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Für das binationale Paar Lisa und Prosper Filipe gehört Diskriminierung zum Alltag
Der Standesbeamte riet ihnen, in Dänemark zu heiraten

Ein Dunkelhäutiger und eine Weisse. Lisa und Prosper Filipe sind ein binationales Paar. Mittlerweile sogar mit Baby. Sie erzählen von schiefen Blicken und bösen Sätzen – also von Rassismus-Erfahrungen mitten in der Schweiz.
Publiziert: 18.06.2020 um 23:10 Uhr
Celina Euchner

Die Schweizerin Lisa Filipe (28) will nur eines: sesshaft werden, ankommen. Eine kleine Familie mit ihrem Freund gründen. Das Paar will in die erste gemeinsame Wohnung ziehen. Bei einer Besichtigung wendet sich die Vermieterin an Lisa: «Was machen Sie, wenn er plötzlich in den Kongo abhaut?» Stille. Dann: «Er wird dir abhauen, such dir lieber gleich ein kleines Studio.»

So geschehen ist das in Neuenburg, also mitten in der Schweiz. Heute ist Prosper (27) Lisas Ehemann. Gemeinsam haben sie eine sieben Monate alte Tochter. Prosper Filipe ist weder abgehauen, noch kommt er aus dem Kongo. Aufgewachsen ist der Dunkelhäutige, genau wie Lisa, in St. Gallen. Geboren wurde er in der angolanischen Hauptstadt Luanda. Als er anderthalb Jahre alt ist, flüchtet seine Familie vor dem Bürgerkrieg. Seitdem wohnt er in der Schweiz – und erfährt immer wieder Rassismus.

Prosper muss beweisen, dass er keine Frau in Angola hat

Nicht im Freundeskreis. Auch nicht in der Familie. Anfeindungen hagelt es immer von Fremden. So wird Prosper beim Open Air St. Gallen nachgerufen: «Oh, was macht denn das Negerli jetzt hier?» Worte, die dem Mittzwanziger besonders in seiner Heimatstadt wehtun. Er ist froh, dass Lisa nicht dabei ist.

Lisa und Prosper Filipe sind seit neun Jahren ein Paar.
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Doch Probleme gibt es für das Multikulti-Paar auch bei Schweizer Behörden. «Heiraten ist als binationales Paar schwierig, zumindest, wenn einer aus Angola kommt», sagt Prosper. Die beiden wollen standesamtlich in der Schweiz heiraten. Kirchlich in Portugal, weil Lisa Schweizerin und Portugiesin ist. Doch an Blumendeko und Einladungskarten ist noch nicht zu denken. «Ich musste erst mal beweisen, dass ich nicht in Angola verheiratet bin», sagt der Ehemann.

Anwalt, um Ehe in der Schweiz eintragen zu lassen

Dazu benötigen sie Dokumente aus Prospers Geburtsort. «Bis die da waren, war die Frist abgelaufen. Mehrfach habe ich die Papiere bestellt.» Monatelanges bürokratisches Hin und Her. Statt in der Schweiz tritt das Paar dann in Dänemark vors Standesamt. Das empfiehlt sogar der Schweizer Standesbeamte – der Einfachheit halber. In Dänemark muss Prosper nicht beweisen, dass er nie in Afrika geheiratet hat. Auch nicht, dass er Lisa aus Liebe zur Frau nehmen will. Nach der kirchlichen Trauung lässt das Paar die Heirat in der Schweiz eintragen.

Zwei Jahre dauert das. Am Ende hilft ein Jurist. «Ich musste einen Anwalt anheuern, um meine Heirat mit Lisa eintragen zu lassen.» Als der Hürdenlauf geschafft ist, erhalten Lisa und Prosper ein Protokoll. Das Paar: «Wieso es so kompliziert war, wurde uns am Ende darin sogar mitgeteilt: Man musste sichergehen, dass es keine Scheinhochzeit ist.»

«Wenn wir in den USA wären, hätte ich euch erschossen»

Auch Polizisten nehmen den Dunkelhäutigen anders war. «Nicht alle, aber manche», sagt Prosper. Ein Erlebnis aus seiner Jugend in St. Gallen ist rückblickend fast wie ein Trauma. «Mit 17 sass ich mit Kollegen auf dem Dach einer Turnhalle. Ein Polizist kam und sagte: ‹Wenn wir in den USA wären, hätte ich euch erschossen.›» Solche Erfahrungen hat Lisa in der Stadt, in der beide gross geworden sind, nie gemacht. Beide sagen, dass sie vor allem als Paar immer noch verhältnismässig wenig Rassismus in der Schweiz erleben.

Dennoch haben sie sich überlegt, ob sie wirklich ein Kind in diese Welt setzen wollen. Aber Prosper sagt: «Unsere Kleine wird Privilegien geniessen, die ich nicht hatte. Die Welt entwickelt sich in die richtige Richtung. Wir sind da beide positiv eingestellt.» Zwei optimistische Menschen. Und ein kleines Mädchen, das mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht nur die schönsten Seiten der Schweiz zu spüren bekommen wird.

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