgesamt 50 Einwohner, fünf davon Ausländer. Aus den letzten Wahlen ging die SP als stärkste Partei hervor (30,6 Prozent). Vom fünfköpfigen Gemeinderat bekennt sich dessen Präsident Peter Baumann zur Partei. Als kulturelles Highlight unterhält die Gemeinde seit 2005 einen Klangwald.

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