Der Bündner Reto Camichel (63) muss am Zoll ein Corona-Test vorweisen, Grenzgänger nicht
Die Fahrt zum Ferienhaus wird zum Nerventest

Teures Weekend! Jedes Mal, wenn Berufsschullehrer Reto Camichel und seine Frau ins 43 Kilometer entfernte Ferienhaus in Italien reisen, müssen sie sich für 50 Franken pro Kopf testen lassen. Die Grenzgänger aber bräuchten keinen Test. Ungerecht, findet der Bündner.
Publiziert: 05.03.2021 um 07:12 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2021 um 09:53 Uhr
Myrte Müller

Das Valchiavenna ist seine zweite Heimat. Seit 25 Jahren besitzt Reto Camichel (63) aus La Punt Chamues-ch GR ein Ferienhaus im italienischen Grenztal. «Dort bin ich jedes Weekend. Manchmal sogar zweimal die Woche», sagt der Lehrer an der kaufmännischen Berufsschule in Samedan GR. Da gebe es immer etwas zu tun. Das Haus ist stattlich, hat einen grossen Garten, sogar einen Pool. Ein Traum in Seenähe, nur 43 Kilometer von seinem Schweizer Wohnsitz entfernt.

Früher war die Anreise kein Problem. Knapp eine Stunde Autofahrt, und die Familie war im italienischen 1800-Seelen-Dorf Novate Mezzola. Doch seit dem Lockdown ist alles anders. Italien will möglichst keine Touristen ins Land lassen. Und wenn, dann nur coronafreie.

«Warum werden nicht die Grenzgänger getestet?»

«Meine Frau und ich müssen an der Grenze einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter sein darf als 48 Stunden», erzählt Reto Camichel. Fürs Portemonnaie heisst dies: gut 400 Franken im Monat. Und das Nasenbohren sei ja nun auch nicht grad angenehm. Drei Konsulate hat Reto Camichel angeschrieben. Die Antwort war immer die gleiche: Es braucht den negativen Corona-Test für die Fahrt zum Wochenendhaus.

In knapp einer Stunde erreicht der Bündner das Dorf Novate Mezzola im Valchiavenna (I). Zur Schweizer Grenze sind es nur zehn Minuten. Dennoch braucht Reto Camichel einen negativen Corona-Test, um über die Grenze zu kommen.
Foto: zVg
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Was den Ferienhaus-Besitzer so richtig wurmt: «Die Berufspendler aus Italien dürfen ein- und ausreisen ohne Einschränkung. Das ist doch ungerecht und nicht nachzuvollziehen.» In der Tat brauchten Grenzgänger aus Italien, die einen Arbeitsweg in die Schweiz nachweisen können, keinen negativen Test, um wieder einzureisen.

Auch andere Nachbarstaaten fordern negativen Corona-Test

Corona-Experte Andreas Cerny (64) hat Verständnis für den Ärger. «Kontrollen und Tests sind natürlich immer gut. Rein epidemiologisch jedoch macht die Testpflicht an Grenzübergängen nicht wirklich Sinn. Negative Tests für Reisende sind nur sinnvoll, wenn zwischen den Regionen in den Infektionszahlen ein grosses Gefälle besteht.»

Doch nicht nur Italien zeigt wenig Herz für seine Zweitwohnungsbesitzer. Auch Deutschland, Österreich und Frankreich machen die Einreise schwer. Wer ins deutsche Grenzgebiet reist, muss eine digitale Einreiseanmeldung durchführen und bis spätestens 48 Stunden nach Einreise nachweisen, nicht mit dem Coronavirus infiziert worden zu sein.

An Österreichs Grenzen wird entweder ein Gesundheitszeugnis, ein Antigen- oder PCR-Test mit negativem Test-Ergebnis verlangt. Bei der Einreise nach Frankreich darf der negative PCR-Test nicht älter als 72 Stunden sein. Zudem muss der Tourist eine Erklärung mitführen, die bestätigt, dass man in den letzten 48 Stunden keine Corona-Symptome hatte und in den vergangenen zwei Wochen nicht in Kontakt mit infizierten Personen stand.


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