Post von Inkassounternehmen
Freiburgerin soll plötzlich fünf Jahre alte Mautgebühren bezahlen

Eine Freiburgerin erhält einen Bussgeldbescheid, weil sie während eines Aufenthalts in der Lombardei im Jahr 2018 keine italienischen Mautgebühren bezahlt hat. Anders als die Polizei ihr zunächst mitgeteilt hatte, handelte es sich dabei nicht um einen Betrug.
Publiziert: 20.03.2023 um 20:13 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2023 um 21:12 Uhr
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Amit Juillard

Als Véronique* (69) am 15. März ihre Post öffnet, fällt sie aus allen Wolken. In einem Brief wird sie aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen 3,19 Euro und 12,23 Euro an Gebühren für die Nichtbezahlung von italienischen Mautgebühren aus dem Jahr 2018 zu zahlen. Das auf Französisch verfasste Schreiben und die Rechnung stammen von einem in Mailand ansässigen Inkassounternehmen – Gestione Rischi S.r.l.u –, die angegebene Telefonnummer ist jedoch französisch.

Zunächst glaubt sie an einen Trick. «Ich war sehr überrascht», erzählt die Blick-Leserin. «Es kommt nicht oft vor, dass man fünf Jahre später einen Bussgeldbescheid erhält. Und dann auch noch für einen so kleinen Betrag!» Ihre Adresse ist jedoch korrekt, das Kennzeichen ihres Fahrzeugs ebenfalls, und sie war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in der Nähe des Lago Maggiore.

Da sie sich nicht sicher war, ging sie am nächsten Tag zu einer Polizeiwache in Freiburg: «Dort sagten mir zwei Beamte ohne zu zögern, dass es sich um einen Betrug handelte. Sie erklärten mir auch, dass sie bereits von fünf anderen Personen darauf angesprochen worden waren.»

Teile der Autobahn in Norditalien sind mautpflichtig, aber nicht durch physische Barrieren abgegrenzt.
Foto: DR
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Polizei entschuldigt sich

Am Montag entschuldigte sich die Freiburger Kantonspolizei. «Ihre Leserin hat vielleicht mit Beamtinnen zu tun gehabt, die nicht ausreichend mit der Situation vertraut waren, und wir möchten uns bei ihr entschuldigen», beginnt Pressesprecher Gino Frangone am Telefon. «Ich kann Ihnen bestätigen, dass es sich nicht um einen Betrug handelt, und wir schliessen uns der Mitteilung der Walliser Kantonspolizei über diese Briefe voll und ganz an. Wir fordern die Empfänger auf, die ihnen vorgeworfenen Verstösse zu überprüfen und die Rechnungen zu bezahlen oder innerhalb der angegebenen Frist Widerspruch einzulegen.»

Die Walliser Kantonspolizei, die mehr als 30 Mal von Bürgerinnen und Bürgern alarmiert wurde, bestätigt die Richtigkeit dieser Strafzettel von durchschnittlich rund 20 Euro, wie «Le Nouvelliste» am Freitag berichtete. Im Detail betreffen die unbezahlten Strafzettel die Autobahnen A36, A59 und A60, die sich in Norditalien unweit von Mailand befinden. Genauer gesagt handelt es sich um zwei Hauptabschnitte mit einer Länge von etwa 100 Kilometern.

Bis 2015 waren diese Abschnitte, die der Autostrada Pedemontana Lombarda gehören, gebührenfrei. Seitdem sind sie mautpflichtig. Aber, und das ist vielleicht der Kern des Problems: Diese Autobahnabschnitte sind nicht durch physische Barrieren abgegrenzt. Es gibt jedoch Schilder, die die Fahrer darauf hinweisen, dass sie sich innerhalb von zwei Wochen nach der Durchfahrt auf www.pedemontana.com anmelden müssen, um ihre Gebühren zu begleichen.

Müssen die zusätzlichen Kosten bezahlt werden?

Der Anwalt Sébastien Fanti, der am Samstag auf der Website der Regionalzeitung zitiert wurde, rät «Personen, die eine Rechnung von einem Inkassounternehmen erhalten haben, diese direkt bei der italienischen Behörde zu begleichen, die die Strafe verhängt hat». Der Rechtsanwalt und ehemalige kantonaler Datenschutz- und Transparenzbeauftragte stützt sich insbesondere auf einen Artikel der Fédération romande des consommateurs (FRC), der Ende Februar im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesstrafgerichts veröffentlicht wurde. Ein Schweizer Urlauber hatte zwei Jahre, nachdem er mit seinem Fahrzeug in einer durchfahrtsbeschränkten Zone gefahren war, eine Rechnung von einem Inkassounternehmen, erhalten. Eine Beschwerde beim Bundesgericht ist noch möglich.

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Jean Tschopp, Leiter des Bereichs Beratung bei der FRC, erklärt auf Anfrage von Blick: «Im Fall Ihrer Leserin ist aus meiner Sicht nur die Grundforderung geschuldet. Der Betrag muss zudem direkt an die ausstellende Behörde gezahlt werden, nicht an das Inkassounternehmen.»

Laurent Pignot vom Touring Club Schweiz fordert die Autofahrer auf, sich direkt mit der ausstellenden Behörde in Verbindung zu setzen. Ziel ist es, herauszufinden, ob es möglich ist, den Betrag direkt an die Behörde zu zahlen und so die Kosten zu senken: «Die italienischen Behörden gehen normalerweise immer gleich vor. Sie schicken zunächst ein erstes Schreiben. Wenn die Rechnung nicht bezahlt wird, beauftragen sie ein Inkassounternehmen.»

Was droht, wenn eine Geldstrafe nicht an die italienischen Behörden gezahlt wird? Die FRC warnt: «Ein Reisender, der sein Bussgeld nicht an die italienischen Behörden zahlt, muss damit rechnen, dass sein Fahrzeug bei einer Kontrolle während eines nächsten Aufenthalts in Italien beschlagnahmt wird und dass ihm noch höhere Strafen und Kosten drohen.»

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